Eine gute Methode für die kontinuierliche Aktivierung von Studierenden während eines längeren Zeitraums stellen E-Portfolios dar. Dabei handelt es sich um eine digitale Sammlung von „Artefakten“, d.h. allen von einem*r Studierenden geschaffenen Texten, Bildern, Videos, Audios, Plänen, Kunstwerken, allgemein allen Werken, die die persönlichen Leistungen während eines Moduls, des ganzen Studiums oder sogar darüber hinaus. Dieses persönliche Portfolio wird häufig durch den Lebenslauf, ein Lerntagebuch, Notizen und Entwürfe sowie Kommunikations- und Feedbackmöglichkeiten ergänzt.
E-Portfolios bieten sowohl Studierenden als auch Lehrenden einige Vorteile. Studierende können ihre Lernprozesse planen, strukturieren und dokumentieren. Sie erhalten dadurch einen besseren Überblick darüber, was sie schon geleistet haben und was sie noch tun müssen. Lehrende können durch gute Aufgabenstellungen die Anforderungen an Studierende auf einen längeren Zeitraum ausdehnen. Die Aufgaben sind dabei weniger umfangreich und können variabler gestaltet werden. Darüber hinaus wird die Belastung durch Korrekturen verteilt, statt sich durch eine Vielzahl von Klausuren oder Hausarbeiten aufzustauen.
Einteilung von E-Portfolios nach Baumgartner
Peter Baumgartner hat eine Taxonomie von E-Portfolios erstellt, die in der folgenden Grafik zusammengefasst wird.
In seiner Taxonomie unterscheidet er zwischen drei Portfoliogrundtypen, die jeweils einer Person oder einer Organisation zugeordnet werden und entweder produkt- oder prozessorientiert sind.
Die drei Grundtypen ordnen sich nach dem vorrangigen Ziel des Portfolios: der Reflexion, der Entwicklung oder der Präsentation. Die Unterscheidung bei der Zuordnung bedeutet bei Reflexionsportfolios die Einteilung in Lernportfolios und Beurteilungsportfolio. Lernportfolios geben den Lernenden die Möglichkeit, über ihr Lernen zu reflektieren und die Ergebnisse für sich selbst zu sammeln, verfolgen also einen persönlichen Ansatz. Beurteilungsportfolios bewerten einen Lernprozess oder dessen Ergebnisse und sind deshalb institutionalisiert. Sie können formativ oder summativ eingesetzt werden.
Analog unterscheidet Baumgartner bei den Entwicklungsportfolios zwischen persönlichen und institutionalisierten, die ebenfalls jeweils produkt- oder prozessorientiert sind. Hier geht es vor allem darum, im beruflichen Bereich Qualifikationen und Kompetenzen zu lokalisieren und zu erweitern.
Bei den Präsentationsportfolios geht es in erster Linie darum, Werbung für sich selbst oder für eine Firma zu machen. Der Begriff des Portfolios wird im Bereich des Grafik Designs genau in dieser Bedeutung benutzt.
Häufig vermischen sich die einzelnen Portfoliotypen und zeigen Merkmale mehrerer dieser Arten. So wird ein Assessmentportfolio in manchen Fällen sicherlich auch als Selbstvermarktungsportfolio einsetzbar sein, da eine persönliche Komponente immer enthalten ist.
E-Portfolios für die Hochschullehre
Aus Sicht der Hochschullehre sind vor allem vier Portfoliotypen aus Baumgartners Unterscheidung interessant:
- In einem Lernportfolio können die Lernenden ihren Lernprozess reflektieren. Da diese Art des Portfolios normalerweise nicht bewertet wird, stehen die Studierenden hier nicht unter Druck. Allerdings birgt dies auch die Gefahr, dass das Lernportfolio sehr schnell nicht mehr weitergeführt wird, da es einen zusätzlichen Arbeitsaufwand bedeutet.
- Beurteilungsportfolios sind dazu geeignet, die Bewertungslast auf mehrere Anteile zu verteilen. Hier können sowohl die einzelnen Produkte der Lernenden als auch das Portfolio in seiner Gesamtheit bewertet werden. Wie eine solche Bewertung aussehen kann, habe ich ja bereits angesprochen.
- Entwicklungsportfolios bieten den Studierenden die Möglichkeit, eine Übersicht über die bereits erlernten und noch fehlenden Inhalte und Kompetenzen zu erlangen und diese in einer eigenen für sie sinnvollen Struktur zu ordnen. Dieser Portfoliotyp kann ihnen helfen im Studium den Überblick zu behalten.
- Präsentationsportfolios können auch den Fachgebieten helfen. Hier könnten Lehrende die Produkte ihrer Studierenden sammeln und so verdeutlichen, welche Kompetenzen und Fähigkeiten im Studium vermittelt werden.
Bewertung von E-Portfolios
Studierende benötigen einen klaren Rahmen für die Arbeit an E-Portfolios, da hier nicht eine einzige Lösung am Ende steht, sondern individuelle Lösungen. Dies gilt vor allem, wenn die Werkzeuge für Prüfungsleistungen benutzt werden sollen. Das wiederum ist meistens notwendig, da die Motivation für freiwillige Leistungen bei den Studierenden häufig sehr gering ist. Lehrende sollten sich allerdings erkundigen, ob Blogs und E-Portfolios in den Studien- und Prüfungsordnungen als Prüfungsleistungen vorgesehen sind.
Daher sollten Lehrende klare Vorgaben bezüglich der folgenden Aspekte aufstellen (vgl. Himpsl-Gutermann (2012)):
- Allgemeine Aufgabenstellung
Den Studierenden soll transparent gemacht werden, wozu die Werkzeuge, die sie benutzen sollen, gut sind und welche Vorteile sie von deren Einsatz haben. - Spezifische Aufgabenstellungen
Einzelne Aufgaben sowohl obligatorischer als auch optionaler Art strukturieren die Inhalte, die die Studierenden erstellen sollen und bieten gleichzeitig Möglichkeiten der Einzelbewertung für den Inhalt und die Ausführung. - Bewertungskriterien Einzelaufgaben
Welche Kriterien legen die Lehrenden für die Bewertung der einzelnen Produkte an? Dazu muss berücksichtigt werden, dass die Produkte sehr unterschiedlicher Natur sein können und die Kriterien dementsprechend angepasst werden. Texte unterliegen anderen Kriterien als Videos. - Bewertungskriterien Gesamtprodukt
Das Gesamtprodukt kann nach folgenden Kriterien bewertet werden:- Intensität – Authentizität – Reflexivität
Die Studierenden sollen für diesen Bereich beweisen, dass sie die Verknüpfungen der einzelnen Produkte sowie die Wichtigkeit der Produkte verstanden haben. Der Fokus in diesem Bereich liegt auf dem Lernprozess. - Dokumentation der Kompetenznachweise
In diesem Bereich, der vor allem für E-Portfolios eine Rolle spielt, wird die Vollständigkeit der Produkte bewertet, die die Studierenden in einer Lehrveranstaltung erstellt haben. - Ästhetik – Multimediale Aufbereitung – Kreativität
Da ein Blog oder ein E-Portfolio eine Website ist, die sich von einem Papierportfolio grundsätzlich durch die vielfältigen multimedialen Möglichkeiten unterscheidet, sollte auch dieser Bereich in die Bewertung einfließen.
- Intensität – Authentizität – Reflexivität
Beispiele für E-Portfolio-Arbeit in Hochschulen
- In der Fakultät KSW wird die Software Mahara für die E-Portfolio-Arbeit in den Studiengängen B.A. Bildungswissenschaft und M.A. Bildung und Medien: eEducation eingesetzt. In beiden Studiengängen sollen Studierende die unterschiedlichen Produkte, die sie während des Studiums erstellen, in einem E-Portfolio sammeln. Während dies im B.A. noch freiwillig ist, werden sie im M.A. konsequenter geführt. In beiden Studiengängen sind sie jedoch keine Prüfungsleistung.
- Im Portal e-teaching.org zeigt ein Erfahrungsbericht von der Ruhr-Universität in Bochum, wie E-Portfolios in der Literaturwissenschaft auch in Großgruppen eingesetzt werden. Dabei werden sowohl die Sicht des Dozierenden als auch die eines Seminarteilnehmers geschildert.
- Im Buch „Schaufenster des Lernens – Eine Sammlung von Mustern zur Arbeit mit E-Portfolios“ versammeln Reinhard Bauer und Peter Baumgartner Handlungsmuster für die E-Portfolio-Arbeit. Dabei handelt es sich Musterbeschreibung, die didaktische Problemstellungen und die potentielle Lösungen durch E-Portfolios skizzieren. Drei dieser Musterbeschreibungen können frei auf der Website von Peter Baumgartner heruntergeladen werden.
Fazit
Ich habe selbst als Lehrender zusammen mit Kolleg*innen an der Philipps-Universität Marburg Erfahrungen mit der E-Portfolio-Arbeit im Lehramtsstudiengang Englisch gesammelt. Die Studierenden haben dieses Format größtenteils dankbar aufgenommen, da die Aufgaben sehr unterschiedlich waren und sich als abwechslungsreich herausstellten. Teilweise waren sie sogar stolz auf das Gesamtergebnis, das ihren Lernfortschritt am Ende sehr deutlich machte. Ich kann mir vorstellen, dass E-Portfolios als Verdeutlichung dessen, was Studierende in ihrem Studium geleistet haben, auch danach bei Bewerbungen hilfreich sein können. Zur Dokumentation von Projekten im Studium sind sie darüber hinaus auch geeignet.
Literatur und Links
- Bauer, R., & Baumgartner, P. (2012). Schaufenster des Lernens. Waxmann Verlag.
- Baumgartner, P. (2008). Eine Taxonomie für E-Portfolios-Teil II des BMWF-Abschlussberichts “E-Portfolio an Hochschulen”: GZ 51.700. 0064-VII/10/2006.
- Czerwionka, Thomas / Knutzen, Sönke (2010). E-Portfolios als Reflexions- und Präsentationsraum. Didaktische Konzeption und Erprobung eines hochschulweiten E-Portfoliosystems an der TUHH. http://www.e-teaching.org/praxis/erfahrungsberichte/eportfolios.
- Czerwionka, Thomas / De Witt, Claudia (Hrsg.) (2009). Neue Medien und individuelle Leistungsdarstellung – Möglichkeiten und Grenzen von ePortfolios und eAssessments. Medienpädagogik – Zeitschrift für Theorie und Praxis der Medienbildung, Ausgabe 18. http://bit.ly/aPDDt2
- Himpsl-Gutermann, K. (2012). E-Portfolios in der universitären Weiterbildung. Studierende im Spannungsfeld von Reflexivem Lernen und Digital Career Identity. Boizenburg: Verlag Werner Hülsbusch, 262.
- Van Treeck, T., Himpsl-Gutermann, K., & Robes, J. (2013). Offene und partizipative Lernkonzepte-E-Portfolios, MOOCs und Flipped Classrooms. Lehrbuch für Lernen und Lehren mit Technologien.
- Beitrag „E-Portfolios“ bei e-teaching.org
- E-Portfolios in der Lehre auf den Info-Seiten Digitales Lernen und Lehren der Georg-August-Universität Göttingen
- Video „Der Begriff E-Portfolio“ mit Sandra Schön
Hinweis: Der Text zu diesem Beitrag ist teilweise meinem Video zu „Didaktischen Einsatzszenarien für Blogs und E-Portfolios“ entnommen.
Danke für die kurze und prägnante Erläuterung des Portfoliobegriffs. Obwohl ich schon in verschiedenen Arbeitsbereichen mit Portfolios zu tun hatte, war die Bedeutung und der Anspruch an ein Portfolio nie so klar formuliert. Mit Hilfe der oben beschriebenen Typen, kann ich jetzt eine Zuordnung vornehmen und habe auch verschiedene Beispiele finden können.