Termin: 17.03.2022
Begrüßung
Vortrag
Diskussion
Der Klimaschutzgesetz-Beschluss des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 ist – nicht nur von Klimaschutzaktivistinnen und -aktivisten – als epochale, historische Entscheidung zugunsten des Klimaschutzes und als Neudefinition der Freiheit gefeiert worden. Der Beschluss ist in der Tat in vielerlei Hinsicht höchst bemerkenswert. Mit dieser Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht die im Klimaschutzgesetz vorgenommene Festlegung jährlicher Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2030 für mit den Grundrechten unvereinbar und damit für verfassungswidrig erklärt. Der Beschluss nimmt nicht nur weitreichende Änderungen in der Grundrechtsdogmatik vor, sondern greift auch erheblich in das Verfassungsprozessrecht ein, indem es die rechtlichen Grundlagen des Verfassungsbeschwerdeverfahrens umgestaltet. Während das Bundesverfassungsgericht in materiell-rechtlicher Hinsicht die Grundrechtsfunktion der „intertemporalen Freiheitssicherung“ entfaltet und die grundrechtliche Eingriffsdogmatik um die Kategorie der „eingriffsähnlichen Vorwirkung“ ergänzt, wird in prozessrechtlicher Hinsicht der Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde in seinem Anwendungsbereich erweitert und um eine Grundrechtsgefährdungsbeschwerde ergänzt. Man muss sich allerdings auch fragen, ob das Bundesverfassungsgericht mit diesem neuen Ansatz nicht weit in den Bereich des Politischen übergreift und unter dem Deckmantel eines neu ausgerichteten Grundrechtsschutzes selbst Klimaschutzpolitik betreibt.
Andreas Haratsch hat in Mainz Rechtswissenschaften studiert und war von 1992 bis 1997 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Von 1994 bis 1997 war er Lehrbeauftragter an der Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer sowie von 1996 bis 2008 Gastdozent an der Bundesakademie für Öffentliche Verwaltung im Bundesministerium des Innern. Nach seiner Promotion an der Universität Mainz im Staatsrecht war er von 1997 bis 2003 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Potsdam, wo er sich 2003 mit einer verfassungs- und europarechtlichen Schrift habilitierte. Nach einer Tätigkeit als wissenschaftlicher Referent am Zentrum für Europäische Integrationsforschung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn (2003 – 2005), nach Lehrstuhlvertretungen an der Universität Konstanz (SS 2005) und der FernUniversität in Hagen (WS 2005/06 – WS 2006/07) ist er seit 2007 Inhaber des Lehrstuhls für Deutsches und Europäisches Verfassungs- und Verwaltungsrecht sowie Völkerrecht an der FernUniversität in Hagen. Seither gehört er dem Vorstand des Dimitris-Tsatsos-Instituts für Europäische Verfassungswissenschaften an, war von 2008 bis 2017 dessen stellvertretender Direktor und ist seit November 2017 dessen Direktor. In den Jahren von 2008 bis 2010 war er Visiting Fellow an der Doshisha Law School in Kyoto / Japan. Im SS 2019 hatte er eine Gastprofessur an der Universität La Sapienza in Rom inne. Von seinen zahlreichen Publikationen zum Verfassungs- und Europarecht ist vor allem das Lehrbuch zum Europarecht (Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, 12. Auflage 2020) zu nennen, das zu den Standardlehrbüchern in diesem Bereich zählt.