Erstes MeetUp der Veranstaltungsreihe „KI in Lehre und Studium – Wie NRW-Hochschulen Orientierung geben“
von Sarah Habla
Der Begriff Künstliche Intelligenz existiert bereits seit den 1950er Jahren und zwischen den so genannten KI-Wintern mit wenig Entwicklung auf dem Gebiet KI fanden immer mal wieder Hochphasen statt. Dennoch war keine dieser Phasen derart transformativ wie die jetzige, begonnen durch den Launch der textgenerativen KI-Plattform ChatGPT am 30. November 2022.
Die Reaktionen sind unterschiedlich: Von Ablehnung bis Zuspruch, von Begeisterung bis Argwohn – das gesamte Spektrum an emotionalen und rationalen Urteilen ist abgedeckt. Ungeachtet dessen sehen sich die Hochschulen aktuell dazu veranlasst, Ihren Studierenden und Lehrenden Leitlinien oder Handlungsempfehlungen zum Umgang mit jener mittlerweile sehr leistungsstarken Technologie an die Hand zu geben. Dies geschieht nicht zuletzt, um zu vermeiden, dass innerhalb der Universitäten in jedem Fachbereich parallel eigene Regelwerke entwickelt werden, die sich womöglich einander widersprechen.
Was ist die Herausforderung und was haben wir vor?
Doch wie soll dieses Unterfangen ohne ausreichende Referenzbeispiele oder gar vorherrschende Rechtsprechung gelingen? Solange noch keine weitreichende Erfahrung vorliegt oder die Legislative keine genaueren Regulierungen festgelegt hat, obliegt es den Universitäten, Leitlinien und Handlungsempfehlungen nach bestem Wissen und Gewissen zu konzipieren. Wie können sie das leisten, ohne dabei auf der einen Seite die Freiheit der Lehre zu beeinträchtigen oder zu repressiv und technologiefeindlich vorzugehen und auf der anderen Seite dennoch die wissenschaftliche Güte zu bewahren, die einige durch die Nutzung von KI-Technologien gefährdet sehen?
Um einerseits auch NRW-weit ein möglichst übereinstimmendes Bild der Leitlinien und Handlungsempfehlungen zu realisieren und andererseits einzelnen Universitäten Orientierung und Austausch zu ermöglichen, hat der KI-Campus-Hub NRW – verantwortet von der FernUniversität in Hagen – ein mehrteiliges Zusammentreffen ins Leben gerufen. Das Meetup „KI in Lehre und Studium – wie NRW-Hochschulen Orientierung geben“ möchte zu verschiedenen Schwerpunktthemen die Entwicklung vorantreiben.
Ein erstes Treffen hat am 21. Februar 2024 virtuell stattgefunden. Eingeladen waren Akteure aus den Universitäten und Hochschulen aus NRW, wobei über 100 Teilnehmende der Einladung gefolgt sind. Fünf Einrichtungen haben sich zudem im Vorfeld bereit erklärt, ihre bisherigen Angebote an Hilfestellungen und Leitlinien zum Thema KI im Hochschulbereich vorzustellen. in einer anschließenden Podiumsdiskussion traten die Einrichtungen gemeinsam in den Austausch. Dazu gehörten das Hochschulforum Digitalisierung (HFD), die Universität zu Köln, die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, die Universität Bielefeld und als Gastgeberin die FernUniversität in Hagen.
Als Einstieg präsentierte Florian Rampelt vom Stifterverband die kostenfreie Lernplattform für Künstliche Intelligenz – den KI-Campus. Anschließend stellte Frau Prof. Dr. Claudia de Witt den Veranstaltungsausrichter – den KI-Campus-Hub NRW – vor. Nachdem die fünf Universitäten Ihre Leitlinien dargeboten hatten, ging es schließlich in die Podiumsdiskussion über, die von Dr. Annabell Bils vom ZLI moderiert wurde und an der neben den fünf Referent*innen auch Heike Karolyi von der FernUniversität in Hagen mit dem Projekt CATALPA teilnahm . Durch die gesamte Veranstaltung führte Caroline Berger-Konen vom Lehrgebiet Bildungstheorie und Medienpädagogik.
Die Lightning Talks – ein kurzer Abriss der teilnehmenden Universitäten
Hochschulforum Digitalisierung (HFD) vom Centrum für Hochschulentwicklung (CHE)
Den Anfang gestaltete Jens Tobor vom HFD, das in seinem Format Blickpunkt Anfang Februar Leitlinien zum Umgang mit generativer KI (text-, bild- oder musikproduzierende KI) veröffentlichte. Die Leitlinien sollen Hochschulen als Basis für die Entwicklung eigener KI-Leitlinien dienen und wurden zuvor wiederum aus bereits bestehenden KI-Leitlinien deutscher Hochschulen gespeist, die bis Mitte November 2023 dem HFD zugestellt worden sind.
Daraus wurden insgesamt 18 zentrale Aussagen als Takeaways abstrahiert und in folgende Kernbereiche geclustert: „Allgemein (4 Aussagen)“, „Einstieg und Einordnung (2)“, „Datenschutz und Urheberrecht (2)“, „Prüfungen (3)“, Lehren und Lernen (3)“ sowie „Kompetenzen und Qualifikationen (3)“ und „KI-Zugänge (2)“. Weiterhin stellt das Dokument die unterschiedlichen Aspekte der eingereichten Dokumente wie die verschiedenen Arten der Benennungen (Handreichung (14x), Empfehlung (3x), Leitlinien (2x) uvm.) oder die Formate (als Webpage oder als Dokument bereitgestellt).
Es wird angemerkt, dass Leitlinien schnell überholt sind und stets aktuell gehalten werden sollten. Zudem legt sich das Dokument auf zentrale, theoretisch hergeleitete Kategorien fest, die in Leitlinien behandelt werden sollten. Zu diesen zählen Implikationen für Lehre oder Prüfungswesen, Anerkennung von Datenschutz und Recht sowie der Aufbau von gerechten KI-Zugängen. Vor allem zum Einstieg, zu Datenschutz und Urheberrecht, zu Prüfungen, zum Einsatz in der Lehre, zu Kompetenzen und Qualifikationen und zu gerechten KI-Zugängen gibt das Dokument tiefergehende Hinweise.
Zum Schluss werden noch Good-Practice-Beispiele aufgeführt. Das Dokument dient demnach als gutes Orientierungspapier für die Gestaltung bzw. für eine Reflexion eigener KI-Leitlinien und kann unter Autorennennung (CC-BY SA Lizenzierung) genutzt werden.
Universität zu Köln
Anschließend stellte der Senior-Experte für Digitale Bildung & Educational Technology Ingo Kleiber die Hinweise zu KI im Hochschulbereich der Universität zu Köln vor, die auf dem Web-Portal der Universität abrufbar sind. Nach allgemeinen einleitenden Aussagen werden hier vertiefende Informationen angeboten. So gibt „Was ist generative künstliche Intelligenz“ einen Überblick über gängige Begriffe wie LLMs oder Bias.
In weiteren Artikeln wird erläutert, wie generative KI im Kontext von Lehre und Lernen produktiv angewendet werden kann, wie der Umgang souverän möglich ist oder auf welche Weise der Zugriff auf generative KI-Systeme geschehen kann (kommerziell oder offen). Außerdem gibt es Hinweise auf Schulungen und Weiterbildungen innerhalb der Hochschule – sowohl betreut als auch als Selbstlernkurs.
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Dr. Maike Mayer vom HeiCAD (Heine Center for Artificial Intelligence and Data Science) – einer zentralen wissenschaftlichen Einrichtung für Interdisziplinarität, Vernetzung und Transfer – erklärte, dass dem Thema KI im Hochschulbereich an der HHU neben der Infothek vor allem mit Angeboten wie „KI für alle“ oder „AI-Literacy“ begegnet wird. Ersteres hat Studierende als Zielgruppe, ist in Seminarlogik mit 2SWS auf 14 Wochen strukturiert und wird auf dem KI-Campus als KI-Campus-Original angeboten, sodass auch Menschen außerhalb der HHU diesen belegen können.
Die Interdisziplinarität des HeiCAD spiegelt sich auch in diesem Kurs wider, indem dieser einen interdisziplinären Blick auf Künstliche Intelligenz und Datenwissenschaften verspricht. „AI-Literacy“ wiederum ist für Lehrende mit dem Ziel entwickelt worden, Kompetenzen im Umgang mit KI zu vermitteln und beinhaltet neben Informationsmaterial auch betreute Schulungs- und Beratungsangebote.
Universität Bielefeld
Meike Vogel vom Zentrum für Lehren und Lernen der Universität Bielefeld stellte anschließend die Sammlung von ausgewählten Materialien zu KI in der Hochschule vor. Diese sind auf der Webpräsenz der Universität aufgeführt. Hier wird zunächst erklärt, dass das Ziel hier vor allem das Geben von Orientierung auf dem sich rasant ändernden Feld von wissenschaftlichen Arbeiten und KI ist. Bezüglich der Tools wird keine spezielle Empfehlung ausgesprochen, sondern allenfalls der Hinweis auf die datenschutzrechtliche Einhaltung gegeben. Ferner wird erklärt, dass die Hinweise stets aktuell gehalten werden. Es folgt ein Bereich für kommende Veranstaltungen zum Thema KI, darunter werden zielgruppen- und themenspezifisch die Materialien zum Thema aufgeführt. Via Dropdownmenu kann Material zu Aktuellem, für Studierende, für Lehrende, zu wissenschaftlichem Schreiben, Fachspezifisches oder zu Hintergründen, Begriffen oder Diskussionen aufgerufen werden.
Jede dieser Seiten enthält neben relevanten Fragestellungen auch die Kontaktdaten zur*zum jeweiligen Ansprechpartner*in. Die Materialien behandeln das breite Spektrum der Problematik und geben Hinweise zu Funktionen und rechtlichen Aspekten einiger Tools, zu allgemeinen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie Infos zu Selbstlernkursen.
FernUniversität in Hagen
Auch die gastgebende FernUniversität in Hagen stellte an dieser Stelle ihre Herangehensweise an die neue Herausforderung von KI im universitären Alltag dar. Annabell Bils vom Zentrum für Lernen und Innovation (ZLI) stellte dabei die besondere Rolle der FernUniversität im Umgang mit KI heraus und erklärte, dass vor allem das Rektorat rechtlich und ethisch reflektiert Klarheit über die Anwendung von KI schaffen wollte.
So wurde aus verschiedenen Einrichtungen der FernUniversität (z.B. das ZLI, die Fachmediendidaktiker*innen aller Fakultäten, der KI-Campus-Hub NRW, IMPACT/CATALPA) die Arbeitsgruppe „GIN“ (Gerative Intelligence Network) gebildet, die im Laufe des Wintersemesters 2023/24 sowohl einen KI-Leitfaden als Orientierungspapier (vom Rektorat verabschiedet) sowie stets aktuell gehaltene ergänzende Handlungsempfehlungen entwickelte und zu Beginn des Jahres publizierte.
Der Leitfaden besteht aus den beiden Teilen Grundsätze und Orientierungshilfen. Zu den Grundsätzen zählen der Einsatz als Verbesserung von Bedingungen in Studium, Lehre und Forschung, Technologieoffenheit sowie die Wahrung eines transparenten und kritischen Umgangs. Die Orientierungshilfen wiederum beschreiben mögliche Einsatzszenarien in der Lehre oder in Prüfungssituationen und bieten eine vorformulierte Eigenständigkeitserklärung im Falle des KI-Einsatzes bei Hausarbeiten an.
Die Handlungsempfehlungen geben Hinweise u. a. bei der Nutzung von generativen KI-Anwendungen, auf rechtliche Aspekte und IT-Sicherheit sowie einen Überblick über häufig genutzte KI-Anwendungen. Außerdem gibt es Hinweise zum Zitieren mit und aus KI sowie zur Barrierefreiheit. Abschließend erläutert Annabell Bils weitere geplante Schritte wie Fortbildungen, Testumgebungen oder einer zentralen Informationsseite.
Podiumsdiskussion
Nach den Eindrücken aus den fünf Inputs haben sich alle 5 Referent*innen sowie die wissenschaftliche Mitarbeiterin aus dem an der FernUniversität angesiedelten Projekt CATALPA (Learning Analytics) Heike Karolyi zu einer Podiumsdiskussion bereiterklärt, die von Annabell Bild moderiert wurde. Die Aspekte, die schwerpunktmäßig diskutiert wurde, lassen sich zusammenfassend wie folgt beschreiben.
Die Einführung von ChatGPT sorgt vermehrt dafür, dass Lehren, Lernen und insbesondere das Prüfen neu zu denken sind. Des weiteren bestehe das Problem, dass KI-Leitlinien häufig auf Basis mangelnder Erfahrung entwickelt würden und teilweise die Gefahr des Ersetzens des Menschen durch die Technologie befürchtet werde. Dies führe häufig zu einem Verteufeln von KI in der Hochschule. Eine nähere Beschäftigung mit den KI-Tools kann diesen Mythos entzaubern und KI eher als das, was es ist, begreifen lassen – ein technisches Hilfsmittel und keine Substitution.
Zudem seien Lehrende auch Lernende, weshalb es jetzt gemeinsam gilt, neue Lehr-Lernszenarien zu gestalten. Zudem stehe der Aufbau von KI- und Datenkompetenzen im Fokus, um KI-Tools einsetzen zu können, wobei nicht das perfekte Lehr-Lernszenario im Vordergrund stehe, sondern die Möglichkeit nach geschützten, datenschutzkonformen und ethischen Experimentierräumen für Lehrende & Lernende. Bezüglich der Handlungsempfehlungen müssen diese bei den rasanten technischen Entwicklungen agil sein und agil bleiben.
Schließlich fiel die Aussage, dass es keiner neuen Bildungsziele bedarf, denn diese seien gleichgeblieben, aber der Weg zum Erreichen dieser Bildungsziele habe sich nun mit KI verändert.
Weitere Termine und Themen und Schussbemerkung
Am Ende gab es seitens des Auditoriums eine positive Resonanz. Es gab einen Ausblick auf den nächsten Termin des Meet-Ups, welcher am 24.04.2024 stattfinden soll und dabei das Thema „Didaktik mit hybrider Intelligenz – wie die Stärken natürlicher und künstlicher Intelligenz Lehre und Studium verändern“ zur Sprache kommt. Im dritten Meetup wird schließlich das Thema „AI-Literacy“ im Vordergrund stehen.
Weitere Informationen zu den Meet-Ups erhalten Sie auf der Info-Seite des Projekts KI-Campus-Hub NRW.