Rückblick auf die elearn.nrw 2018

von Alexander Sperl und Tanja Adamus

In diesem Jahr fanden die Jahrestagung der Gesellschaft für Medien in der Wissenschaft (GMW) und die Tagung elearn.nrw gemeinsam an der Universität Duisburg-Essen (UDE) statt. Während die erste unter dem Titel „Digitalisierung: Motor der Hochschulentwicklung?“ stand, hatte die zweite die „Bildungsgerechtigkeit in Zeiten der Digitalisierung“ zum Thema. Beide waren allerdings nicht nur wegen der Verwendung des Begriffs „Digitalisierung“ miteinander verbunden, sondern vermischten sich so selbstverständlich, dass die Teilnehmenden nur anhand der Farbe der Bändchen ihrer Namensschilder auseinandergehalten werden konnten.

Bildungsgerechtigkeit kann in der Tat als ein wichtiger Faktor der Hochschulentwicklung angesehen werden. Mehrere Förderprogramme beschäftigen sich direkt oder indirekt mit diesem Thema. So wurden zum Beispiel im Rahmen des Förderprogramms „Offene Hochschulen“ eine Menge Projekte gefördert, die sich mit der Öffnung der Hochschulen für nicht-traditionelle Zielgruppen beschäftigen. Dass die Digitalisierung ein Potential für die Umsetzung dieser Bildungsgerechtigkeit hat, sehen wir an der FernUni jeden Tag. Die Autor*innen konnten nur an der elearn.nrw teilnehmen, daher beschränkt sich dieser Rückblick auf die Veranstaltungen im Rahmen dieser Tagung.

OER als Motor für Bildungsgerechtigkeit?

In der ersten Keynote beleuchtete Professor Marco Kalz von der PH Heidelberg die aktuelle Diskussion rund um Open Educational Resources (OER) und Massive Open Online Courses (MOOCs). Selbst ein Befürworter der freien Zugänglichkeit von Bildungsresourcen, warf Kalz einen kritischen Blick auf die enge Sichtweise, die seiner Meinung nach in Deutschland in Hinblick auf OER vorherrscht. Wegen fehlender Konzepte zum Einsatz von OER in freien Settings nützen OER primär der OER-Bewegung und sekundär den Lehrenden, so Kalz. Diese Reihenfolge muss umgedreht werden, damit OER auch in Deutschland zu einem flächendeckenden Thema werden.

Leider ist die Forschungslage zu OER bislang eher dünn und häufig gibt es keine Beweise für Kosteneffekte, Innovation oder Lerneffekte. Dennoch attestiert Kalz der Open Education große Potentiale. So sieht er vor allem in der durchdachten Anwendung von MOOCs Chancen für die Weiterbildung. Die Kritik, dass MOOCs nicht sonderlich erfolgreich sein, weil sie sehr hohe Abbruchraten haben, konterte Kalz mit dem Hinweis, dass öfter mal die Intention für die Teilnahme und nicht so sehr die Zertifikate gemessen werden sollten. Vor allem für die Weiterbildung von Lehrkräften hält er MOOCs für geeignet.

„Wirkungen“ digitaler Hochschullehre

Die zweite Keynote von Professor Michael Kerres von der UDE war eigentlich nicht geplant – Kerres sprang für eine erkrankte Kollegin ein. Prompt wurde sein Vortrag von einem Feueralarm unterbrochen und musste dann auch abgesagt werden. Kerres versprach aber schon während der Tagung, dass er seinen Vortrag in der kommenden Woche als Video bereitstellen werde. Das Ergebnis lässt sich hier sehen:

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Bedarfsorientierte Unterstützungsangebote für Lehrende

Nach der Mittagspause ging es dann ohne weitere Unterbrechungen in die Workshops. Einer davon beschäftigte sich mit der „Bedarfsorientierte Weiterentwicklung von mediendidaktischen Unterstützungsangeboten“. Die Vertreter*innen von vier Hochschulen stellten kurz ihre Schwerpunkte in der Unterstützung vor: von E-Tutoring und E-Mentoring über Kurzangebote wie den „ToolTalk“ in der Mittagspause bis zu Fokussierung auf den kollegialen Austausch ging die Bandbreite. Da gab es eine Reihe von Anregungen, die wir mit in unser Team nehmen und aus denen sich bestimmt was ergibt.

Matrix Unterstützungsangebote
Matrix mit den Unterstützungsangeboten der am Workshop beteiligten Hochschulen. Foto: J. Lilienthal, S. Schotemeier, M. Schumann, F. Matthé, A. Mersch, S. Hiltmann

Von der Verwendung urheberrechtlich geschützter Materialien zu E-Assessment

In dem von der Digitalen Hochschule NRW organisierten Workshop ging es um die Frage, wann urheberrechtlich geschützte Materialien erlaubnisfrei für die Lehre genutzt werden dürfen. Dr. jur. Janine Horn vom ELAN e.V. gab einen umfassenden Überblick über die aktuelle Rechtslage und ging auf die vielfältigen Fragen aus dem Publikum ein. Die Inhalte hier zusammenzufassen, ist leider nicht möglich. Ein kurzes Erklärvideo auf der Website des ELAN e.V. gibt allerdings einen guten Überblick:

https://www.elan-ev.de/themen_p60.php

(Wie immer bei rechtlichen Fragen, so gilt auch hier: Bitte wenden Sie sich bei Fragen oder Unklarheiten an das Justiziariat der FernUniversität.)

Der Workshop „E-Assessment in der Praxis“ stellte die E-Assessment-Angebote der Unis Duisburg-Essen und Wuppertal vor. Beide Unis waren im Projekt E-Assessment NRW aktiv, aus dem die sehr lesenswerte Handreichung „E-Assessment in der Hochschulpraxis: Empfehlungen zur Verankerung von E-Assessments in NRW“ hervorgegangen ist.

In einem zweiten Workshop wurde das Thema „E-Assessment“ vor allem für naturwissenschaftlich-technische Studienfächer beleuchtet. Auf Basis der Software „JACK“ wurden Beispiele für elektronische Prüfungs- und Selbstlernaufgaben aus der Wirtschaftswissenschaft, der Biologie und der Chemie vorgestellt. Spannend war es dabei vor allem zu sehen, wie das System mit der in diesen Fächern wichtigen Darstellung von Formeln und Gleichungen umgeht. Hier ist aktuell schon viel möglich, allerdings besteht immer noch Erweiterungsbedarf. Da JACK eine Eigenentwicklung der UDE ist, kann hieran aber in enger Zusammenarbeit mit den Fachbereichen gearbeitet werden.

Flexibilität, Zielgerichtetheit und Methodenschub

Eine anderthalb Stunden lange Podiumsdiskussion in einem Absatz zusammenzufassen, ist eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. In einer Fazitrunde wurden aber drei wichtige Aspekte bei der Diskussion um Digitalisierung und Hochschulentwicklung hervorgehoben. So waren sich alle Beteiligten einig, dass zentralisierte Infrastrukturen für die Hochschulen zwar förderlich sind, dabei aber nicht vernachlässigt werden darf, dass diese trotzdem eine hohe Flexibilität bezüglich der konkreten Lehrszenarien zulassen. Darüber hinaus wurde betont, dass das Thema Digitalisierung nicht aus sich heraus als Heilsbringer verstanden werden darf, sondern dass sie ein Mittel zum Zweck ist: die Verbesserung und Erleichterung aller Prozesse in der Hochschule. Schließlich wurde noch einmal darauf hingewiesen, dass digitale Medien einen Methodenschub mit sich bringen oder dass dies zumindest die Idealvorstellung sei. In der Realität sieht das natürlich anders aus.

E-Klausuren auf freier Wildbahn

Der zweite Tag startete mit einer Besichtigung einer für E-Klausuren benutzten PC Hall der UDE. Die Raumgröße beeindruckte: 150 Teilnehmende können im einen, weitere 70 im anderen Raum in einem Durchgang an Klausuren teilnehmen. Leider hinterließen die Klausursysteme keinen ganz so guten Eindruck. Die Teilnehmenden konnten jeweils eine Probeklausur mit dem UDE-Eigengewächs JACK und der kommerziellen Software LPLUS absolvieren. Was genau gehakt hat, war nicht ganz klar, aber bei JACK funktionierte das Login nicht reibungsfrei und bei LPLUS war das Design etwas antiquiert und eine Aufgabe frustrierend, da zwei Grafen nicht wie gefordert übereinander gelagert werden konnten. Im Realbetrieb geht das hoffentlich besser.

Ansonsten lohnt sich sicherlich ein detaillierter Blick auf die beiden Systeme. Gerade die Aufgabentypen, die über Single und Multiple Choice hinausgehen, sahen vielversprechend aus.

„The decision not to share is the decision to stagnate.“

Professorin Kerstin Mayrberger von der Universität Hamburg erinnerte in ihrer Keynote zu Open Educational Practices daran, dass offene Bildungsresourcen erst durch ihren konkreten Lehr-/Lerneinsatz und den damit verbunden Praktiken gewinnbringend sein können. Ein Ansatz dazu ist die Hamburg Open Online University (HOOU), die von allen staatlichen Hochschulen in Hamburg mit Inhalten und Lehrkonzepten „gefüttert“ wird. Einerseits hat die HOOU zum Ziel, die Präsenzlehre der Hochschulen zu unterstützen, gleichzeitig werden die Lehrmaterialien aber auch für alle Interessierten frei zugänglich gemacht. Die Lehrenden davon zu überzeugen, ihre Materialien herzugeben, ist dabei die schwierigste Aufgabe. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen hält Mayrberger die Open Education für die spannendste Sache, die momentan in der deutschen Bildungslandschaft zu finden ist. Das Zitat in der Überschrift stammt übrigens von der niederländischen Ministerin für Bildung, Kultur und Wissenschaft Ingrid van Engelshoven.

Open Science als Ausweg aus der „Fake Science“-Krise

Mit einem etwas anderen – weil nicht aus der Lehr-/Lernperspektive kommenden – Blick wurde in der Keynote von Professor Klaus Tochtermann vom Leibniz Informationszentrum Wissenschaft (ZBW) ein weiterer Aspekt von Offenheit betrachtet. Mit dem Aufhänger der Berichte über „Fake Science“ (insbesondere beim WDR) plädierte er für Open Science als Ausweg. Der Teufelskreis aus Bewertungssystem ? Publikationsdruck ? Fehlende Transparenz ? Fehlende Nachvollziehbarkeit ? Glaubwürdigkeitskrise könne mit einer größtmöglichen Transparenz überwunden werden. Tochtermann stellte verschiedene Ansätze vor, wie zum Beispiel:

  • die Website thinkchecksubmit.org, mit der vertrauenswürdige Zeitschriften erkannt werden können
  • Rollenzuordnungen bei Artikeln mit vielen Autor*innen, wie zum Beispiel bei CRediT – contributor role taxonomy (vgl. Brand et al. 2015)
  • das Review von Studiendesigns bei Registered Reports

Viele weitere Informationen rund um das Thema Open Science finden sich im Blog ZBW MediaTalk des Zentrums und auf den Seiten der Europäischen Kommission.



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