Termin: 11.02.2015
Beruf und Arbeit wurden im 19. Jahrhundert zum zentralen Leitstern am „bürgerlichen Wertehimmel“. Der männliche Bürger grenzte sich mit seinem Arbeitsethos vom ständisch repräsentativen Lebensstil des Adels ab. Arbeit und Beruf erfuhren in der bürgerlichen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts zunehmend eine Emotionalisierung und Sakralisierung. Zudem trat mit der Entwicklung des Industriekapitalismus noch eine Dynamisierung hinzu, die bis heute Geltung hat: Das Arbeitsethos wurde zu einem Leistungsethos; mit den daran gekoppelten Komplementärtugenden wie ökonomische Zeiteinteilung, strikte Selbstdisziplin und ungebrochene Willenskraft hielt es als Wert auch Einzug in die bürgerlichen Kinderzimmer. Parallel dazu wurde allerdings immer stärker über die Gefahr einer „Vereinseitigung“ diskutiert, die den „männlichen Arbeitssoldaten“ langweilig und ausschließlich materialistisch orientiert werden ließe.
Diese Thesen zum bürgerlichen Arbeitsethos sollen aus erfahrungsgeschichtlicher Perspektive überprüft werden: Welchen Stellenwert hatte der Beruf im männlichen Selbstverständnis? Wie sah in der Praxis das Spannungsverhältnis zwischen Leistungsethos und dem Bedürfnis nach Erholung, Freizeitgestaltung und familiärer Intimität aus? Am Beispiel zweier Generationen in Familienunternehmen sollen Formen der Tradierung von Berufsorientierung in den Blick geraten und zudem Veränderungen des Leistungsethos deutlich werden.