Kolloquium
- Thema:
- Zum Zusammenhang von Gegenwartsbeschreibung und Prognostik im Frühmittelalter
- Referent/-in:
- Prof. Dr. Barbara Schlieben, Berlin
- Adresse:
- FernUniversität Hagen Neubau KSW, Universitätsstraße 33 Gebäudeteil B, Raum B 0.025
- Termin:
- 06.05.2014, 18:15 Uhr
Gegenstand des Vortrags ist der strukturelle, zeitenübergreifende Zusammenhang zwischen Gegenwartsbetrachtung und Prognose, wie ihn in jüngerer Zeit Althistoriker und Zeitgeschichtler konstatiert haben. Er soll hier für das Frühmittelalter untersucht werden. Als Beispiele dienen der „Liber Manualis“ der Dhuoda (um 840), das „Polipticum“ des Atto von Vercelli († um 960) sowie die Chronik des Bischofs Thietmar von Merseburg (1012-1018). Ihre Verfasser teilen weder den Entstehungskontext noch den Gegenstand oder die Gattung. Gerade so können diese Werke in ihrer Diversität darauf aufmerksam machen, dass es nicht die eine Gattung für Gegenwartsbetrachtung im Frühmittelalter gegeben hat, dass Beschreibung von Gegenwart mit prognostischem und antizipatorischem Potential vielmehr in sehr unterschiedlichen Textzusammenhängen artikuliert wurden: Alle drei, Dhuoda, Atto und Thietmar, beschäftigten sich mit der Gegenwart und eben deshalb mit der nahen Zukunft. Sie prognostizierten – das Ende einer Königsfamilie, ein Machtgefüge jenseits zentraler Königsgewalt, eine Welt, die aufgrund eines Thronraubs im Chaos versinkt. Weil sich diese Prognosen auf Künftiges und damit per se Unsicheres bezog, bedurften ihre Autoren der autoritativen Beschreibung und Begründung. Diesen zeittypischen Methoden der Absicherung von Künftig-Prognostischem dient das besondere Augenmerk der Überlegungen.