Institut für Soziologie
Die Soziologie an der FernUniversität in Hagen steht für eine starke Verbindung von empirischer Forschung und Lehre. Die Ergebnisse der in den Lehrgebieten durchgeführten Forschungsprojekte fließen in die vom Institut angebotenen Präsenzveranstaltungen ein und geben den Studierenden damit die Möglichkeit, aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und Probleme zu diskutieren. Die Forschungspraxis der Lehrenden am Institut geht darüber hinaus in vielfältiger Weise in die Kurse als Basis des Lehrangebots ein.
Die Soziologie in Hagen steht für Theorietraditionen, die sich eher der interpretativen Soziologie und der qualitativen Sozialforschung verpflichtet fühlen. Wir sehen unsere Aufgabe vor allem darin, den Studierenden der Soziologie die methodischen Mittel und das Fachwissen an die Hand zu geben, ohne die eine kritische Reflexion alltäglicher Praktiken nicht möglich ist. Dabei folgt die angebotene Lehre bewusst nicht einer einzigen theoretischen Richtung oder empirischen Ausrichtung. Neben der Vermittlung der Grundlagen aktueller Sozial- und Gesellschaftstheorien sowie der Methoden empirischer Sozialforschung setzt das Institut Schwerpunkte in der Analyse von Organisationen und Märkten, Gemeinschaften und sozialen Netzen, Städten und Regionen sowie von sozialer Ungleichheit und gesellschaftlichen Krisen. Dieses Spektrum entspricht den fünf Bereichen, in die sich das Institut gliedert:
Lehrgebiet Soziologie I
Das Lehrgebiet Soziologie I ist auf die Erforschung, Bereitstellung, Weiter- und Neuentwicklung soziologischer Begriffe, Hypothesen, Methoden und Theorien ausgerichtet, welche die Soziologie als grundlegende Sozialwissenschaft zur Erforschung der Sozialität als ihren allgemeinen Gegenstand benötigt.
Die Arbeit des Lehrgebiets ist also zuerst auf die allgemeinen Grundlagen des Fachs bezogen, d.h. die im Lehrgebiet arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bestimmen, klären und entwickeln Grundbegriffe und grundlegende theoretische Konzepte der Soziologie. Auf diese Weise werden Instrumente zur Erforschung von Interaktionen, Organisationen und der Gesellschaft als Gesamtheit der Sozialität bereitgestellt. Zu dieser Begriffs- und Theoriearbeit gehört es, die grundlegenden Fragestellungen der Soziologie überhaupt zu identifizieren, indem klassische Texte der Soziologie etwa von Karl Marx, Émile Durkheim, Max Weber und Georg Simmel unter dem Gesichtspunkt ausgewertet werden, welche soziologischen Fragestellungen bereits hier aufgeworfen wurden, die zur Erforschung der Gegenwartsgesellschaft aufgegriffen und neu formuliert werden können. Diese Arbeit ist nicht selten ein wichtiger Ausgangspunkt für die systematische Weiter- und Neuentwicklung der wissenschaftlichen Grundlagen der Soziologie, welche im Zentrum der Forschungsarbeiten des Lehrgebiets steht. Fundamente für diese Arbeit sind nicht nur die Klassiker des Fachs, sondern auch und vor allem die vielfältigen Ansätze und Strömungen der gegenwärtigen Soziologie wie etwa die Praxistheorie, die Systemtheorie, die postkoloniale Soziologie und die Akteur-Netzwerk-Theorie.
Lehrgebiet Soziologie II
Das Lehrgebiet Soziologie II untersucht die Struktur und Dynamik moderner Gegenwartsgesellschaften. Pointierte Gesellschaftsdiagnosen wie „Finanzmarktkapitalismus“, „Neoliberalismus“ oder „Individualisierung“ dienen dabei ebenso der Interpretation dieser Gesellschaften wie sie Grundlage ihrer Kritik und Veränderung sind.
Die folgenden drei Themenkomplexe stehen im Mittelpunkt:
- die Entwicklung der sozialen Ungleichheit und damit gleichzeitig die Frage, welche Gruppen in welcher Weise an der Gesellschaft partizipieren bzw. ausgeschlossen werden,
- die Bedeutung der Märkte für die Entwicklung der Gegenwartsgesellschaften, insbesondere der Finanzmärkte; hier wird untersucht, wie Finanzmärkte „funktionieren“, welche Akteure, Organisationen und Institutionen relevanten Einfluss auf das Finanzmarktgeschehen nehmen und wie sich die Krisen der (Finanz-)Märkte auf die soziale Integration der Gesellschaft auswirken,
- das Verhältnis von Subjekt und Gesellschaft, insbesondere vor dem Hintergrund zunehmender Unsicherheit und Flexibilisierung. Es soll untersucht werden, wie eine Gesellschaft, die immer mehr Flexibilität einfordert und Unsicherheit in Kauf nimmt, mit den berechtigten Ansprüchen der Individuen an sozialer Einbindung, Anerkennung und biografischer Berechenbarkeit versöhnt werden kann – aber auch, wie die Subjekte selbst zur Herstellung dieser Bedingungen beitragen.
Lehrgebiet Soziologie III
Das Lehrgebiet Soziologie III stellt Strukturen, Prozesse und Akteure von privatwirtschaftlichen, staatlichen und anderen Organisationen (etwa Gewerkschaften und Polizei) in den Mittelpunkt der Lehr- und Forschungstätigkeit.
Mit dem Ziel, besser zu verstehen, wie Organisationen ausgestaltet sind und funktionieren, beobachtet das Lehrgebiet Besonderheiten der Gegenwartsgesellschaft als „Organisationsgesellschaft“ und setzt sich mit grundlegenden sozialen Phänomenen im Kontext von Organisation auseinander (etwa Kommunikation, Interaktion, Entscheidungen, Wissenstransfer, Identitätsbildung und Institutionalisierung). Angebunden an unterschiedliche Theorien (insbesondere mikropolitische, wissenssoziologische, strukturations- und praxistheoretische Ansätze) werden in der empirischen Forschung des Lehrgebiets beispielsweise Entscheidungsprozesse in der polizeilichen Ermittlungsarbeit, in Hochrisikosituationen oder der Personalauswahl sowie Prozesse der Organisationsberatung, Dienstleistungsarbeit und die Arbeit von Managern und Betriebsräten untersucht. Damit verbunden wird analysiert, wie Unterschiede und Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zustande kommen. Übergreifend über Theorien und Forschungsgegenstände gibt das Lehrgebiet eine Einführung und Anleitung zum Arbeiten mit qualitativen Methoden der Sozialforschung (insbesondere Inhaltsanalyse und Grounded Theory).
Ernsting’s family Stiftungsprofessur für Mikrosoziologie
Das Lehrgebiet der Ernsting’s family Stiftungsprofessur für Mikrosoziologie befasst sich mit den „kleinen sozialen Einheiten“ wie Paar- und Familienbeziehungen, Verwandtschafts- und Freundschaftsbeziehungen, Interaktionen in professionellen Interaktionszusammenhängen, sozialen Kleingruppen allgemein oder dem Individuum.
Die soziologische Perspektive, aus der Sozialbeziehungen ganz unterschiedlichen Typs untersucht werden, ist eine mikrosoziologische. Dabei ist die Annahme leitend, dass das, was in Interaktionen in unserem alltäglichen wie außeralltäglichem Handeln in verschiedensten Situationen geschieht, alles andere als zufällig ist. Vielmehr lässt sich dabei eine Fülle von Strukturen ausmachen, die wir teils vorfinden, teils durch unser Handeln in Interaktionen erst erzeugen. Eine Kernaufgabe mikrosoziologischer Forschung ist es, die Prozesse der Strukturbildung in Interaktionen zu rekonstruieren. Dieser Ansatz ist eng mit einem qualitativen methodischen Vorgehen verbunden. Im Anschluss an das Paradigma einer fallrekonstruktiven Sozialforschung werden ausgehend vom Einzelfall in theoriebildender Absicht Prozesse der Sinnsetzung, Zuschreibung und Aushandlung in verschiedenen Vergemeinschaftungsformen gemäß eines interaktionistischen Theorieverständnisses rekonstruiert. Zur Lehr- und Forschungstätigkeit des Arbeitsbereichs gehört auch die Behandlung typisch mikrosoziologischer Gegenstände und Fragstellungen wie Sozialität, personale Identität, Biografie, Lebenslauf und -alter, Jugend und Adoleszenz.
Ziel des Instituts für Soziologie ist es, soziologisches Wissen in die Öffentlichkeit zu bringen und Ergebnisse soziologischer Forschung auf breitere Adressatenkreise auszurichten. In diesem Sinne gestaltet der Arbeitsbereich die BürgerUni in Coesfeld. Es handelt sich hier um einen Ort, an dem disziplinäres und allgemeines Soziologisieren in engen Kontakt gebracht werden.
Wir hoffen, dass Sie auf unseren Seiten die für Sie interessanten Informationen finden. Für Fragen stehen Ihnen die Mitarbeiter/innen gerne zur Verfügung.