Kolloquium
- Thema:
- Vom Archiv zum Codex. Erinnerung und Gegenwart in monastischen Traditionsbüchern
- Referent/-in:
- Uta Kleine, Hagen
- Adresse:
- Digital über Zoom
Anmeldung bitte per Mail an karin.gockel@fernuni-hagen.de - Termin:
- 07.09.2021, 18:15 Uhr
Als libri traditionum („Schenkungs“- oder auch „Erinnerungsbücher“) wird in mittelalterlichen Klöstern ein Typ von Handschriften bezeichnet, die eine bestimmte Auswahl von älteren Einzeldokumenten aus dem Archiv (vor allem Urkunden, Listen, Kalendarien und Notizen zur Abteigeschichte) enthalten. Es handelt sich um Kompilationen von Alltagsschriftgut, das zum Nutzen kommender Generationen transkribiert und bewahrt werden sollte. Sie sind ein wichtiges Zeugnis für den Prozess der ‚réécriture‘, der Übertragung von älteren Dokumenten in Einzelblattform in das kompakte Medium des Pergamentcodex. Diese neuen „remembrance books“ stellen wichtige Instrumente der kollektiven Erinnerung dar.
In großer Zahl entstanden diese Handschriften um die erste Jahrtausendwende, in der Folge von politisch-religiösen Umbrüchen, auf welche die geistlichen und weltlichen Institutionen mit Innovationen des Schriftgebrauchs und der Archivierungspraxis reagierten. Die Zeit zwischen 1050-1215, die so genannte „Renaissance“ des (langen) 12. Jahrhunderts, gilt als Schlüsselepoche dieser schriftkulturellen Neukonfiguration. Durch das Um- bzw. Überschreiben der Überlieferung, durch Selektion und kreative Rekombination von Dokumenten ergeben sich erhebliche Sinnverschiebungen. Aus dieser Perspektive sind Traditionsbücher wichtige Zeugnisse für die Neuordnung und -bewertung von Vergangenheit im Lichte einer sich verändernden Gegenwart. An ausgewählten Zeugnissen aus dem mittelalterlichen Lothringen sollen diese Vorgänge aufgezeigt werden.