„Wir profitieren vom kulturellen Austausch“

Die FernUniversität intensiviert ihre Zusammenarbeit mit der University of Namibia Schritt für Schritt. Jetzt brachten sich FernUni-Psychologen auf dem Campus in Windhoek ein.


Mann im Hörsaal vor Studierenden Foto: Lehrgebiet Sozialpsychologie
Juma Kalyegira (am Pult) klärte in einer Vorlesung mit rund 40 Studierenden über berufliche Perspektiven auf, die der Master in Psychologie bietet.

Die FernUniversität in Hagen und die University of Namibia (UNAM) sind globale Partnerinnen. Ein gegenseitiges „Memorandum of Understanding“ zeugt seit 2023 von der Kooperationsbereitschaft beider Unis. Die strategische Annäherung zeigt bereits konkrete Früchte: Von Hagener Seite arbeiten die Fakultät für Psychologie, das Historische Institut sowie die Fakultät für Mathematik und Informatik mit der UNAM zusammen. Nun reisten zwei Forscher aus dem Lehrgebiet Sozialpsychologie (Prof. Dr. Stefan Stürmer) nach Windhoek, um die Arbeit mit den namibischen Studierenden und Lehrkräften weiter zu vertiefen. Dabei ging es ohne Umschweife in den Wissenstransfer: Dr. Juma Kalyegira erklärte in einer Vorlesung, welche Berufsperspektiven sich für Menschen mit einem Studienabschluss der Psychologie, zum Beispiel von der FernUniversität, bieten. Dr. Jan-Bennet Voltmer führte mit seinen wissenschaftlichen Kolleg:innen der UNAM einen Workshop zu statistischer Software durch.

Gewinn für Studierende und Personal

„Unser Besuch hat gezeigt, dass wir eine dauerhafte Zusammenarbeit brauchen, die den Erfahrungsaustausch noch weiter stärkt – sowohl in Bezug auf die Studierenden als auch auf die Lehrkräfte“, urteilt Juma Kalyegira. Strukturell gibt es klare Anknüpfungspunkte. So setzt die afrikanische Uni mit ihren rund 30.000 Studierenden zum Beispiel auch auf ortsunabhängige Online-Lehrformate, ist mit einem Hauptsitz in Windhoek und zwölf regionalen Campusstandorten vergleichbar organisiert. Kalyegira selbst stammt aus Uganda und bringt damit neben seiner fachlichen Expertise wertvolles interkulturelles Wissen mit, das dem gegenseitigen Verständnis zugutekommt. Seine Prognose bleibt klar: „FernUniversität und UNAM können bei vielem an einem Strang ziehen – angefangen bei der Schulung wichtiger Forschungskompetenzen über den Zugang zu wissenschaftlicher Literatur bis hin zur Nutzung von Lizenzen.“

„Im Kontakt mit den Menschen habe ich schnell gemerkt: Bildung ist in Namibia ein hohes Gut“, berichtet Jan-Bennet Voltmer. „Und als FernUni können wir den Studierenden der UNAM weitere Bildungsangebote machen.“ Die Rahmenbedingungen dafür sind nicht nur aus technischer Sicht günstig: Zwischen Namibia und Mitteleuropa besteht kaum eine Zeitverschiebung. „Damit sind die Studierenden aus Namibia relativ leicht in der Lage, synchron an unseren Online-Veranstaltungen teilnehmen.“ Zudem sind Englisch und Deutsch als Sprache noch immer im ganzen Land verbreitet – letzteres eine Folge der deutschen Kolonialherrschaft von 1884 bis 1915. „In unserem neu akkreditierten Wirtschaftspsychologie-Master bieten wir aber auch englischsprachige Kurse an“, betont der Psychologe.

Skyline von Lüderitz, nahe am Meer Foto: Marco Bottigelli/Moment/Getty Images
Vor allem die Gegend um die Stadt Lüderitz ist bekannt für besonders starken Wind – und damit prädestiniert für die Gewinnung grünen Stroms.

Segel setzen in Richtung Nachhaltigkeit

Ohnehin könnte das neue wirtschaftspsychologische Angebot, in dessen Curriculum auch viele nachhaltige Themen verankert sind, eine wichtige Perspektive für Namibia bieten. Der Staat befindet sich im ökonomischen Umschwung, richtungsweisende politische Entscheidungen stehen an: Da es Sonne und Wind im Überfluss gibt, drängt sich der Standort geradezu für die Produktion von nachhaltigem Strom auf. „Es gibt in Namibia ein großes Projekt für die Erzeugung von grünem Wasserstoff.“ Gleichzeitig ist das Land als großer Exporteur von Uran bekannt. Zudem wurden vor der namibischen Küste unlängst neue Ölvorkommen entdeckt.

„In Namibia gibt es einen starken Fokus der Studierenden auf die klinische Psychologie, also Beratung und Therapie. Angesichts der anstehenden Weichenstellungen besteht aber auch ein zunehmender Bedarf an umweltpsychologisch ausgebildeten Fachkräften.“ Ein spannendes Entwicklungsfeld: „Wir können sehr von dem kulturellen Austausch, von der namibischen Perspektive profitieren“, so Voltmer. Mit Blick auf aktuelle Dynamiken im Land sei es auch wichtig, sich mit der Verantwortung auseinanderzusetzen, die aus der gewaltsamen Kolonialherrschaft erwachse. Generell begrüßt er die Chance über den Tellerrand zu sehen: „Für unsere Fernstudierenden ist es daher aus vielen Gründen ein Gewinn, mit Namibia in Kontakt zu treten.“

Mann erklärt sitzenden Menschen an Seminartischen etwas Foto: Lehrgebiet Sozialpsychologie
Jan-Bennet Voltmer (li.) teilte mit den Kolleg:innen von der UNAM sein praktisches Wissen über Statistik-Programme.

Bande weiter festigen

Viele Punkte will die FernUniversität in Zukunft noch weiter ausbauen. „Wir möchten uns noch regelmäßiger mit unseren Projektpartner:innen austauschen“, betont Voltmer. Dabei sollen nicht nur die wissenschaftlichen Bereiche, sondern auch die Verwaltungen bewusst einbezogen werden. Auf die Psychologie bezogen haben Prof. Stefan Stürmer und sein Team schon dezidierte Pläne: „Wir wünschen uns, dass Studierende aus Namibia nicht nur aus der Ferne an unseren Modulen teilnehmen, sondern uns auch bei speziellen Studienwochen besuchen können.“ Für die Übernahme zum Beispiel von Reisekosten sucht die FernUni nach Finanzierungsmöglichkeiten. Auch beim empirisch experimentellen Praktikum, das fest zum psychologischen Curriculum in Hagen gehört, sollen die Studierenden aus Afrika bald mitmachen können – Teamwork sehr erwünscht: „Dort lernen sie, wie man psychologische Forschung macht, hier lernt man, wie man psychologische Forschung macht. Es gibt kulturelle Unterschiede, von denen wir lernen können. Aber klar ist: Alle haben eine hohe Fachkompetenz.“

 

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Benedikt Reuse | 20.06.2024