Die erste Jahrestagung des Projektes HD@DH.nrw, einem hochschulübergreifenden Kooperationsprojekt, wurde gemeinsam von der Universität Siegen und der Fachhochschule Aachen ausgerichtet. Das Projekt wird in den nächsten Jahren sukzessive Qualifizierungsangebote entwickeln und die Rahmenbedingungen für eine intensive Netzwerkbildung von Lehrenden und Didiaktiker*innen zum Thema „Lehren mit digitalen Medien“ anbieten. Initiiert wurde das Projekt von einem Konsortium aus 13 Hochschulen in NRW, dem auch die FernUniversität angehört. In einem Legefilm sind die Ziele und die Herangehensweise der HD@DH.nrw anschaulich erklärt.
Die zweitägige Veranstaltung, die in Zoom gehalten wurde, begann mit den Grußworten der beiden Projektleiter Prof. Dr. Michael Bongardt (Universität Siegen) und Prof. Dr.-Ing. Josef Rosenkranz (Fachhochschule Aachen). Beide sprachen davon, mit dem Projekt einen akademischen Paradigmenwechsel einleiten zu wollen. War es doch bislang nicht üblich, mit Kolleg*innen über die Lehre zu sprechen und die eigene Lehre „nach außen zu tragen“, soll dieses fortan durch die HD@DH.nrw angestoßen werden. Es wird abschließend die Behauptung aufgestellt, dass, was in der Forschung selbstverständlich ist, auch in der Lehre funktionieren könnte.
Keynote PD Dr. Markus Deimann
In der Keynote sprach der Bildungswissenschaftler PD Dr. Markus Deimann über „Digitale Bildung und die lernende Hochschule“. Deimann sieht Covid-19 als einen Katalysator, bei dem sich die Hochschulen einer „Zwangsdigitalisierung“ stellen mussten. Obwohl nur die wenigsten Hochschulen (14%) über eine Digitalisierungsstrategie verfügen, ist diese „Herkulesaufgabe“ laut mehreren Studien erstaunlich gut gelaufen. Ob tatsächlich auch ein neuer „Wind of Change“ stattgefunden hat, bezweifelt Deimann. Laut einer Studie der bayrischen Hochschule für angewandte Wissenschaft fehlt den Lehrenden ein reflektiertes Verständnis von digitaler Lehre, das über das reine Umgehen mit E-Learning Tools und dem Übertragen von Präsenz-Vorlesungen in Online-Vorlesungen hinausgeht. Deimann behauptet, dass eine veränderte Haltung der Lehrenden mit innovativen und experimentellen Aktivitäten notwendig ist, um einen vollständigen digitalen Wandel zu vollziehen.
Am Ende des Vortrags wagt Deimann eine Vision der „lernende Hochschule von Morgen“, dessen Impulse er aus dem Buch „Learning Innovation and the Future of Higher Education“ von Joshua Kim und Edward Maloney (2020) entnommen hat. Darin beschreiben die Autoren die Abkehr des globalen Wettbewerbs der Hochschulen hin zu einer kollegialen, sich gegenseitig unterstützenden Hochschullandschaft mit einer Vielzahl an Innovationen, bei der sich die Lehre frei von politischen Zwängen entfalten kann.
Die Folien zu dem Vortrag finden Sie hier.
Teaching in the digital age
Die sich anschließende Workshop-Phase widmete sich dem Weiterbildungsprogramm „Teaching in the digital age“. Bezugnehmend auf den Europäischen Rahmen für die digitale Kompetenz Lehrender (DigiCompEdu) soll bis Mitte nächsten Jahres ein Programm konzipiert werden, an dessen Konzeption und Ausdifferenzierung die Teilnehmenden der fünf Workshops teilhaben durften.
Das e-KOO-Team war in zwei Workshops vertreten. Im Workshop 5, der von Gabi Reichardt und Janina Stemmer moderiert wurde, diskutierten wir über das Thema „Formate in der Weiterbildung“. Auf einem Online-Whiteboard konnten wir Wünsche äußern, wie ein Weiterbildungsangebot aussehen sollte, damit wir daran teilnehmen würden. Nach der Erhebung mit anschließender Diskussion bekamen wir den ersten Entwurf eines neu konzipierten Weiterbildungskonzeptes präsentiert – dem „Digital Teaching Lab“. Wir dürfen gespannt sein, ob und wie dieses umfangreiche Konzept umgesetzt wird.
Parallel waren wir auch in Workshop 2 vertreten, der von Daniel Behnke und Lea Segel angeboten wurde und sich dem Thema „Lernprozesse digital gestalten und unterstützen“ widmete. Aufbauend auf dem Europäischen Referenzrahmen für die digitale Kompetenz von Lehrenden haben die Workshopteilnehmenden dabei an einem digitalen Whiteboard Ideen dazu gesammelt, welche Tools sich für welche Stufen des Referenzrahmens eignen und wodurch Lernende besser in digitalen Lehr-Lernsettings unterstützt werden können. Spannend war, dass neben vielen bekannten Antworten auch Agile Methoden und Design-Thinking genannt wurden – hier scheint sich ein Trend zu bestätigen, den wir in der e-KOO auch schon länger beobachten.
Hangout für Unermüdliche
Von 18:45 Uhr an gab es die Gelegenheit, dass die Teilnehmenden sich in Breakout Rooms treffen konnten oder an diversen Miro-Boards Kommentare und Feedback zu hinterlassen. Der fortgeschrittenen Zeit war es wahrscheinlich geschuldet, dass dort „nur“ noch Personen vom Organisationsteam der HD@DH.nrw anzutreffen waren.
Flying Experts
Der zweite Tag begann mit drei kurzen Inputs von sog. „Flying Experts“, Lehrende, die mit guten Praxisbeispielen aus der digitalen Lehre oder mit dem Einsatz von neuen Tools anderen Lehrenden oder Didaktiker*innen an ihren Erfahrungen teilhaben lassen.
Die erste Expertin, Frau Dr. Barbara Kehler – Hochschuldidaktikerin der Universität Bonn, referierte über einen Selbstlernkurs in Ilias für Lehrende, in dem grundlegende Lehrkompetenzen in den digitalen Raum transferiert wurden. In den Reflexionsprozessen zu diesem Kurs zeigte sich, dass Studierendenzentrierung die Grundlage eines gelingenden Lehr-Lernprozesses ist – unabhängig ob der Prozess im analogen oder digitalen Raum stattfindet.
Prof. Jürgen Schneider stellte mit zwei Studierenden der Fachhochschule Bielefeld cloudbasierte Planspiele in der Onlinelehre vor. Ihr Fazit war, dass Planspiele und Onlinelehre gut zusammenpassen. Die Herausforderungen konnten von beiden Seiten gut gemeistert werden. Für Lehrende war mehr Zeit für die Vorbereitung und für das Coaching notwendig. Die Studierenden profitierten von dem Format, weil neben den inhaltlichen Anforderungen auch viele organisatorische Kompetenzen gefordert waren. Die Lernenden sehen in Zukunft keine Notwendigkeit für eine Zurückverlegung des Planspiels in Präsenzform.
Christian Friedrich stellte das Projekt „Domain of One’s Own“ vor. Als selbstständiger Berater plädiert er dafür, dass Studierende zu Beginn ihres Studiums eine eigene Domaine mit Webspace erhalten, die sie selbst gestalten können. Das Projekt, das ursprünglich an der University of Mary Washington entwickelt wurde, wird jetzt im Rahmen der Förderlinie der HOOU@HAW von Katharina Schulz und Christian Friedrich aufgegriffen und umgesetzt. Mehr Infos unter https://t.co/JYg5IuscrT. Die Idee hinter diesem Projekt ist es, dass Studierende sich im World Wide Web präsentieren und gleichzeitig mit der „Außenwelt“ kommunizieren und kollaborieren können. Den Unterschied zu E-Portfolios sieht Friedrich sowohl in dem Freiheitsgrad der Anwendung als auch in der Möglichkeit der Öffnung der eigenen Domain.
Barcamp
Sieben Sessions wurden angeboten. Auch hier war die e-KOO wieder in zwei Sessions vertreten.
Dr. Magdalena Spaude und Dr. Daniel Otto traten mit der Frage an „Wollen wir offene Bildungsmaterialien (OER) an Hochschulen und wenn ja, wo nehmen wir sie her?“. Statt der üblichen Vorstellungsrunde, wurden in einem „Chat-Gewitter“ die Infos gesammelt, welche Erfahrungen die Teilnehmenden bereits mit OER gemacht hatten. Daniel Otto, der mit dem BMBF Projekt OER.info versucht hat, die Bekanntheit und Nutzung von OERs zu fördern, beklagte, dass die die Entwicklung von OER stark ins Stocken geraten ist. Auf einer virtuellen Pinnwand wurden dazu vier Statements per Audio präsentiert, die von den Teilnehmenden kommentiert werden konnten. Simultan dazu entstand eine Diskussion, in der deutlich wurde, dass es in der Hochschullandschaft noch viele Widerstände gegen OER gibt. Um einen Paradigmenwechsel herbeizuführen, müsse man den Lehrenden die Vorteile von OER darlegen und Strukturen schaffen, die bei der Entwicklung von OER notwendig sind (z.B. Einrichtung von zeitlichen und rechtlichen Ressourcen).
In der von Denise Henssen und Stephanie Schulte-Busch angebotenen Session prägte eine Frage das Programm: „Future Skills: Wie kommt die Förderung der Kreativität in die Hochschullehre?“. Die Teilnehmenden diskutierten hier ihre Erfahrungen mit verschiedenen Methoden und Tools, um Kreativität bei Studierenden zu fördern. Ein besonderer Fokus lag dabei auf den MINT-Fächern, in denen Studierende häufig die Meinung vertreten, dass Kreativität etwas sei, dass mit ihrer Fachkultur und den Anforderungen ihrer späteren Berufswelten nichts zu tun haben. Der erste Schritt besteht hier darin, sie vom Gegenteil zu überzeugen. Übereinstimmend berichteten mehrere Teilnehmer*innen von den positiven Erfahrungen, die sie mit interdisziplinär zusammengesetzten Gruppen in diesem Kontext gemacht haben. Zwar braucht es zu Beginn meist etwas Zeit, bis sich bspw. Ingenieur*innen und Sozialarbeiter*innen auf eine gemeinsame Arbeitsgrundlage verständigt hätten – danach profitieren aber alle von den unterschiedlichen Perspektiven und die Rückmeldungen sind fast immer sehr positiv. Sicher ein Ansatz, über den wir an der FernUniversität auch einmal nachdenken sollten.
Community of Practice (COP)
Neben den zwei Säulen „Weiterbildung“ und „Flying Experts“ ist der Aufbau und die Pflege einer COP zentrales Anliegen der HD@DH.nrw. In diesem Programmteil konnte dazu der erste Grundstein gelegt werden. Auf dem Landesportal ORCA.nrw wird für die gemeinsame Kommunikation und Kooperation zukünftig ein Community-Tool bereitgestellt werden.
Der letzte Programmpunkt bestand aus einem intensiven Austausch der Teilnehmenden in unterschiedlichen Breakout-Rooms. Dabei standen Themen wie „Wofür interessiere ich mich in der digitalen Welt am meisten?“, „Meine Erfahrungen für die digitale Mülltonne“, „Was muss eine Community of Practice (COP) leisten?“, Was muss passieren, damit ich nicht Teil der COP bin?“ oder „Zu welchen Fragen in der digitalen Welt suche ich Austausch?“ im Fokus der Diskussionen.
Fazit
Die erste Tagung der HD@DH.nrw wurde vorrangig dazu genutzt, das aus drei Säulen bestehende Projekt vorzustellen und sich Ideen und Anregungen für die bevorstehenden Qualifizierungen und Kollaborationen zu holen. Dabei kamen unterschiedliche Methoden und digitale Tools (z.B. Miro, Padlet, Wonder, Mentimeter) zum Einsatz. Uns fehlte etwas die Einbettung in den Gesamtkontext der Digitalisierungsoffensive wie beispielsweise die Berücksichtigung des „Schwesterprojektes“ ORCA.nrw.
Sehr schade fanden wir auch, den digitalen Weihnachtsmarkt verpasst zu haben. In einer Barcamp-Session lockten die Moderator*innen mit der Plattform wonder.me, auf der man mit seinem Avatar die Stände eines virtuellen Weihnachtsmarktes besuchen und zu vorgegebenen Themen mit anderen Personen ins Gespräch kommen konnte. Als wir den Weihnachtsmarkt nach der Veranstaltung besuchten, waren leider keine Personen mehr anzutreffen.
Virtueller Weihnachtsmarkt auf der HD@DH.nrw Tagung (Screenshot FernUniversität)