Forschungsschwerpunkte

  • Die wissenschaftliche Auseinandersetzung ist grundsätzlich auf die Rezeption, Diskussion und Weiterentwicklung von Theorien – und damit auch von Begriffen und Konzepten angewiesen. Mit Blick auf Fragen digitaler Transformation stellt sich diese Prämisse der wissenschaftlichen Auseinandersetzung auch als eine Reflexion des Wandels von Begriffen und Konzepten angesichts eines stetigen Wandels medialer Verhältnisse dar. Dabei sind begriffsgeschichtliche Auseinandersetzungen mit den Implikationen bestimmter Begriffe ebenso wichtig wie ihre gegenstandsbezogene Reflexion und Reformulierung angesichts aktueller Herausforderungen.

    In ebendiesem Sinne beschäftigt sich das Lehrgebiet mit der Reflexion und Reformulierung unterschiedlicher Begriffe und Konzepte, die theoretisch entlang von machttheoretischen, diskurs- und performativitätstheoretischen sowie neo-materialistischen und nicht zuletzt gender- bzw. queertheoretischen Zugängen diskutiert werden. Beispielhaft beschäftigen wir uns mit Fragen wie: Was bedeuten Begriffe wie ‚Hate Speech‘ im Verhältnis zu ‚Mediatisierter Missachtung‘? Inwiefern ist der Begriff der ‚Plattform‘ politisch? Was verändert sich, wenn wir den Begriff ‚Kuratieren‘ im Kontext von Content Curation und Moderation als eine ‚sorgende‘ Tätigkeit fassen? Was hat es mit ‚Souveränität‘ angesichts digitaler Unverfügbarkeit auf sich? Und ganz grundsätzlich: wie verändert sich unser Verständnis von historischen Differenzen zwischen ‚Menschen‘, ‚Maschinen‘ und ‚Tieren‘, wenn diese sich in digitalen Gefügen wechselseitig bedingen?

  • Digitale Transformationsprozesse geben Forschenden auf, den Forschungsapparat auf multiple Verschränkungen einzustellen. Ein querliegender methodologischer Forschungsstrang beschäftigt sich entsprechend mit relationalen Methodologien und Methoden. Vor dem Hintergrund eines umfassenden Involviertseins in digitale Kulturen wird die Notwendigkeit der Weiterentwicklung entsprechender Ansätze immer augenscheinlicher. Zudem gilt es, ökonomische, (staats)politische, technologische sowie soziokulturelle Aspekte in ihrem Zusammenwirken in den Blick zu nehmen.

    Weitere Herausforderungen ergeben sich in der Auseinandersetzung mit flüchtigem sowie entgrenztem Material: Es gilt, Verweise mit einzubeziehen, die erst während des Forschungsprozesses entstehen oder zumindest nicht im Vorhinein abgesehen werden können – wenn wir beispielsweise den Empfehlungen der Algorithmen folgen und in ihren Sog geraten. Dies gilt es keineswegs per se zu verhindern, sondern produktiv zu machen, d.h. zu untersuchen. Denn es handelt es sich um algorithmische Ereignisse, die Aufmerksamkeit lenken, Sicht- und Sagbares regulieren und die Wahrnehmung affizieren und als solche als Teil des Gegenstandes berücksichtigt werden müssen. Diffraktive Designs dekonstruieren sowohl Vorstellungen eines souveränen Forschungssubjekts als auch einer ‚sauber‘ zu entdeckenden Empirie und betonen stattdessen die technologische, kulturelle und soziale Situiertheit von Wissensgenerierungen sowie ihre Partialität.

  • Dieser Forschungsstrang beschäftigt sich mit Phänomenen mediatisierter Missachtung und differentieller Gewalt im Kontext von ‚Sozialen Medien' und Plattformen. Über Prozesse der digitalen Konstitution von Subjektivität hinaus werden die (potentiell) gewaltvollen und destruktiven Effekte digitaler Transformationen entlang intersektionaler Differenzkategorien (gender, race, class…) fokussiert. Zugleich geht es um die Frage nach widerständigen Praktiken und der Möglichkeitshorizonte für Kritik und solidarische Vergemeinschaftungen. Dem liegt ein relationaler Ansatz zugrunde, der auf komplexe wechselseitige Bedingungsgefüge mediatisierter Missachtung bzw. digitaler Gewalt fokussiert. Dabei werden nicht zuletzt ökonomische Interessen entlang algorithmisierter Aufmerksamkeitsmärkte, Politisierungen von Öffentlichkeit entlang (rechts)libertärer Freiheitsverständnisse und ihre autoritären, ausschließenden Effekte sowie rechtliche Rahmenbedingungen miteinander in Bezug gesetzt. Dies mit dem Ziel, nach den komplexen Bedingungen für Räume des Lebbaren in digitalen Kulturen fragen zu können. Im Rahmen der Wissenschaftskommunikationsreihe "Theorie|Apparate" des Forschungsschwerpunktes digitale_kultur wurde gemeinsam mit Dr. Thorben Mämecke und in Kooperation mit dem ZLI eine Episode mit dem Titel "Hate Speech" produziert, die ausführlich in die Komplexität der Thematik einführt und unterschiedliche disziplinäre Zugänge miteinander ins Gespräch bringt. Neben dem frei zugänglichen Film stellen wir einen ausführlichen wissenschaftlichen Handapparat zur Verfügung, der eine vertiefende Auseinandersetzung und Lektüre anregen soll.

    Zu Theorie|Apparate

  • Phänomene mediatisierter Missachtung und differentieller Gewalt im Kontext Sozialer Medien stellen eine ernstzunehmende Herausforderung demokratischer Öffentlichkeiten dar. Die zentralen Fragen, die sich mit Blick auf sogenannte Soziale Medien und mediatisierte Missachtung und differentielle Gewalt schließlich und fortwährend und immer wieder neu stellen: Wo verlaufen die Grenzen des (demokratisch legitimierten) Artikulierbaren in digitalen Öffentlichkeiten? Entlang welcher normativer Rahmen werden ebendiese Grenzen wie justiert? Neben diskursiven, technologischen, ökonomischen, soziale und politischen Dimensionen stellen sich zudem Fragen nach der juridischen Regulierung digitaler Öffentlichkeiten, wie sie zum Beispiel beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG), dem Digital Services Act (DSA) oder auch allgemeiner mit Blick auf (geo-)politische Fragen des Verhältnisses von Staat und Ökonomie verhandelt werden. Der Forschungsstrang fragt in ebendiesem Sinne nach den machtvollen Bedingungen und Effekten juridischer Regulierungen sowie nach alternativen, zivilgesellschaftlichen Regulierungsformen.

  • Die digitale Entgrenzung von Museumsöffentlichkeiten wirft neue Fragen nach der medialen Distribution und Ästhetik von Kunst und Kultur auf. Im Zuge der Algorithmisierung- bzw. Plattformisierung des Verhältnisses zwischen Museumsobjekten, -subjekten und (institutionalisiertem sowie situativem) Wissen entstehen unsouveräne kuratorische Gefüge, die uns auffordern, historische Verständnisse des Musealen sowie des Kuratorischen zu überdenken. Dies ist nicht zuletzt für eine Betrachtung des Museums als einen politischen bzw. politisierbaren Ort relevant. Angesichts der fortwährenden Transformation musealer Öffentlichkeiten sowie der Bedeutungszunahme digitaler Öffentlichkeiten, wie Sozialer Medien, scheint es angezeigt, die museale Ausstellung als entgrenzten kuratorischen Apparat neu zu fassen. Dabei haben wir es mit Überlagerungen unterschiedlicher kuratorischer Modi und Praktiken sowie mit Erweiterungen musealer Be-Deutungsgefüge zu tun. Weiterführende Fragen lauten hier etwa: Inwiefern schreiben sich die technologischen Bedingungen, Interfaces und Ästhetiken digitaler Teilöffentlichkeiten in die Rejustierung musealer Ausstellungen und ihrer Praxis ein? Wie justieren sich museale Öffentlichkeiten angesichts ihrer Verwicklungen mit algorithmisierten Aufmerksamkeitsmärkten? Welche Ein- und Ausschlüsse kommen hier zum Tragen? Welche (normativen) Verständnisse von Digitalität, Subjektivität, Materialität zeigen sich in der Überlagerung von Museen und Sozialen Medien? Wie uns als was treten Museen und Soziale Medien hier in Erscheinung?

28.01.2025