Kolloquium

Thema:
"Mangel an Mut"
Deutsche Kaffeebauern und ihre Familien mit indigenen Frauen in Alta Verapaz/Guatemala. Und wie Caecilie Seler-Sachs ihre Kritik vor aller Augen in einem Reisebuch versteckte.
Referent/-in:
Katrin Neuhaus, Berlin
Adresse:
Digital über ZOOM
Anmeldung bitte per Mail an karin.gockel@fernuni-hagen.de
Termin:
05.07.2022, 18:15 Uhr

In dem Vortrag wird das Verhalten deutscher Kaffeebauern beleuchtet, die im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts in die infrastrukturell kaum erschlossene Q'eqchi'-Region Alta Verapaz von Guatemala kamen, wo sie mehr Land zu besseren Preisen kaufen konnten als in anderen Regionen. Die Auswanderung war in den meisten Fällen ursprünglich nur für einige Jahre geplant, bis die Kaffeeplantage genug abwarf, um sie einem Verwalter zu hinterlassen. Viele dieser Kaffeebauern gründeten Familien mit indigenen Frauen und lernten die Sprache Q'eqchi'. Diese Familienverhältnisse sind in der Vergangenheit entweder gänzlich verschwiegen oder aber bagatellisiert worden („Auf dr Alm doa gibt’s koa Sünd“), obwohl es zahlreiche Zeugnisse von langjährigen familiären Verhältnissen gibt, trotz weniger offizieller Eheschließungen. Die Zahl der Nachkommen betrug bis ins frühe 20. Jahrhundert etwa 300-500 Personen.

Ende 1896 besuchte das Berliner Ehepaar Seler-Sachs auf einer archäologischen Forschungsreise die Region. In ihrem im Jahr 1900 veröffentlichten Reisebericht, der der Reise chronologisch folgt, widmet die Fotografin und Reiseschriftstellerin Caecilie Seler-Sachs diesem Besuch ein eigenes Kapitel, ebenfalls ohne diese Familien zu erwähnen. Aber nur scheinbar, denn sie versteckte ihre präzisen Beobachtungen und ihre deutliche Kritik in einem anderen Teil des Buchs, wo sie bis heute nur selten gefunden werden. Der Vortrag spannt einen Bogen von Berlin und einer behutsamen Frauenrechtlerin mit Veröffentlichungsmöglichkeiten, nach Mittelamerika zu den Unsicherheiten männlicher, deutscher Familienoberhäupter.

Karin Gockel | 10.05.2024