Künstliche Intelligenz ist ein Thema, das aktuell auf großes Interesse stößt und in den Forschungsprojekten verschiedener Disziplinen untersucht wird. Wir haben mit der FernUni-Professorin Claudia de Witt gesprochen, die eine Professur für Bildungstheorie und Medienpädagogik an der Fakultät KSW innehat. In einem ihrer aktuellen Forschungsprojekte untersucht sie gemeinsam mit dem DFKI Einsatzmöglichkeiten künstlicher Intelligenz in der Hochschulbildung.
Tanja Adamus: Frau de Witt vielen Dank für das Interview. Sie sind Leiterin des Projekts AI.EDU Research Lab – daher als erste Frage zum Start: Worum genau geht es in dem Projekt?
Prof. Dr. Claudia de Witt: Seit Oktober 2018 leite ich zusammen mit meinem Kollegen Professor Christoph Igel vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) das AI.EDU Research Lab. Dieses Kürzel steht für ein Forschungslabor zur künstlichen Intelligenz in der Hochschulbildung. Das ist schon so ein bisschen etwas Einmaliges. Wir, das ist ein sechsköpfiges Forscherteam, entwickeln mit Methoden der künstlichen Intelligenz sogenannte „Demonstratoren“ zur Unterstützung von Lehre und Studium. Demonstratoren deshalb, weil wir in den drei Jahren – für diese Dauer ist das Initialprojekt angelegt – einmal ausprobieren möchten, wie Methoden der KI das Hochschulstudium unterstützen können. Wir experimentieren, wie es in einem Labor üblich ist, aber natürlich immer mit Blick auf die Möglichkeiten für den Regelbetrieb.
Das Projekt ist in den Forschungsschwerpunkt der FernUniversität „D2L2-Digitalisierung, Diversität und Lebenslanges Lernen“ eingebunden. Im AI.EDU Research Lab erforschen wir, wie künstliche Intelligenz individuell erfolgreiches Studieren sichtbarer machen und auch besser unterstützen kann. Es geht dabei um das individuelle Studieren. Gleichzeitig ist uns wichtig herauszufinden, wie mit Unterstützung künstlicher Intelligenz die Selbstverantwortung für das eigene Lernen der Studierenden beibehalten oder sogar gefördert werden kann. Denn man kann ja auch die Befürchtung haben, dass je mehr Unterstützung die Studierenden bekommen, umso weniger Eigenleistung dann überhaupt noch notwendig ist. Aber diese Balance haben wir auf dem Schirm und wollen dies auch umsetzen. Dazu arbeiten wir gerade an Konzeptionen für zwei Szenarien.
In dem ersten Forschungsszenario geht es darum, ein sogenanntes wissensbasiertes Expertensystem – ein klassisches KI-Verfahren – als Recommender, als eine Unterstützung zu entwickeln, die die Verwendung spezifischer und eben auch individuell angepasster kognitiver und auch metakognitiver Lernstrategien empfiehlt. Und in dem zweiten Forschungsszenario haben wir vor, Maschine-Learning-Algorithmen zu entwickeln, die im Hinblick auf Selbstregulation – als ein Element der Metakognition – Erfolgsfaktoren des Studienverbleibs extrahieren und diese dann gezielt im Studienverlauf fördern. Und dann haben wir auch noch das Ziel, Ethikrichtlinien für den verantwortungsvollen Umgang mit künstlicher Intelligenz zu entwickeln und im Studium zu vermitteln.
Tanja Adamus: Meine Frage nach den Zielen Ihres Projekts und den Forschungsfragen haben Sie damit schon beantwortet. Sie sind ja auch schon ein bisschen darauf eingegangen – welches sind die Rollen Ihres Fachgebiets Bildungstheorie und Medienpädagogik.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Ja genau. Das Lehrgebiet Bildungstheorie und Medienpädagogik ist für die bildungswissenschaftliche bzw. mediendidaktische Konzeption verantwortlich und für die inhaltliche Expertise. Und wir erarbeiten das Gesamtkonzept, wir formulieren die Szenarien aus und konzipieren das Domänen-, Lernen- und Didaktikmodell, immer im engen Austausch mit dem DFKI.
Wir gestalten auch die Forschungs-Moodlelernumgebung didaktisch und erarbeiten Interventionen zur Unterstützung von Lernprozessen und der Benutzerführung. Und wir werden zudem die automatisierten Interventionen bewerten, die das DFKI dann wiederum anpasst. Und klar, wir begleiten den Praxiseinsatz und führen die Evaluierungen durch. In Zusammenarbeit mit der Verwaltung kümmern wir uns um die verfügbaren Daten, wir klären die Datenschutzbestimmungen, erstellen ein Verzeichnis über die Verarbeitungtätigkeiten, das VVT. Dazu gehört auch die Formulierung von Nutzungsbedingungen für das Forschungs-Moodle und von ethischen Richtlinien zum Umgang mit Daten.
Tanja Adamus: Was macht denn das DFKI? Was sind dessen Aufgaben?
Prof. Dr. Claudia de Witt: Das DFKI übernimmt den technischen und informatischen Part. Es analysiert die von uns, also von der FernUniversität, zur Verfügung gestellten Daten für die Testbeds und bereitet sie auf. Sie wenden ihre Verfahren, Methoden der künstlichen Intelligenz an, die wir ja überhaupt nicht haben. Und vorgesehen ist, dass das DFKI anonymisierte Benutzeranalysen durchführt und automatisierte Interventionen in Richtung eines sogenannten intelligent educational assistant entwickelt. Das DFKI begleitet den Einsatz im Testbeds technisch, die FernUni eher pädagogisch-didaktisch. Und identifiziert ebenfalls die Rahmenbedingungen für eine Integration in den Regelbetrieb.
„Aber man weiß natürlich auch, dass der Begriff Intelligenz sehr vielfältig und deswegen auch schwierig zu definieren ist.“
Tanja Adamus: Nun mal abgesehen von den konkreten Szenarien: Wie verstehen Sie denn persönlich oder im Projekt den Begriff künstliche Intelligenz? Ich meine, das ist jetzt ja ein Begriff, über den man aus allen Richtungen stolpert, aber was verbirgt sich da eigentlich genau hinter?
Prof. Dr. Claudia de Witt: Ich habe die Vorstellung eines intelligenten Assistenten, der einem zur Seite steht, Probleme lösen kann und in allen Situationen eine Antwort weiß. Aber man weiß natürlich auch, dass der Begriff Intelligenz sehr vielfältig und deswegen auch schwierig zu definieren ist. Wir verstehen gemeinhin unter Intelligenz höhere mentale Prozesse, wie zum Beispiel Erkenntnisvermögen, abstraktes Denken, Urteilsfähigkeit, Problemlösen, die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und auch Entscheidungen zu finden. Und diese Fähigkeiten machen Intelligenz aus und unsere Intelligenz sehen wir dann zum Beispiel daran, dass wir Probleme situationsbezogen lösen können. Und bei der KI, da geht es auch um Aufgaben oder Problemstellungen, für deren Lösungen normalerweise menschliche Intelligenz erforderlich ist. Ich verbinde KI mit der Vorstellung, dass es eine Art selbstlernende Intelligenz in Form eines Systems ist, das eigenständig Lösungen für Problemstellungen entwickeln kann. Entscheidend ist, dass es sich bei KI nicht nur um eine einfache Automatisierung handelt, bei der einer Anwendung einprogrammiert wird, welche Entscheidung sie bei einem bestimmten Input treffen soll. Sondern die KI soll im Grunde eigenständige, neue Lösungen finden und auch eigene Entscheidungen treffen können. Und das kann sie auf Basis intelligenter Datenanalysen, sie kann Prozesse vorausschauend, sozusagen prädiktiv, statt in festen Schritten bearbeiten. Aber es handelt sich immer noch um Technik, Technologien, und das Denken der Maschine ist nicht einfach gleichzusetzen mit dem Denken des Menschen, obwohl eben der Begriff analog verwendet wird. Es wird keine reine Abbildung des menschlichen Denkens geben. Also, das wäre ein Irrglaube. Das ist etwas anderes und das kann man nicht mit unserem Denken vergleichen. Von daher glaube ich auch, das Denken des Menschen wird dem Denken der Maschine in manchen Bereichen immer überlegen bleiben.
Ein anderer Definitionsansatz geht von der künstlichen Intelligenz als einem Zweig der Informatik aus, der sich mit der Automatisierung intelligenten Verhaltens befasst. Auch die Plattform Lernende Systeme, wo verschiedene Forschungsprojekte, -initiativen sich darstellen, hat eine Definition von KI, der ich mich auch gerne anschließen möchte: KI steht für Systeme, die ein Verhalten zeigen, für das gemeinhin menschliche Intelligenz vorausgesetzt wird. Also, das finde ich eigentlich sehr einprägsam.
„Denn diese „stets höflichen“ Roboter können helfen, dem steigenden Betreuungsaufwand etwa bei der Beantwortung häufiger Fragen gerecht zu werden.“
Tanja Adamus: Können Sie uns einen kleinen Einblick darin geben, wie künstliche Intelligenz in der Bildungswissenschaft diskutiert wird? Sofern klein möglich ist. Oder anders gefragt: Wird es überhaupt dort diskutiert?
Prof. Dr. Claudia de Witt: Ja ganz genau! Es gibt jetzt noch sehr wenige Projekte zu KI in der Bildung und ich habe den Eindruck, dass alle auch gerade erst losstarten – wir ja auch – und wir starten quasi mit Hoffnungen auf bessere Angebote und Prozesse.
Es wird eigentlich auch noch relativ wenig in der Bildungswissenschaft über das Thema diskutiert – noch. Auf zukünftigen Tagungen und in Veröffentlichungen wird das Thema immer stärker zu finden sein. Das Wissenschaftsjahr 2019 steht unter dem Begriff Künstliche Intelligenz und da wird es sicherlich die eine oder andere Veranstaltung dazu geben, z. B. unsere Tagung am 14.November „KI und Diversität in der Hochschulbildung“ ,die den Mobile Learning Days ablöst. Weitere KI-Tagungen von uns werden in den nächsten Jahren folgen.
Dabei ist das Thema KI überhaupt nicht neu. Es war nicht nur Thema in den 1950er, 1960er Jahren, sondern auch wieder in den 1990er Jahren, wo ich mich auch schon mit intelligenten tutoriellen Systemen beschäftigt habe. Und Chatbots sind ein Thema. Diese sind an verschiedenen Stellen in Bildungskontexten Forschungsgegenstand und bieten Potenziale in Form von Empfehlungs- und Vorschlagssystemen. Fast jedes Unternehmen hat mittlerweile auf seiner Homepage einen Chatbot, mit dem man sich unterhalten kann, sich individuell informieren lassen kann. Oder es gibt diesen Lehrbot von Professor Handke von der Uni Marburg. Er hat mittlerweile schon zwei humanoide Roboter, Pepper und Nao. Wenn ich das richtig verstehe, sind diese aber nicht für die Studierenden, sondern dienen als Assistenten für den Lehrenden. Finde ich auch gut! Denn diese „stets höflichen“ Roboter können helfen, dem steigenden Betreuungsaufwand etwa bei der Beantwortung häufiger Fragen gerecht zu werden. Das ist, glaub ich, auch das Ziel von Kollege Handke. Und diese Roboter sind dann auch mit Sensorik für die Gesichtserkennung und mit Spracherkennung/Spracherzeugung ausgestattet. Das ist ein weiterer, wichtiger Bereich der KI: Spracherkennung/Spracherzeugung, Mimikerkennung und so weiter.
Und außerdem kommt in der Hochschule das Thema digitale Assistenzsysteme und zwar in Form adaptiver Lernsysteme immer mehr auf. Diese adaptiven Lernsysteme sollen zur Realisierung von personalisiertem Lernen beitragen, das Schlagwort ist Personalisierung. Damit verbunden sind Themen wie Learning Analytics und Educational Data Mining. Wir arbeiten gerade auch in dem Projekt APLE an einer solchen adaptiven personalisierten Lernumgebung, ebenfalls im Forschungsschwerpunkt D2L2.
Tanja Adamus: Welche Vor- und Nachteile sehen Sie denn als Bildungstheoretikerin und Medienpädagogin in künstlicher Intelligenz?
Prof. Dr. Claudia de Witt: Einerseits freue ich mich drauf, weil KI zukünftig eine wichtige Assistenzfunktion übernehmen wird. Das aber nicht nur in der Bildung, sondern in allen Lebensbereichen. Das heißt, KI oder intelligente Assistenten werden unseren Alltag erleichtern. Sie schützen vor Gefahren, sie optimieren Abläufe und im Kontext der Hochschulbildung sehe ich in der KI eine hervorragende Unterstützung des individuellen Lernens im Sinne einer digitalen Assistenz. KI kann uns mit Fähigkeiten oder Funktionen unterstützen, die bisher nur uns Menschen mit unserer Intelligenz und unserem Denken vorbehalten waren, nämlich Problemlösen, Planen, Entscheiden oder Wissen repräsentieren usw. Und einen Vorteil sehe ich darin, dass KI Maschinen, Roboter und Softwaresysteme befähigt, abstrakt beschriebene Aufgaben und Probleme eigenständig zu bearbeiten und zu lösen, ohne dass jeder Schritt vom Menschen programmiert wird. Dass sie eben eigenständig arbeiten oder lernen können, um Aufgaben, Probleme zu lösen.
„Und was natürlich auch damit verbunden ist, ist eine immer stärkere Datafizierung des Hochschulstudiums.“
Tanja Adamus: Die Frage ist dann natürlich auch, gibt es eventuell Nachteile, die Sie sehen könnten?
Prof. Dr. Claudia de Witt: Ja, KI zielt momentan darauf ab, Entscheidungen auf der Grundlage von Daten zu treffen. Also Prozesse wie das Sammeln, Zusammenstellen von Daten, das Anlernen von Algorithmen, aus diesen Daten Muster und Entscheidungsvorschläge zu filtern und dann auch Entscheidungen zu überprüfen, werden in Zukunft möglicherweise nicht mehr von uns Menschen wie bisher beaufsichtigt werden. Ich kann mir vorstellen, dass wir einerseits selbstlernende Algorithmen haben wollen, aber dass das wahrscheinlich nachher Selbstläufer werden oder wie man so schön sagt, selbstreferentielle Systeme, die dann nicht nur Vorhersagen treffen, sondern eine Eigendynamik entwickeln. Das ist auch eine Befürchtung, die bspw. David Bates hat.
Wir befinden uns allerdings im Moment noch in einem Prozess, in dem wir sehr viel händisch aufarbeiten, eingeben müssen, damit dann anschließend die künstliche Intelligenz übernehmen kann. Das heißt also, es handelt sich derzeit noch um einen sehr aufwändigen Prozess, wobei wir feststellen, dass unsere bisherigen Didaktikmodelle noch mehr an diese Mensch-Technik-Interaktion angepasst werden müssen, damit wir überhaupt Daten für die Recommender generieren können. Wir haben zum Beispiel in unseren Modulen sehr viel Diskussionsforen, das sind ja alles Aktivitäten oder auch intelligente Leistungen, die die Studierenden übernehmen und von Lehrenden unterstützt werden. Das heißt, wir müssen jetzt erstmal die Technologie noch mehr befüttern und den didaktischen Lernraum möglicherweise daran anpassen, um eine stärkere, wirkliche Ausgewogenheit der Mensch-Technik-Interaktion hinzubekommen. Damit die Algorithmen lernen können. Also, das bedeutet eben eine gewisse Anpassung unserer bisherigen didaktischen Anwendungen an die Möglichkeiten der Technik.
Und was natürlich auch damit verbunden ist, ist eine immer stärkere Datafizierung des Hochschulstudiums. Nicht nur eine Datafizierung unserer Lebenswelt, unserer Hobbies oder unserer Privatsphäre, sondern eben auch eine Datafizierung des Hochschulstudiums und das heißt dann, dass für mich die Hochschule eben auch vor solchen Fragen steht wie: In welchem Ausmaß sollen Zahlen, Daten das individuelle Studium lenken und kontrollieren? In wie weit sollten die Kompetenzen der Studierenden über Daten statt über reale Handlungen dargestellt und gemessen werden? Und in welcher Weise sollte das Wissen über die Spuren und Daten in Lernumgebungen genutzt oder auch eben nicht genutzt werden, um Studierende zu klassifizieren und zu bewerten?
Und letztendlich stelle ich mir auch die Frage: Bedeutet Hochschulbildung zukünftig eine fortschreitende Quantifizierung des studentischen Lernens? Wenn KI zukünftig etabliert ist, könnte die Gefahr bestehen, dass wir uns auf die Assistenzsysteme verlassen, die dann die Bewertung, die Einordnung und auch die Interpretation von Daten übernehmen und unsere eigene Urteilskraft auch als Lehrende, aber auch natürlich als Studierenden ein Stück weit abgeben. Das wäre fatal. Damit verbunden ist natürlich auch die Verantwortung der Entwickler, wie wir in diesen Projekten. Wie weit gehen wir da? Wo sagen wir, ja, da ist die Entscheidungsfähigkeit des Systems gefragt und erwünscht, aber wo sollte sie aufhören oder wo unterstützen? Diese Fragen muss man dabei immer mitdenken. Das System selbst lernt das nicht.
Aber was besonders wichtig ist, was ich noch gar nicht ins Spiel gebracht habe, ist, dass wir die Studierenden ziemlich frühzeitig in die Entwicklung und Gestaltung mit einbeziehen. Dass wir auch fragen: Welche Daten wären Sie bereit abzugeben? Oder wie weit würden Sie sich drauf einlassen?
Tanja Adamus: Es hilft ja nichts, wenn der Recommender etwas empfiehlt und die Studierenden sich nicht dran halten oder das nicht annehmen.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Genau, das muss immer eine Wechselwirkung haben oder angepasst werden.
Tanja Adamus: Es ist ja doch was anderes, ob ein Mensch einem das empfiehlt oder ob ein System einem so was empfiehlt. Es geht ja auch nicht darum, dass das System mir empfiehlt, welches Buch möchten Sie als nächstes kaufen. Das nehme ich noch relativ ungefragt hin, aber es geht jetzt ja schon um persönliche Entscheidungen.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Um individuelle Fähigkeiten, um die Entwicklung der Studierfähigkeit, um wissenschaftliche Fähigkeiten.
Tanja Adamus: Das hat eine viel tiefere Dimension als, wie man es bei Amazon halt kennt, das sind halt die gängigsten Beispiele. Wenn sie dieses Buch gekauft haben, dann mögen sie vielleicht auch das. Das ist ja so ein bisschen „ja komm, passt“. Oder: „Wenn Sie diesen Studienbrief toll fanden, dann interessiert sie vielleicht auch das Modul“.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Deswegen konzentrieren wir uns auf ein Domänenmodell für ein bis zwei Studienbriefe, und wir konzentrieren uns auf ganz bestimmte kognitive Strategien, um das breite Feld so einzugrenzen. Und auch das ist schon eine Herausforderung.
Tanja Adamus: Ja gut, aber die KI braucht halt die Daten.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Die braucht die Daten, sie muss gefüttert werden. Ich habe die Hoffnung, dass wir irgendwann die Früchte ernten und das System oder die Algorithmen uns neue Erkenntnisse über das Hochschulstudium bringen.
Tanja Adamus: Entscheidend ist vermutlich die Datenbasis.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Wir haben viele Daten und insgesamt eine gute Datenbasis, aber bisher war diese nicht für einen Einsatz zur direkten Unterstützung im Studium vorgesehen. Dafür müssen nun erst noch Infrastrukturen eingerichtet werden. Großes Potenzial hat da die Verbindung der Paneldaten mit den ECTS-Monitoring-Daten. Diese beziehen sich ja auf Studienverläufe über alle Fakultäten, über alle Studiengänge hinweg.
Tanja Adamus: Ich bin gespannt.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Ich auch! (lacht)
„Ein konkretes Ergebnis soll sicherlich dieses wissensbasierte Unterstützungssystem im Bachelor- und Masterstudiengang sein.“
Tanja Adamus: Da sind wir eigentlich auch wieder an einer ganz guten Stelle, wieder beim Projekt und beim Blick in die Zukunft. Welche konkreten Ergebnisse erhoffen Sie sich mit dem Projekt zu erreichen?
Prof. Dr. Claudia de Witt: Ja, da wiederhole ich mich jetzt etwas. Ein konkretes Ergebnis soll sicherlich dieses wissensbasierte Unterstützungssystem im Bachelor- und Masterstudiengang sein. Und dass die Studierenden in ihrer Lernorganisation und auch bei der Optimierung ihrer metakognitiven und kognitiven Lernstrategien unterstützt werden. Ein weiteres Ergebnis soll der Einsatz von KI auf der Basis maschinellen Lernens und Educational Data Mining sein, um neue Muster zur Erfolgs- bzw. Misserfolgserkennung über den Studienverlauf eines Studierenden bzw. einer Studierenden und zu seiner bzw. ihrer Selbstregulation zu erhalten.
Und besonders nach Betrachtung der ECTS-Monitoring-Daten finde ich die Schnittstellen zwischen Eingangs- und mittlerer Phase bzw. mittlerer Phase und Abschlussphase im Studienverlauf super interessant. Diese schauen wir uns vielleicht doch ein bisschen zu wenig an. Jetzt wird sehr viel auf die Studieneingangsphase Wert gelegt, aber ich glaube, es steckt auch Potenzial in den Daten gerade in der mittleren Studienphase. Und gleichzeitig wollen wir erforschen, wie die Urteilsfähigkeit der Studierenden im Umgang mit einem KI-gestützten System in Bezug auf den Schutz ihrer persönlichen Daten, ihrer Autonomie und Verantwortung gestärkt werden kann. Schlagworte sind da beispielsweise digital literacy, data literacy – diese sind ja auch in der Digitalisierungsstrategie der FernUniversität mit aufgenommen. Dass die Studierenden auch selbst ein Bewusstsein dafür bekommen. Das sind eigentlich so die drei wesentlichen konkreten Ziele, die wir erreichen möchten.
Tanja Adamus: Ich glaube fast, meine letzte Frage ist quasi auch schon beantwortet. Die wäre gewesen, welche Ergebnisse auch in der Fernlehre eingesetzt werden können, aber es sind ja alles Ergebnisse, die auch in der Fernlehre eingesetzt werden, weil sie an der Fernlehre und deren Daten entwickelt werden.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Genau. Gerade für die Fernlehre wird dieses Initialprojekt der FernUniversität in Hagen und des DFKI umgesetzt. Es liefert sicherlich auch wichtige Forschungsergebnisse im Hinblick auf die Nützlichkeit von KI in der reinen Präsenzlehre. Das glaube ich schon.
Tanja Adamus: Dann bleibt mir zum Abschluss nur noch zu sagen: Vielen Dank Frau de Witt für das spannende Interview.
Prof. Dr. Claudia de Witt: Gerne
Tanja Adamus: Und viel Erfolg mit Ihrem Forschungsprojekt.