Objektivität und Wirkung des Issuer Estimated Value (OWI)

Das Marktsegment der Strukturierten Finanzprodukte für Retail-Anleger steht spätestens seit der Finanzkrise 2007/08, in deren Zuge zahlreiche Kleinanleger aufgrund von Fehleinschätzungen des Anlagerisikos und nicht zuletzt der eigenen Unbedarftheit einen Großteil ihres Vermögens einbüßten, im Fokus von Verbraucherschutz und Regulierung. Der Gesetzgeber hat schnell mit ersten Maßnahmen reagiert, so zum Beispiel in Deutschland mit der Einführung einer Pflicht zur Bereitstellung von standardisierten Produktinformationsblättern oder auf europäischer Ebene mit der umfassenden Überarbeitung und Erweiterung der Markets in Financial Instruments Directive (MiFID II).

Parallel zu diesen gesetzgeberischen Maßnahmen ist die Branche selbst im Sinne einer freiwilligen Selbstregulierung aktiv geworden – zum Teil sicherlich getrieben durch die Regulierungsbehörden, um schärferen Maßnahmen bis hin zu einem Verbot bzw. einem Moratorium bestimmter Produkte (wie in Belgien erlassen) zuvorzukommen. Diese Selbstregulierung manifestiert sich in Aktivitäten der Branchenvereinigung, des Deutschen Derivate Verbands (DDV), der mit seinen Mitgliedern den im November 2013 in Kraft getretenen Fairness Kodex entwickelt hat. Neben etlichen Transparenz- und Serviceanforderungen sieht der Kodex ab Mai 2014 erstmals die Offenlegung des vom Emittenten ermittelten theoretischen Wertes eines Strukturierten Produktes (Issuer Estimated Value, IEV) und damit die Marge des Emittenten vor. Die Verlässlichkeit dieser vom Emittenten selbst geschätzten Werte sowie deren Wirkung auf potenzielle Anleger wurden im Rahmen des Forschungsprojektes untersucht.

Der IEV basiert auf der modelltheoretischen Ermittlung eines "fairen Wertes". Insbesondere für Produkte mit komplexeren Strukturen, für deren Bestandteile keine unmittelbaren Marktpreise vorliegen, resultiert hieraus sowohl für Anleger als auch für Banken ein Modellrisiko. Es war daher ebenfalls Teil des Projekts, das Ausmaß dieses Modellrisiko zu analysieren. Hierbei stand die Frage im Raum, wie die emittierenden Banken mit dem Risiko umgehen und inwieweit sie es ggf. an ihre Kunden weitergeben.



Beteiligte Personen

Prof. Dr. Rainer Baule

Prof. Dr. Christianan Tallau (FH Münster)

Dr. David Shkel

Dr. Patrick Münchhalfen

Publikationen

  • R. Baule, D. Shkel
    Model Risk and Model Choice in the Case of Barrier Options and Bonus Certificates.
    Journal of Banking & Finance 133 (2021), 106307
    • Präsentation auf der 18th Winter School on Mathematical Finance, Lunteren, 21.01.2019.
    • Präsentation auf den Southern Finance Association (SFA) Annual Meetings 2018, Asheville, 17.11.2018.
    • Präsentation auf den European Financial Management Association (EFMA) Annual Meetings 2018, Mailand, 29.06.2018.
    • Präsentation auf der 35th Annual Conference of the French Finance Association (AFFI), Paris, 22.05.2018.
    • Präsentation auf der 4th European Conference on Data Analysis (ECDA), Breslau, 28.09.2017.
  • R. Baule, P. Münchhalfen, C. Tallau
    Disclosure Policies for the Issuer Estimated Value—Facts and Fiction.
    Working Paper, Hagen/Münster 2019.
    • Präsentation auf der 28th European Financial Management Associaton Conference (EFMA), Ponta Delgada, 26.06.2019.
    • Präsentation auf der 36th International Conference of the French Finance Association (AFFI), Québec, 17.06.2019.
    • Präsentation auf der 81. Jahrestagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft (VHB), Rostock, 12.06.2019.
  • R. Baule, P. Münchhalfen, D. Shkel
    Offenlegung von fairen Zertifikatepreisen durch den Issuer Estimated Value.
    FIRM Jahrbuch 2017, 54–56.