von David Lakotta und Moritz ter Meer
Das Team der FernUniversität konzipiert und entwickelt für den NeLe-Campus federführend Inhalte zum Themenkomplex Zukunftskompetenzen und ihrer Bedeutung für den Schulbereich. Die Fragen, die in diesem Kontext über allem schweben: Wie lassen sich Kompetenzen für eine unbekannte Zukunft im Hier und Jetzt fördern? Welche Kompetenzen werden für diese unbekannte Zukunft benötigt? Und welche Personen werden davon überhaupt angesprochen?
But first things first: Was sind Future Skills?
Die Diskussion um Zukunftskompetenzen reicht weit zurück. Nicht erst seit dem Launch von ChatGPT oder anderen KIs wird die Zukunftsfähigkeit von Lernenden und Lehrenden breit diskutiert. Der Begriff Zukunftskompetenzen ist insofern irreführend, als dass dieser nicht nur Kompetenzen für die Zukunft beschreibt, sondern auch im Hier und Jetzt Wirkmacht entfaltet. Es geht also vielmehr um Kompetenzen, Fähigkeiten oder Skills, die es heute zu fördern gilt, um im Morgen handlungsfähig zu sein.
Im deutschsprachigen Raum sprach Dieter Mertens bereits 1974 von sogenannten Schlüsselkompetenzen (Mertens 1974, 36). Als Schlüsselkompetenzen werden solche Kompetenzen verstanden, die dazu beitragen können, sich jeweils spezifisches und wechselndes „SpezialWissen“ anzueignen (ebd.). Schlüsselkompetenzen dienen also der zukünftigen Handlungs-, Adaptions- und Transformationsfähigkeit der Lernenden.
In aktuellen Diskursen wird der Fokus verstärkt auf die Zukunftsfähigkeit von Handlungsoptionen und -repertoires gelegt, was sich auch in der Benennung widerspiegelt. Nun wird vor allem von Zukunftskompetenzen oder Future Skills gesprochen (vgl. z.B. Ehlers 2022 oder Stifterverband 2021). Die Bedeutung dieser Kompetenzen ist, je nach Akzentuierung und Verortung des Referenzmodells, vom jeweiligen Kontext abhängig. So betrachtet beispielsweise die Europäische Kommission mit ihrem DigComp 2.2 digitalisierungsbezogene Kompetenzen als zentrales Element für zukünftige Handlungsfähigkeit. Dem gegenüber stehen beispielsweise die 17 Future Skills Profile von Ulf-Daniel Ehlers (Ehlers 2022). In diesem Modell sind digitalisierungsbezogene Kompetenzen lediglich eine Bezugskompetenz größerer Kompetenzcluster oder -profile.
Und welches Modell nutzen wir für die Zukunftskompetenzen auf NeLe?
Für die Erstellung von Inhalten zum Themenkomplex Zukunftskompetenzen bedarf es zunächst einer Verortung und theoretischen Rahmung. Zweifellos sind bei einer digitalen Fort- und Weiterbildungsplattform, wie sie der NeLe-Campus darstellt, digitalisierungsbezogene Kompetenzen nicht unwichtig. Doch sind diese auch die entscheidenden Kompetenzen für eine zukünftige Handlungsfähigkeit? Eine bloße Fokussierung auf digitalisierungsbezogene Kompetenzen reduziert und verengt die zukünftigen Handlungsoptionen. Nicht alles wird entweder digital stattfinden oder einen eindeutigen digitalen Kontext haben. Insofern lohnt es sich, den Blick zu weiten und umfassendere – lerntheoretische – Modelle zum Komplex Zukunftskompetenzen zu betrachten. Gleichzeitig müssen diese Modelle spezifisch genug sein, um Aspekte des New Learning zu integrieren. Außerdem müssen sie auch offen genug sein, um einem breiten Kompetenzverständnis Rechnung zu tragen. Bei diesen Überlegungen ist das folgende Modell herausgekommen:
Der OECD Lernkompass dient als übergeordneter Orientierungsrahmen. Der Lernkompass betrachtet (schulisches) Lernen und (schulische) Bildung auf einer ganzheitlichen Ebene. Wissens- und Kompetenzerwerb werden zusammengedacht, um den Lernenden eine umfassende Entwicklung zu ermöglichen. Insbesondere der Fokus auf der Herausbildung von (Student-/Co-) Agency, also der Gestaltungs- und Handlungskompetenz, ermöglicht eine konsequente Lernendenzentrierung. Das Erleben von Selbstwirksamkeit ist dabei fundamental. Lernende werden als Gestalter*innen ihrer Lernerfahrung betrachtet und sollen demgemäß auch Gestalter*innen ihrer eigenen und der gesellschaftlichen Zukunft werden (Well-Being). Ebenso wird hierbei das Umfeld des Lernens betrachtet. Gleichaltrige, Lehrkräfte, Erziehungsberechtigte und sonstige Bezugspersonen können Lernende bei der Entwicklung der eigenen Agency unterstützen (Co-Agency).
Auf der mittleren Ebene sind die Future Skills Profile (Ehlers 2022) zu finden. Diese wurden insbesondere für den hochschulischen Kontext entwickelt, sie sind lerntheoretisch begründet und ermöglichen das Clustern unterschiedlicher Kompetenzen. Dabei werden diverse Bezugskompetenzen mit diesen Kompetenzprofilen verknüpft und somit ein Netzwerk an Kompetenzen entwickelt. Dies bietet die Möglichkeit zu Selbstverortung, sowie Individualisierung bzw. Profilierung eigener Kompetenzen.
Auf der untersten Ebene findet sich das 4K Modell der Lernens. Dieses Modell ist im (hoch-)schulischen Kontext bereits weit verbreitet, findet sich beispielsweise in Ansätzen wie dem Deeper Learning (Sliwka und Klopsch 2022) und ist durch die Reduktion auf vier Kernkompetenzen übergreifend anschlussfähig sowie praxisorientiert. Die 4K stehen hierbei für die Kompetenzen Kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität, welche in Lehr-Lern-Settings integriert und gefördert werden können. Die 4K finden sich auch in den Modellen der Future Skills Profile und dem OECD Lernkompass wieder.
Doch wie lässt sich die Theorie nun in die Praxis übertragen?
Bereits im Vorfeld des Präsenztreffens in Hagen fand innerhalb des Konsortiums ein erster Online-Workshop zum Thema Zukunftskompetenzen statt. Um die Anzahl der möglichen Zukunftsszenarien reduzieren und eingrenzen zu können, wurden im Rahmen dieses Online-Workshops Future Trends im Kontext Schule identifiziert. Anzumerken ist, dass es sich hierbei um keine abschließende Darstellung handelt und Future Trends von Kontext zu Kontext variieren können. Future Trends sind „Lawinen in Zeitlupe“ (Zukunftsinstitut 2023). Sie entwickeln sich nur langsam, haben jedoch einen wirkmächtigen Einfluss auf Gesellschaft, Institutionen und Einzelpersonen. Sie verändern unser aller miteinander.
Auch im Ökosystem Schule lassen sich große Trendlinien identifizieren, die das gemeinsame Lehren und Lernen nachhaltig verändern werden. Zukunftstrends in der Schule können beispielsweise die Digitalisierung, veränderte Rollenbilder von Lehrkräften und Schüler*innen, aber auch eine zunehmende Kompetenzorientierung sein (siehe Abbildung 2).
Wir haben nun also eine (zukunftsgerichtete) lerntheoretische Rahmung und erste Zukunftstrends identifiziert, die unseren Zielbereich beeinflussen. Bleibt nun also die Frage danach, wie sich mögliche Maßnahmen an eine diverse Zielgruppe ausrichten lassen?
Eine derart diverse Zielgruppe wie sie im Ökosystem Schule zu finden ist, ist nicht leicht zu definieren oder zu adressieren. Im Schulbereich finden sich verschiedenste Professionen, Personen, Kenntnisstände, Motivationen etc., die es alle für ein abstraktes Thema wie Zukunftskompetenzen zu begeistern gilt. Um unsere Maßnahmen zielgruppengerecht und vor allem passgenau entwickeln zu können, muss also eine weitere Komplexitätsreduktion stattfinden.
Hierzu eignet sich das Arbeiten mit Personas, welche insbesondere im Design Thinking genutzt werden. Die Arbeit mit Personas ermöglicht das Verengen einer großen, unübersichtlichen Zielgruppe auf eine*n einzelne*n, fiktive*n Repräsentant*in dieser Zielgruppe. Die Persona wird hierbei mit ihren Bedürfnissen, Problemen, Kenntnissen, Motivationen etc. dargestellt. Nicht fehlen darf in diesem Kontext der Name, das Alter sowie ein typischer Satz oder ein Motto, um die Persona weiter zu beschreiben und lebendiger werden zu lassen. Gesammelt wird all dies auf einer sogenannten Empathy-Map (s. Abbildung 3).
Im Rahmen des Präsenzworkshops in Hagen wurden in einem ersten Schritt drei Personas entwickelt. Diese grundlegenden Personas sind allerdings nicht ausreichend, um Inhalte und Maßnahmen zum Thema Zukunftskompetenzen ableiten zu können. Es fehlt noch die Verbindung zwischen Zukunftstrends und den Personas.
Wir benötigen Future Personas.
Um nun die Verknüpfung zwischen Gegenwart und Zukunft herstellen zu können, bedarf es einer Erweiterung der Personas: „Future Personas“.
Die Methode der Future Personas verknüpft die zuvor erarbeiteten Zukunftstrends mit den vorhandenen Personas. Hierdurch lassen sich Auswirkungen der Trends im Hier und Jetzt, sowie in der Zukunft verdeutlichen. Darüber hinaus bietet sich so die Möglichkeit einige Kompetenzbereiche innerhalb der zu entwickelnden Inhalte zu priorisieren oder aufzudecken. Insofern lassen sich spezifischere Maßnahmen für unsere Lehr-Lern-Inhalte ableiten.
Bei der Weiterentwicklung der vorhandenen Personas zu Future Personas standen vier Fragekategorien im Zentrum, die auf einer sogenannten Empathy-Map (Abbildung 4) gesammelt wurden:
- Treiber: Welche 3 Schultrends sind für die Persona am interessantesten? Worauf setzt die Persona?
- Heutige Auswirkungen: Welche Auswirkungen bzw. welchen Einfluss haben diese Schultrends derzeit auf das Leben der Persona?
- Zukünftiges Szenario: Wie könnten diese Schultrends das Leben (Handlungsmotive und Bedürfnisse) der Persona in Zukunft verändern?
- Zukünftige Bedürfnisse: Welche hypothetischen Bedürfnisse hat die Persona in dem spezifischen Szenario?
Im Rahmen des Workshops sind, wie bereits erwähnt, drei Future Personas herausgekommen, die es uns nun ermöglichen, die Inhalte zum Thema Zukunftskompetenzen zielgruppenspezifischer zu entwickeln und auf dem NeLe-Campus zu integrieren.
Persönliches | Reinhold Käferle | Wahrnehmung | Hören & Sehen |
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Reflexion | Denken | Aktion | Sagen & Handeln |
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1. Treiber | 2. Heutige Auswirkungen |
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3. Zukünftiges Szenario | 4. Zukünftige Bedürfnisse |
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Tabelle 1: Future Persona
Literaturverzeichnis
Ehlers, Ulf-Daniel (2022): Future Skills im Vergleich.
Mertens, Dieter (1974): Schlüsselqualifikationen. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (MittAB) 7 (1), S. 36–43.
Sliwka, Anne; Klopsch, Britta (2022): Deeper Learning in der Schule. Pädagogik des digitalen Zeitalters. 1. Auflage. Weinheim: Julius Beltz GmbH & Co. KG. Online verfügbar unter http://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:31-epflicht-2011042.