Termin: 19.02.2015
In manchen Bibliotheken findet man nicht nur Bücher, Handschriften oder so genannte "neue Medien", sondern auch menschliche Skelette, alte Mumien oder Grabstätten. Das Vorhandensein menschlicher Überreste zwischen den Regalen wirft zunächst rechtliche Fragen auf, gehören Leichen doch normalerweise auf einen Friedhof und gilt die öffentliche Zurschaustellung Verstorbener als zumindest ethisch problematisch. Über diese zunächst skurril und abseitig anmutenden Rechtsfragen hinaus verweisen die "Bibliotheksleichen" auf eine tiefe, zumeist wenig bewusste Beziehung zwischen Tod und Bibliothek. Und dies gilt nicht nur für den Rechtsrahmen, in dem Bibliotheken und Friedhöfe arbeiten und der erstaunliche Parallelen aufweist. Auch die bibliothekarische Arbeit selbst ist in vielerlei Hinsicht keine bloße Informationsversorgung, sondern auch, ohne dass es den Bibliothekaren bewusst ist, ein kulturell hoch bedeutsamer Totendienst. Der Vortrag wird den verschiedenen Bezügen im Spannungsfeld von Recht, Tod und Büchersammeln nachgehen und so im Rahmen einer "Kulturwissenschaft des Morbiden" einige Grundfunktionen der Bibliothek herausarbeiten, die auch im Zuge der anstehenden Digitalisierung gerade im wissenschaftlichen Bibliothekswesen weiterhin strukturbildend sein dürften.
Der Vortrag fand im Rahmen der Reihe „Colloquia Iuridica“ statt.