In der Reihe „Innovative Lehrprojekte“ stellen wir die Projekte vor, die im Rahmen der Zertifikatsprogramme HD-NRW und E-Teaching-Zertifikat entstanden sind. Dr. Linda Glawe, mittlerweile Juniorprofessorin für Empirische Wirtschaftsforschung an der TU Chemnitz, hat in ihrem Projekt eine neue Lehrveranstaltung zur Software Overleaf konzipiert. Die Software ermöglicht kollaboratives Arbeiten an einer wissenschaftlichen Arbeit mit LaTeX.
Wie bist du auf die Idee zu deinem Projekt gekommen?
Die Idee für mein Projekt entstand aus der Beobachtung, dass Gruppenarbeit eine gängige Lehrmethode ist, jedoch oft nicht optimal didaktisch umgesetzt wird. Insbesondere werden kollaborative Tools, die die Effizienz der Zusammenarbeit signifikant steigern können, in der Regel vernachlässigt oder erst gar nicht vorgestellt. Daher stehen Studierende der Gruppenarbeit teilweise kritisch gegenüber und die Resultate können je nach Zusammensetzung der Gruppe stark variieren.
Mithilfe meines Projekts möchte ich Studierenden die Möglichkeit geben, eines der bekanntesten Tools zum gemeinsamen Erstellen von professionellen wissenschaftlichen Präsentationen – Overleaf – kennenzulernen.
Overleaf ist ein kollaborativer, cloudbasierter LaTeX-Editor, der zum Schreiben, Bearbeiten und Veröffentlichen wissenschaftlicher Dokumente verwendet wird. Es können qualitativ hochwertige und optisch sehr ansprechende Dokumente wie Berichte oder Präsentationen erstellt werden. Die Erstellenden können sich dabei auf inhaltliche Aspekte fokussieren. Fast noch wichtiger ist für mich jedoch, dass Overleaf eine kollaborative Arbeitsumgebung für Präsentationen ermöglicht. Echtzeit-Kommentare und ein integrierter Chat erlauben es den Nutzenden über das Projekt zu diskutieren, ohne zu E-Mail, gedruckten Versionen oder einem anderen Tool wechseln zu müssen.
Obwohl es bereits viele Online-Tutorials zu Overleaf gibt, bestand die Herausforderung darin, die wichtigsten Informationen für Studierende zusammenzufassen und sie in Übungen, interaktive Aktivitäten und Kollaborationsszenarien einzubetten. Gerade das didaktische Potenzial von Overleaf wird bei den meisten Tutorials stark vernachlässigt. Die Zusammenstellung der Informationen und Planung der Aktivitäten erforderten viel Zeit. Eine zusätzliche Motivation zur Durchführung des Projekts war daher, dass zukünftig andere Lehrende das Projekt relativ einfach in ihren Lehrplan integrieren können. Die von mir bereitgestellten Materialien sind vielseitig einsetzbar und in der Regel selbsterklärend, sodass auch Lehrende ohne Vorkenntnisse in Overleaf/LaTeX sie nutzen können. Darüber hinaus bietet das Projekt einen Mehrwert, da es in nahezu allen Lehrgebieten eingesetzt werden kann.
Selbst für Forschende, die keine Lehrtätigkeiten ausüben, kann das Projekt relevant sein, da professionell gestaltete Präsentationen auf Konferenzen und anderen Veranstaltungen einen bleibenden Eindruck hinterlassen und quasi die ‚Visitenkarte‘ eines Forschenden darstellen. Darüber hinaus ermöglicht es Forschenden, in Forschungsprojekten mit verschiedenen Ko-Autor:innen effektiver an Präsentationen zu arbeiten, was die Qualität der wissenschaftlichen Kommunikation und Zusammenarbeit insgesamt verbessern kann.
Welche Überlegungen lagen der Umsetzung des Projekts zugrunde?
Neben meinen eigenen Beobachtungen konnte ich bei der Umsetzung des Projekts das im Zertifikatsprogramm erworbene Wissen erfolgreich einsetzen. Gruppenarbeiten waren nicht nur ein fester Bestandteil der verschiedenen Workshops, sondern es wurde auch häufig diskutiert, warum Gruppenarbeiten scheitern und wie man dies verhindern kann.
In mehreren Kursen des Zertifikatsprogramms wurden die Bloomsche Taxonomie sowie das 5-Stufenmodell nach Gilly Salmon behandelt. Beide Konzepte haben mir wertvolle Orientierungshilfen geliefert, sowohl bei der Planung der Workshop-Struktur als auch bei der Entwicklung verschiedener Aufgabentypen. Wichtig war mir zudem, dass es sich bei dem Projekt nicht um einen einmaligen Workshop handelt, sondern auch andere Lehrende in Zukunft davon profitieren können.
Welche Herausforderungen sind dir während der Planung und der Durchführung begegnet?
Eine der größten Herausforderungen war für mich die Komplexität der Lehrveranstaltung. Eine übersichtliche Strukturierung der Veranstaltung war daher von besonderer Bedeutung. Zu diesem Zweck habe ich ein detailliertes Ablaufschema des Workshops erstellt. In diesem Schema sind die vermittelten Wissenselemente, der Charakter der Lernsequenz, die entsprechenden Übungsaufgaben einschließlich Variationen, die benötigten Overleaf-Templates sowie Anmerkungen aufgeführt. Auch habe ich verschiedene Szenarien im Vorfeld mehrmals überprüft und durchgespielt. In einem „Trial und Error“ Prozess habe ich so mögliche Fallstricke ausgeschlossen und die Organisationsstruktur wenn möglich verschlankt. Ich wollte vermeiden, dass Studierende an gewissen Stellen nicht weiterkommen, sondern auch bei Problemen schnell den Wiedereinstieg finden, ohne die Veranstaltung zu lange aufzuhalten. Da im Rahmen des Workshops gemeinsam an Dokumenten gearbeitet wurde, mussten zudem direkt zu Beginn klare Richtlinien kommuniziert werden. Besonders wichtig war die Abgrenzung der Phasen der Demonstration und des eigenständigen Ausprobierens. Wenn ich als Dozentin etwas in einem gemeinsamen Dokument demonstrieren möchte, dürfen gleichzeitig andere Teilnehmende beispielsweise nicht aus Versehen den Dokumenten-Inhalt löschen.
Die Veranstaltung wurde als Hybridmeeting durchgeführt, was zusätzliche Herausforderungen mit sich brachte, sowohl didaktischer als auch technischer Art. Einige der Teilnehmenden konnten direkt vor Ort zusammenarbeiten und hatten so noch mehr Austauschmöglichkeiten. Beispielsweise gab es eine größere Lerngruppe an der Nagoya-Universität in Japan. Helfende vor Ort bündelten die Fragen der Studierenden und halfen bei technischen Problemen. Aber auch für Teilnehmende, die nur online zugeschaltet waren und nicht einer größeren Lerngruppe angehörten, wurde dafür gesorgt, dass eine aktive Teilnahme am Workshop möglich war. So wurden sie zum Beispiel ermutigt, die Chat-Funktion zu nutzen oder ihren Bildschirm zu teilen, wenn Probleme auftraten.
Eine weitere Herausforderung stellte die Wahl der Zeitzone dar. Die Workshop-Teilnehmenden stammen aus verschiedenen Kontinenten, unter anderem Europa und (Süd-)Ostasien, sodass eine für alle akzeptable Zeit gefunden werden musste.
Die Teilnehmergruppe war insgesamt recht heterogen und setzte sich aus Studierenden, Forschenden, Lehrkräften und vereinzelt auch Mitgliedern von Regierungsorganisationen zusammen, wodurch das Vorwissen variierte. Da ich jedoch Übungsaufgaben in verschiedenen Schwierigkeitsstufen vorbereitet hatte, konnten auch fortgeschrittene Teilnehmende ihr Wissen erweitern.
Wie war die Reaktion der Studierenden?
Die Reaktion der Studierenden war sehr positiv. Dies zeigte auch die im Anschluss an den Workshop durchgeführte Lehrevaluation. Tatsächlich wurde die Veranstaltung aufgrund der großen Nachfrage verlängert, sodass ich noch auf zusätzliche Themen eingehen konnte, die die Studierenden besonders interessierten. Es hat mich gefreut, dass trotz der teilweise nicht optimalen Zeitzone solange eine Motivation aufrechtzuerhalten war; einige Teilnehmende aus Ostasien hatten bereits einen ganzen Arbeitstag hinter sich. Das hat mir noch einmal vor Augen geführt, wie wichtig aktivierende Elemente in der Lehre sind.
Was planst du noch für die Zukunft im Zusammenhang mit dem Projekt?
Ich würde den Workshop gerne in regelmäßigen Abständen wiederholen und auch andere interessierte Lehrende bei der Implementierung des Workshops in ihren Lehrplan unterstützen. Ich spiele auch mit dem Gedanken, eine fortgeschrittene Variante des Workshops für bereits erfahrene Teilnehmende anzubieten.
Bei der Umsetzung des Projekts ist mir auch die Idee gekommen, den Workshop in einen größeren Kontext einzubetten, beispielsweise als Teil eines Kurses zum wissenschaftlichen Arbeiten, der aus mehreren Modulen besteht.