Working Out Loud in Studium und Lehre

Working Out Loud – kurz: WOL – ist aktuell in vieler Munde und erfreut sich in zahlreichen Bereichen einer steigenden Beliebtheit. Es verwundert daher nicht, dass das 12-wöchige Programm auch Einzug in die deutschen Hochschulen hält. Im folgenden Beitrag möchten wir gern kurz das dahinterliegende Konzept vorstellen und Ideen skizzieren, wie WOL im Kontext Studium und Lehre eingesetzt werden kann.

Die Idee von WOL

Fünf Elemente von Working Out Loud
Fünf Elemente von Working Out Loud – Grafik: Claudia Windfuhr

Working Out Loud lässt sich nicht unmittelbar ins Deutsche übersetzen. Es geht darum, eigene Arbeits- oder Lernthemen sichtbar zu machen, damit andere davon lernen können und nicht darum, „laut“ zu arbeiten oder zu zeigen, wie toll mensch ist. Kurz und knapp lässt sich WOL wie folgt zusammenfassen: 4-5 Personen treffen sich regelmäßig je eine Stunde die Woche über eine Gesamtdauer von 12 Wochen. In ihren Treffen orientieren sich die Circle-Mitglieder an den kostenfrei zur Verfügung gestellten Circle Guides. Über die gesamte Dauer verfolgt jede*r ein individuelles Ziel. In diesen zwölf Wochen geht es nicht nur darum, am eigenen Ziel zu arbeiten, sondern systematisch ein Netzwerk aufzubauen, die eigene Arbeit (bzw. den eigenen Lernprozess) sichtbar zu machen und die digitale Zusammenarbeit in einem selbstorganisierten Umfeld zu erproben. (vgl. Anne Kienle, https://twitter.com/networkingAnne/status/958334357462245379, 18.01.2018). Working Out Loud ist damit nicht nur eine Methode, sondern auch Mindset, welches entwickelt und intensiviert wird, wenn es um die Bedeutung von geteiltem Wissen geht.

Wir könnten jetzt noch deutlich ausführlicher auf die Beschreibung von Working Out Loud eingehen, möchten an dieser Stelle das Wort aber gern an John Stepper, den Initiator, übergeben, der im Video Was ist Working Out Loud? näheres erläutert.

https://youtu.be/yOpgtC1JEzY

WOL in Studium und Lehre

Working Out Loud hat insbesondere in großen Konzernen an Bedeutung gewonnen. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass durch das gezielte Aufbauen von Netzwerken bestehende Silos überwunden werden können und Menschen erkennen, wie wertvoll es für die Zusammenarbeit ist, Wissen untereinander zu teilen und eine vertrauensvolle Basis zu entwickeln. Barbara Hilgert drückt es mit folgenden Worten aus: „Gerade in Zeiten kontinuierlicher Veränderungen profitieren alle Beteiligten davon, denn „Wissen teilen ist Macht“.“ (vgl. Knowledge Sharing – Wissen teilen ist Macht, 28.05.2020). Es handelt sich somit um Fähigkeiten, die in einer komplexer werdenden Arbeitswelt immer wichtiger werden und für die Arbeitnehmer*innen Lernorte benötigen. Hochschulen können solche Orte sein.

Gitta Windt, Lehramtsstudentin an der Universität Göttigen, bezeichnet in ihrem Blogbeitrag über ihre WOL-Lernreise Working Out Loud als eine Form des Peer-Coachings. „Dieser Austausch im geschützten Bereich des kleinen Circles war eigentlich das Schönste – gerade im digitalen Semester. Trotz der vielfach aufgekommenen Skepsis über die Sinnhaftigkeit mancher Übung im Kontext des noch-Student-in-Ausbildung-Seins hatte jeder von uns einen kleinen Aha-Moment.“ Damit bringt sie mit eigenen Worten zum Ausdruck, was John Stepper mit einem „Weg, um Beziehungen aufzubauen, die dir auf verschiedene Weise helfen können, ein Ziel zu erreichen, eine Fertigkeit zu entwickeln oder ein neues Thema zu erforschen.“ bezeichnet (vgl. Working Out Loud. Circle Guide. Erste Schritte. Version 5.0, März 2019). Die Gruppe, mit der man den Working Out Loud-Zyklus gemeinsam durchschreitet, gibt nicht nur wertvolles Feedback und trägt mit ihren Impulsen zur Entwicklung eigener Ideen bei, sondern bietet auch Halt und Kontinuität – etwas, was gerade im selbstgesteuerten Fernstudium sehr wertvoll sein kann.

Nichtsdestotrotz: Working Out Loud ist kein Selbstläufer. Janine Kirchhoff schildert in ihrem Blogpost „Die perfekte Working Out Loud Zielgruppe“ das Scheitern von WOL mit Dual-Studierenden. „Ein Drittel der Studierenden ist nicht gekommen, um gemeinsam ein Ziel im Rahmen ihrer Bachelorthesis zu bearbeiten. Wir hängen mit den Circle Anleitungen hinterher, wir haben noch nicht die Instruktionen von Woche Eins geschafft. Es fühlt sich zäh an.“ leitet sie ihre persönlichen Erfahrungen ein. Letztlich schlussfolgert sie, dass die perfekte Zielgruppe verschiedene Prämissen erfüllen muss: „Die perfekte Zielgruppe für Working Out Loud ist beruflich erfahren und frustriert, intrinsisch motiviert auf der Suche nach Orientierung.“ Ich persönlich glaube nicht, dass Frust eine essentielle Voraussetzung für eine erfolgreiche Teilnahme ist, denke aber schon, dass WOL von dem Wunsch nach Weiterentwicklung, Veränderung und Vernetzung als auch einem persönlich antreibenden Ziel und Freiwilligkeit positiv beeinflusst wird.

Wann ist der Einsatz von WOL sinnvoll?

Nach den bereits geschilderten Erfahrungen scheint klar zu sein: Working Out Loud eignet sich nicht für jede*n und auch nicht für jeden Kontext. Ferner ist Freiwilligkeit eine wesentliche Voraussetzung, weshalb ich WOL immer nur als Angebot formulieren, aber nie verpflichtend in der Lehre einsetzen würde. Christoph Meier hat in seinem Blogartikel „Working out loud – den (digitalen) Blick über die Schulter möglich machen“ einige Szenarien erwähnt, für die sich aus seiner Sicht WOL eignet. Ich habe seine Gedanken im Folgenden um konkrete Ideen für Studium und Lehre erweitert.

  • „Wenn man auf der Suche nach Antworten zu Fragen / Problemstellungen ist.“ – Dies können Fragestellungen im Rahmen von Haus- oder Abschlussarbeiten sein oder Lernthemen wie die Aneignung von Lern- oder Lesetechniken oder der Aufbau von Data oder Digital Literacy.
  • „Wenn aus einer Arbeitsgruppe / einem Team heraus Input für eine (neue) Aufgabe zusammengetragen werden soll.“ – Projekte bzw. projektbasiertes Lernen fallen unter diesen Aspekt.
  • „Wenn man Feedback zum aktuellen Stand der eigenen Arbeit / der Arbeit eines Projektteams sucht.“ – Auch hier sind unterschiedliche Formen von selbst zu erstellenden Arbeiten wie Seminar-, Haus- oder Bachelorarbeit prädestiniert.
  • „Wenn es darum geht, andere durch Coaching unterstützen.“ – Das bereits erwähnte Peer-Coaching lässt sich hier einordnen und mit dem Konzept selbstorganisierter Lerngruppen verknüpfen. Wer als Tutor*in oder Mentor*in andere bei ihrem Vorankommen unterstützen möchte, könnte das mit WOL – oder auch nur einzelnen Methoden aus den Circle Guides – unterstützen.
  • „Wenn es darum geht, externe Ressourcen (z.B. Experten) zum eigenen Aufgabenbereich / Arbeitsgebiet zu entdecken.“ – Neben den schon erwähnten Abschlussarbeiten kann WOL einen wichtigen Beitrag bei dem Sprung in die Arbeitswelt leisten. Gegen Ende eines Studiums kann die Teilnahme an einem WOL-Circle dazu genutzt werden, gezielt die Vernetzung mit potentiellen Arbeitgebern voranzutreiben und dort die eigene Arbeit sichtbar zu machen.

In der kleinen Community #WOL4HS, in der sich WOL-Enthusiast*innen aus dem Hochschulkontext vernetzt haben, werden darüber hinaus weitere Szenarien diskutiert. An der Fachhochschule Nordwestschweiz plant Monika Schlatter etwa den Einsatz von Working Out Loud im Rahmen eines freiwilligen Moduls zum persönlichen Wissensmanagement. Daniella Cunha Teichert und Barbara Hilgert haben bereits Erfahrungen mit Lehramtsstudierenden gesammelt – die oben zitierte Studentin Gitta Windt war eine ihrer Teilnehmerinnen. Auch Nicole Ondrusch von der Hochschule Heilbronn hat Erfahrungen mit Working Out Loud gesammelt. Darüber werden wir nächste Woche berichten.

Neugierig geworden?

Na dann, nichts wie los! Ich empfehle, einfach mal selbst als Teilnehmer*in an einem Circle teilnehmen und wenn’s gefällt, anschließend überlegen, wie es konkret für Studium und Lehre eingesetzt werden kann. Und dabei einfach Folgendes beachten:

Top 3 tips from the #WOL-Godfather @johnstepper itself:

1. Keep the logistic as simple as posible.

2. Don’t worry to much, Relax! There is no boss looking over your shoulder. Just do your best.

3. Be open, it’s an experiment.“

(Alena Fleer, https://twitter.com/socialmedia_ak/status/1347239682132865026?s=20, 07.01.2021)

FernUni-Mitarbeiter*innen können sich bei Interesse an einem internen Circle auch gern bei mir direkt melden.

Weiterführende Quellen

Working Out Loud – Die deutsche Startseite von John Stepper für alle, die nun gern mehr wissen möchten.

Ilona Libal: Was passiert in 12 Wochen „Working Out Loud“? – Übersicht über Schwerpunkte der einzelnen Wochen.

Circle Finder – Wer losgelöst vom Unialltag WOL mal ausprobieren mag, kann hierüber andere Circle-Mitglieder finden.

My best gift for 2020 – content, happy and grateful students!“ – Erfahrungen von Dr. Julia Schoebrunn



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