Wie Daten Diskriminierungen zeigen

Gender-Gastprofessorin Andrea Herrmann wird in ihrem halbjährigen Zwischenspiel an der FernUniversität in Forschung und Lehre Genderthemen mit Data-Science-Methoden erarbeiten.


Foto: Stanislaw Pytel/stone/Getty Images

Wenn wir eine typische Informatik-Konferenz besuchen, was sehen wir da? Männer. Männer in den Komitees und Männer, die vortragen. Natürlich gibt es auch Frauen. „Aber die Männer sind klar in der Überzahl. Der Frauenanteil auf Informatik-Konferenzen ist noch einmal deutlich geringer als der Anteil an Programmiererinnen, den es eigentlich gibt“, sagt Prof. Dr. Andrea Herrmann. Die Informatikerin ist seit Mitte Dezember als Gender-Gastprofessorin im Lehrgebiet Data Science von Prof. Dr. Christian Beecks. In ihrem halbjährigen Zwischenspiel an der FernUniversität wird sie in Forschung und Lehre Genderthemen mit Data-Science-Methoden erarbeiten.

Gender-Gastprofessuren

Um die Sichtbarkeit von Gender Studies an der FernUniversität zu steigern und um Forschende miteinander zu vernetzen, werden aus den Mitteln des Gleichstellungskonzepts rotierende Gastprofessuren in allen Fakultäten finanziert.

Mehr zu den Gender-Gastprofessuren

Wissenschaftlerin mit Praxiserfahrung

Von Haus aus ist Andrea Herrmann Physikerin. „Hätte es zu meiner Zeit allerdings schon den Studiengang Data Science gegeben, hätte ich ihn studiert“, sagt sie über sich selbst. Schon während ihres Studiums und während ihrer Doktorarbeit hat sie viel mit Computersimulationen gearbeitet. Im Anschluss an ihre Promotion ist sie dann als Beraterin im Bereich Informatik in die freie Wirtschaft gegangen. Nach einigen Jahren wollte sie zurück in die Wissenschaft und hat sich in Informatik habilitiert. „Die Praxiserfahrung, die ich in der Wirtschaft gesammelt habe, sind jedoch der Hintergrund für meine Forschung und Lehre geblieben.“

Ihre Themenschwerpunkte sind Software Engineering und Requirements Engineering. Sie arbeitet aber auch empirisch und schaut sich beispielsweise die Arbeitsbedingungen im Bereich Software Engineering an. „In meinem Berufsleben hatte ich zudem immer wieder Kontakt zur Genderforschung.“ So hatte sie bereits bei einer Gender-Gastprofessur vor gut zehn Jahren den Frauenanteil auf Informatik-Konferenzen analysiert. An diese Arbeit möchte sie unter anderem in ihrer jetzigen Forschung an der FernUniversität anknüpfen.

Eine andere Fragestellung, mit der sich Andrea Herrmann in den nächsten sechs Monaten näher beschäftigen möchte, ist die, warum und wie Frauen in der Informatik ihre Forschungsthemen auswählen. „Männer arbeiten häufiger in sogenannten ‚harten Themen‘ wie Programmierung, Frauen hingegen in ‚weichen‘ wie Requirements Engineering.“ Die Wissenschaftlerin möchte herausfinden, woran das liegt. Kommt es aus dem intrinsischen Interesse der jeweiligen Personen oder werden ihnen aufgrund ihres Geschlechts schon während ihrer Ausbildung entsprechende Themen nahegelegt. „Wir arbeiten sowohl mit empirischen Forschungsmethoden als auch mit Skripts, die wir programmiert haben, um die Untersuchungen zu automatisieren.“

Prof. Dr. Andrea Herrmann Foto: Andrea Herrmann

„Hätte es zu meiner Zeit schon den Studiengang Data Science gegeben, hätte ich ihn studiert.“

Prof. Dr. Andrea Herrmann

Gender und Data Science in der Lehre

In ihrem halben Jahr an der FernUniversität wird Andrea Herrmann jedoch nicht nur forschen, sondern auch lehren. Im kommenden Semester wird sie im Masterseminar „Gender und Data Science“ Studierenden zeigen, wie sie mit Data-Science-Methoden Genderthemen erarbeiten: „In Daten kann man zum Beispiel Diskriminierungen entdecken.“ Gerichtsdaten seien hierfür gut geeignet. So kann man in ihnen beispielsweise erkennen, dass Frauen, die des Mordes angeklagt sind, häufiger niederere Tatmotive vorgeworfen werden als Männern.

Save the date

Am 15. April 2024 wird Andrea Herrmann um 17:00 Uhr einen öffentlichen Vortrag zum Thema „Gender-Forschung mit Mitteln der Data Science“ halten. Weitere Infos folgen.

Außerdem möchte sie die Studierenden für den Gender-Data-Gap sensibilisieren. Unter anderem gibt es in der Medizin viel weniger Daten über Frauen als über Männer. Das kann Folgen haben, wenn ein neues Medikament beispielsweise nur an männlichen Probanden erforscht wurde, es in der Praxis dann aber auch Frauen gegeben werden soll und hier andere Wirkungen erzielt.

„Diese Diskriminierungen gibt es natürlich nicht nur aufgrund des Geschlechts, sondern zum Beispiel auch aufgrund der Ethnie oder des Alters. Ich habe bereits viele Ideen für verschiedene Themen, die ich mit den Studierenden in dem Seminar ausarbeiten möchte.“

 

Das könnte Sie noch interessieren

Carina Grewe | 23.01.2024