Präsenzseminar
- Thema:
- Soziologie sozialer Ungleichheit-Pierre Bourdieu und Didier Eribon
- Zielgruppe:
- alle Masterstudierende der Soziologie, sowie Interessent*innen aus dem BA PVS
- Ort:
- Hagen
- Adresse:
-
Campus Hagen
Campus Hagen, Gebäude 11, Raum D 1004 - Termin:
- 24.01.2025
bis
25.01.2025 - Zeitraum:
- 24.01.2025, 14-19 Uhr und 25.01.2025 9-15 Uhr
- Leitung:
-
Prof. Dr. Frank Hillebrandt
Svenja Greb - Anmeldefrist:
- 07.01.2025
- Anmeldung:
- Ihre Anmeldung richten Sie bitte, unter Angabe Ihrer Postanschrift, Matr.Nr., des Studienganges und Ihres Studienstatus an Frau Doris Meyer im Sekretariat des Lehrgebietes Soziologie 1: sekretariat.soziologie1@fernuni-hagen.de
Kommentar
Soziale Ungleichheit beginnt in einem soziologisch präzisen Sinne erst dort, wo aus sozialer Ungleichartigkeit oder Heterogenität über einen Bewertungsprozess soziale Ungleichwertigkeit oder kurz: Ungleichheit entsteht. Erst dieser Bewertungsprozess macht aus objektiven Unterschieden, dem alternativen “so oder so”, soziale Unterscheidungen, das hierarchisierte “besser oder schlechter”. Das unterschiedliche Haben wird z.B. über gesellschaftliche Bewertungsprozesse in unterschiedliches Sein der Akteure umgewandelt. Dem entsprechend gilt die Aufmerksamkeit der soziologischen Ungleichheitsforschung nicht so sehr den Verschiedenartigkeiten der Menschen untereinander, sondern vielmehr den typischen, ungleichen Lebensbedingungen von Gruppen innerhalb der Gesellschaft. Der Begriff soziale Ungleichheit bezeichnet somit die gesellschaftlich hervorgebrachten positiv oder negativ privilegierten Lebensbedingungen von Menschen, die in ihrer Gesamtheit die Lebens- und Handlungschancen des Einzelnen in der Gesellschaft bestimmen.
Dass eine so verstandene soziale Ungleichheit etwas mit dem physischen Schmecken der Zunge zu tun haben könnte, werden viele vielleicht kaum ohne weiteres verstehen. Der französische Soziologe Pierre Bourdieu ist davon fest überzeugt. Mit seinem bekanntesten Werk Die feinen Unterschiede, das 1982 erstmals in Deutsch erscheint, revolutioniert er die Ungleichheitsforschung. Hier wird die Alltagskultur zur Quelle für die Erklärung von Ungleichheitsstrukturen, die die Gesellschaft bis heute entscheidend bestimmen. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Unterschied in den Lebenschancen noch einmal massiv vergrößert. Die alles entscheidende Frage lautet für Bourdieu, wie sich diese Ungleichverteilung der Lebenschancen so stabil reproduzieren und sich dabei gar verstärken kann. Und er sucht die Erklärungen an Stellen, die vielen zunächst nicht als naheliegend erscheinen. Was haben etwa die menschlichen Körper mit sozialer Ungleichheit zu tun? Was die Praktiken des Alltags oder die Ansichten und Bewertungen der Menschen? Solche und ähnliche Fragen werden im Seminar anhand von Texten Bourdieus diskutiert. Dabei werden auch Gründe dafür gesucht, warum Bourdieus Ansatz zu Erforschung sozialer Ungleichheit seit dem Erscheinen von la distinction (Die Feinen Unterschiede) im Jahr 1979 eine so immense Bedeutung gewonnen hat und wie ein so monumentales Werk zur sozialen Ungleichheit weiterentwickelt werden kann. Den zuletzt genannten Aspekt des Seminars werden wir vor allem Anhand von Texten von Didier Eribon diskutieren, die gerade in den letzten Jahren großes Aufsehen erzeugt haben, weil sie die Frage der sozialen Ungleichheit mit dem erstarkenden Rechtspopulismus in Verbindung bringen.
Zur Teilnahme wird neben der Bereitschaft, sich grundlegend auf die praxissoziologische Ungleichheitsforschung einzulassen, erwartet, dass die ausgewählten Texte von Bourdieu und Eribon, die den Teilnehmenden nach Ende der Anmeldefrist zugänglich gemacht werden, aufmerksam gelesen werden.
Literatur:
Bourdieu, Pierre 1982: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt/M.: Suhrkamp.
Bourdieu, Pierre et al. 1997: Das Elend der Welt. Zeugnisse und Diagnosen alltäglichen Leidens an der Gesellschaft, Konstanz: UVK.
Eribon, Didier 2016: Rückkehr nach Reims, Berlin: Suhrkamp.
Eribon, Didier 2024: Eine Arbeiterin. Leben, Alter und Sterben, Berlin: Suhrkamp.
Hillebrandt, Frank 2023: Praxistheorie. Das Theorie- und Forschungsprogramm nach Pierre Bourdieu, in: Delitz, Heike et al. (Hrsg.): Handbuch. Theorien der Soziologie, Wiesbaden: Springer VS.