Rückblick auf die Learning AID 2024

Bild eines Hörsaals von hinten, vorne spricht Wissenschaftsministerin Ina Brandes bei ihrem Grußwort
Wissenschaftsministerin Brandes beim Grußwort, Foto: FernUniversität

Die Learning AID Tagung, die an der Ruhr-Universität in Bochum vom 2. – 3. September stattfand, führt die vorherrschenden Themen in den Hochschulen schon im Titel: Learning Analysis, Artificial Intelligence, Data Analysis. Dementsprechend war auch der Zulauf in diesem Jahr. Mehr als 300 Teilnehmende fand sich in Bochum ein, um über diese Themen zu diskutieren. Dieser Beitrag soll ein Schlaglicht auf interessante Diskussionsbeiträge liefern.

Vorweg sei schon einmal angemerkt: Die Tatsache, dass – wie bei Tagungen üblich – Workshops und Impulsvorträge in bis zu sieben Slots parallel liefen, machte die Entscheidung nicht gerade einfach, was man sich anhören sollte. Deswegen bleibt es auch beim Schlaglicht und der Hoffnung, dass alle weiteren Angebote durch eine gute Dokumentation nachgeholt werden können. 😉

Tag 1 – Nachdenken über Bildung in Zeiten von KI

Los ging es mit einem Grußwort der Prorektorin für Lehre und Studium der RUB Professorin Kornelia Freitag, die den sehr interessanten Vergleich zog, dass Studierende (und vielleicht auch manchmal Lehrende) in Bezug auf KI-Tools wie der Zauberlehrling sind, der zwar mit auswendig gelernten Zaubersprüchen die Besen aktivieren, sie aber nicht beherrschen kann. Die Prorektorin nahm die Diskussion um KI zum Anlass, die Frage zu stellen, ob nicht grundsätzlich ein Umdenken bezüglich Lehr-Lernprozesse an Hochschulen einsetzen müsse. Sie verband diese Überlegungen mit einer konkreten Bitte an die Tagungsteilnehmenden: Dass diese nämlich die Erkenntnisse und Ideen, die auf der Tagung entwickelt werden, mit an ihre Hochschulen nehmen und weiterverbreiten.

Dr. Peter Salden, der das Projekt KI:edu.nrw leitet, schloss daran an, indem er den Faktor Mensch in den Mittelpunkt stellte, der manchmal bei allzu technischen Diskussionen vergessen geht. Einerseits würden die Teilnehmenden durch ihre Vernetzung und Diskussionen den menschlichen Faktor ausfüllen. Auf der anderen Seite rief Salden noch einmal in Gedächtnis „für wen wir das hier alles machen“, nämlich im Endeffekt die Studierenden, deren Lernprozesse bestmöglich unterstützt werden sollten. Daher muss immer auch nach dem Nutzen gefragt werden, den die technischen Entwicklungen mit sich bringen. Bei KI und Learning Analytics wahrscheinlich noch mehr als bei anderen technischen Entwicklungen der letzten Jahre, weil hier sehr viel näher an individuellen Lernprozessen gearbeitet wird.

Risiken der Abhängigkeit von BigTech

Junior-Professor Benjamin Paaßen stellte anschließend einige Überlegungen zu KI und der Autonomie von Hochschulen vor. Durch die Tatsache, dass die momentan besten und schnellsten Anwendungen von den großen amerikanischen Tech-Firmen angeboten werden, begeben sich die Hochschulen in eine Reihe von Abhängigkeiten oder sehen sich zumindest mit den Risiken dieser Abhängigkeiten konfrontiert: die Tech-Firmen geben vertragliche Bedingungen vor, denen man manchmal ohne Opt-Out-Möglichkeit nur zustimmen kann; oder sie ändern oder löschen Funktionen, auf die Anwender*innen angewiesen sind. Die Lösung dafür sind auf eigenen Servern gehostete Open-Source-LLMs, die an die jeweiligen Bedarfe angepasst werden können. Paaßen war sich selbst natürlich bewusst, dass das keine Hochschule allein stemmen kann, sondern das dies auf Länder-, Bundes- oder sogar europäischer Ebene realisiert werden muss. Dazu hat er mit Amrei Bahr und Maximillian Mayer das Netzwerk KI und Digitale Autonomie in Wissenschaft und Bildung ins Leben gerufen.

AI Literacy

Um die Studierenden der Uni Hamburg und wie diese KI im Studium nutzen, ging es im Vortrag von Jennifer Preiß und Nadia Blüthmann. Sie haben Aussagen dazu von mehreren hundert Studierenden gesammelt und ausgewertet. Dabei wurden viele Nutzungsszenarien vorgestellt, Tatsache war aber auch, dass sich die Nutzung noch nicht flächendeckend ausgebreitet hat. Beruhigend war die Feststellung, dass nur 50 von 600 Studierenden ChatGPT zur Literaturrecherche einsetzten. Das könnte man durchaus als positiv bewerten, weil es ja bedeutet, dass 550 befragte Studierende das richtigerweise nicht tun. Interessant waren die in diesem Zusammenhang vorgestellten AI Literacy Frameworks, die Kompetenzen versammeln, die von Lernenden beherrscht werden sollten:

Aus den Erkenntnissen wurden an der Uni Hamburg Workshops für Studierende entwickelt, aus denen eine höhere Selbstsicherheit der Studierenden im Umgang und in der Thematisierung von KI in der Lehre resultierten.

Neuigkeiten

Nach weiteren Grußworten des Rektors der RUB Professor Martin Paul und der Wissenschaftsministerin Ina Brandes stellte das Projekt KI:edu.nrw sein Arbeit vor. Dr. Peter Salden, PD Dr. Malte Persike und Professor Martin Mauve sprachen in einer gemeinsamen Keynote von den aktuellen Entwicklungen. So erfuhr man unter anderem von POLARIS, einer Learning Analytics Plattform, die über entsprechende Schnittstellen an gängige Lernmanagementsysteme wie ILIAS oder Moodle angedockt werden kann und diese mit Learning Analytics Funktionen versorgt. Ziele sind dabei die Unterstützung von Lernprozessen, die Prüfungsvorbereitung und die Optimierung von Studienverläufen. Man darf gespannt sein, wie das realisiert wird, wenn die Plattform voraussichtlich Ende des Jahres vorgestellt wird. Außerdem wurde verraten, dass ein neues Rechtsgutachten zu KI in der Lehre in der Arbeit ist. Ein Datum der Veröffentlichung wurde aber noch nicht bekannt gegeben.

Im nächsten Workshop zu Tools, Herausforderungen und Prompts gab es einen weiteren Hinweis. Das Prompt Labor, das bereits im letzten Jahr sehr erfolgreich durchgeführt wurden und in den Offenen Prompt-Katalog mündete, wird wieder angeboten. Anmeldungen sind hier möglich: https://ki-campus.org/courses/prompt-labor

Kritische Reflexion bedeutet nicht komplette Ablehnung

Den Abschluss des Tages (neben dem Get Together am Abend) bildete eine Podiumsdiskussion. Professorin Gabi Reinmann, Professor Marco Kaltz, Dr. Anika Limburg und Katharina Westphal (Digital Change Makerin) beleuchteten in der Moderation von Robert Queckenberg unterschiedlich Aspekte von KI in der Hochschullehre. Klar wurde, dass wir uns alle noch in einer intensiven Experimentierphase befinden, bei der viele Aspekte in der Schwebe sind. Leider befinden sich Lehrende und Studierende aber gleichzeitig im Realbetrieb und deswegen werden Verunsicherungen als Bedrohung wahrgenommen. Dass man eine kritische Haltung zu KI einnimmt, bedeutet aber keineswegs, dass KI komplett abgelehnt werden sollte. Im Gegenteil sind die Potentiale von KI so bedeutend, dass es fatal wäre, die Risiken außer Acht zu lassen.

Man kann schon ins Grübeln kommen, was die Rollen und Beziehungen, was die Prozesse und Auffassungen von Lehren und Lernen anbelangt, auf die die Themen der Tagung wie eine Lupe wirken. Insbesondere KI mit allen Potentialen der Lernbegleitung und Inhaltsgeneration zeigt noch einmal Probleme und Diskussionen auf, die schon länger in den Hochschulen herumgeistern: Wie sollten Prüfungen gestaltet werden, um tatsächlich die Kompetenzen der Studierenden abzubilden? Sind aktuelle Prüfungsformate noch zeitgemäß? Wie ist die Rolle von Lehrenden im Gesamtzusammenhang von Lehr-Lernprozessen? Wie sollte die Beziehung zwischen Lehrenden und Studierenden aussehen? Von diesen praktischen und konkreten Fragen kommt man dann aber auch irgendwann zum Grübeln über Bildungsprozesse und Kompetenzen insgesamt.

Tag 2 – Veränderte Rollen

Der zweite Tag begann mit einer Keynote von Professor Hendrik Drachsler von der Uni Frankfurt. Er stellt das Konzept der Highly Informed Learning Analytics vor. Dabei werden nicht nur die reinen Zugriffs- und Navigationsdaten der Lernmanagementsysteme ausgewertet, sondern mit Hilfe psychologischer Verfahren Feedback zu Selbstregulierung, Leseverständnis, kreativem Denken, Problemlösekompetenz usw. gegeben. Voraussetzung ist dabei, dass eine Kompetenz zum Feedback nehmen bei den Studierenden vorhanden sein muss. Interessanterweise kam aus dem Publikum dazu die Frage, ob man nicht umgekehrt auch das Feedback so gestalten kann, dass es von den Studierenden angenommen wird. Ein Spannungsfeld, bei dem es sich lohnt noch weiter einzusteigen. Weitere Informationen zu Highly Informed Learning Analytics stellt Professor Drachsler mit anderen auf der Website https://edutec.science bereit.

Danach stellte Veronika Hackl von der Uni Passau ein Tool vor, mit dem Studierende Feedback zu ihren schriftlichen Produkten bekommen können. Studierende waren danach häufiger in der Lehrveranstaltung anzutreffen und konnten ihre Arbeiten inhaltlich qualitativ sehr verbessern. Keine Verbesserung gab es allerdings bei der stilistischen Qualität der Arbeiten.

Danach gab es einen kleinen Werbeblock für die App educa.AI, die eine Reihe von hilfreichen Tools basieren auf generativer KI liefert. Unter anderem können Anwender*innen H5P-Quiz aus hochgeladenen PDFs automatisch generieren lassen.

Im Workshop „Was wissen wir über das Lernen und Lehren an Hochschulen in Zeiten (generativer) KI?“ von KI:edu.nrw in Zusammenarbeit mit dem Zentrum für Wissenschaftsdidaktik der RUB wurde über die Grundlagen diskutiert, auf denen man die Auswirkungen von generativer KI auf die Lehre aus Sicht von beratenden Personen bewerten kann. Neben den üblichen Verdächtigen wie Bildungsforschung, Schreibdidaktik, Hochschuldidaktik oder Psychologie, wurden auch andere Bereiche ins Feld geführt: natürlich alle möglichen Rechtsaspekte, aber auch Changemanagement, technische Grundlagen und Erfahrungen aus vergangenen Veränderungsprozessen wie dem Einzug des Computers in die Lehre oder der Digitalisierung.

Bei der abschließenden politischen Runde diskutierten Dr. Stefan Drees (MKW NRW), Peter Greisler (BMBF), Prof. Dr. Evelyn Korn (StIL), Martin Wan (HFD) über bekannte Herausforderungen und bereits geleistete Initiativen. Tenor der Runde: Alle finden eine selbstentwickelte und selbstgehostete KI-Lösung auf europäischer Ebene am besten. Ist nur die Frage, ob die kommt und wenn ja, wie sie dann genau aussieht.

Jetzt habe ich das Fazit mit den Fragen zum Weitergrübeln schon am Ende des ersten Tages eingefügt. Fest steht, dass wir uns in einer Phase des Experimentierens, des Nicht-Wissens-sondern-nur-Vermutens und damit leider auch der Verunsicherung befinden. Das sollte uns aber, um mit Gabi Reinmann zu sprechen, nicht davon abhalten, weiter am Ball zu bleiben und Lösungen zu finden.



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