Nachruf auf den Tod von Werner Fuchs-Heinritz
Die Mitglieder des Instituts für Soziologie trauern um Professor i. R. Dr. Werner Fuchs-Heinritz.
Der Tod ist ein Problem der Lebenden. Diesen Titel – ein Zitat von Norbert Elias – trägt eines der Werke von Werner Fuchs-Heinritz. Mit dem Tod hat er sich schon früh in seinem wissenschaftlichen Leben beschäftigt. Seine Diplomarbeit zum Tod als möglicher Gegenstand der Soziologie wurde viel beachtet und ins Italienische und Japanische übersetzt. Nach dem Studium der Soziologie in Frankfurt und Berlin führten Werner Fuchs-Heinritz seine frühen wissenschaftlichen Stationen nach Münster, Dortmund und New York. Ortswechsel waren ein steter Teil seines Lebens. Geboren wurde er am 24.12.1941 in Teplitz-Schönau im Sudetenland; fünf Jahre später wurde seine Familie nach Hessen ausgewiesen. Flucht und Vertreibung wurden so zu einem sowohl biografischen als auch kultursoziologischen Thema, mit dem er sich bis zuletzt beschäftigte. In Münster wurde Werner Fuchs-Heinritz 1970 zu Formen und Wirksamkeit studentischer Politik promoviert – ein Thema, das ihm am Herzen lag: In jungen Jahren engagierte er sich politisch in Marburg, gründete eine eigene Partei und wurde Mitglied im Stadtrat. In Marburg erhielt er sodann seinen ersten Ruf auf eine Professur für Soziologie der Bildung.
1984 berief ihn die FernUniversität in Hagen auf die Professur für Allgemeine Soziologie. Der FernUni und seiner neuen Wahlheimat Hagen blieb er bis zu seinem Ausscheiden aus dem Dienst 2007 und zwei weitere Jahre als Lehrbeauftragter treu. In dieser Zeit waren die qualitativen Methoden der empirischen Sozialforschung und insbesondere die Biografieforschung sein Schwerpunkt. Sein Einführungswerk in die Biografische Forschung gehört inzwischen zu den Standardwerken der deutschen Soziologie, ebenso das von ihm herausgegebene Lexikon zur Soziologie und seine Werke zu Pierre Bourdieu und Auguste Comte. Die Auseinandersetzung mit den Klassikern der Soziologie sowie auch aktuelle empirische Forschung interessierten ihn Zeit seines Lebens. Akribisch führte er daher einen Zettelkasten mit mehreren hunderttausend Einträgen. In den 1980er Jahren war sein Name eng verbunden mit den Shell-Jugendstudien, an denen er mitarbeitete. An der FernUniversität setzte sich Werner Fuchs-Heinritz zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Soziologie für einen engen wissenschaftlichen Austausch mit Russland ein und förderte die Zusammenarbeit mit der Universität in Smolensk. Nach seinem Ausscheiden aus dem Dienst zog er mit seiner Frau nach Münster, wo er an seinem wissenschaftlichen Hauptwerk arbeitete. Auf die Frage einer Mitarbeiterin des Instituts für Soziologie, warum er nach Münster ziehe, antwortete er in seiner typischen, oft selbstironischen Art: „Um dort zu sterben“.
Werner Fuchs-Heinritz war ein sowohl den Kolleginnen und Kollegen als auch den Studentinnen und Studenten zugewandter, in seinem Handeln entschiedener und in seinen soziologischen Beobachtungen präzise analysierender Wissenschaftler. In seiner Freizeit interessierte er sich für Reisen, Wandern, Rennradfahren, Schachspielen und Kunst. Sein Hauptwerk, an dem er bis zuletzt arbeitete, konnte er nicht mehr vollenden. Werner Fuchs-Heinritz wurde plötzlich und für uns alle schockierend durch einen tragischen Verkehrsunfall im Alter von 76 Jahren aus dem Leben gerissen. Sein Tod ist nun das Problem derjenigen, die ihn kannten und schätzten.
Christian Kurrat und die Mitglieder des Instituts für Soziologie