Kolloquium
- Thema:
- Brasiliens schwerfälliger Umgang mit dem Militärregime (1964-1985): Kritische Reflektionen zur geplanten Wahrheitskommission
- Referent/-in:
- Dr. Nina Schneider, Hagen
- Adresse:
- FernUniversität Hagen TGZ, 3. Stock, Raum B 306
- Termin:
- 06.12.2011, 18:15 Uhr
Erst im September 2011 – 26 Jahre nach der formellen Rückkehr zur Demokratie – hat das brasilianische Parlament nach zähen Verhandlungen der Einrichtung einer Wahrheitskommission zugestimmt. Das nun verabschiedete Modell ist eine politisch entschärfte Kompromisslösung. Wichtige Forderungen von Opferfamilien und Menschenrechtsverbänden – insbesondere die Möglichkeit, Menschenrechtsverbrecher zu bestrafen – bleiben nicht nur unberücksichtigt, sondern eine erneute Debatte über die Einzelheiten der Wahrheitskommission wurde von der Rousseff Regierung abgewürgt.
Mein Vortrag führt in die Geschichte der Erinnerungspolitik im postautoritären Brasilien ein. Zunächst biete ich eine kurze Einleitung in die Geschichte des Militärregimes in Brasilien (1964-1985) und fasse die Ergebnisse meiner Forschungsarbeit der letzten sechs Jahre zusammen (“Die offizielle Propaganda während des Militärregimes in Brasilien 1968-1979”). Anschließend skizziere ich die Erinnerungspolitik im post-autoritären Brasilien und erkläre, was das Thema so faszinierend macht.
Im dritten Teil stelle ich verschiedene Projektideen vor. Hier werde ich Tendenzen der sogenannten Transitional Justice Forschung aufzeigen, einem Forschungsfeld, welches den Übergang von autoritären Regimes zu Demokratien untersucht, und diese kritisch beleuchten. Meine Projektideen sind als Gegenentwürfe zu gewissen Argumentationsweisen zu verstehen, welche die TJ Literatur dominieren.
Abschließend möchte ich einen Ausblick auf die Zukunft der brasilianischen Vergangenheitspolitik wagen. Die jüngst ratifizierte Wahrheitskommission, welche zwei Jahre lang Menschenrechtsverbrechen aufklären wird (vermutlich 2012-2014), könnte ein Wendepunkt in der Aufarbeitungsgeschichte Brasiliens werden. Allerdings deuten die kontroversen Debatten im Vorfeld der Ratifizierung bereits daraufhin, dass harte Auseinandersetzungen bevorstehen.