FernUni-Forscher machen Kinderarbeit sichtbar

Was bringen die großen internationalen Konferenzen zur Bekämpfung von Kinderarbeit? Michael Pauly und Till Nierhoff von der FernUniversität haben zu den Bemühungen geforscht.


Foto: Vardhan/Getty Images
Die meisten Kinder müssen in der Landwirtschaft und im Haushalt arbeiten.

160 Millionen Kinder im Alter von fünf bis 17 Jahren sind weltweit von Kinderarbeit betroffen. Jedes zehnte Kind. Das schätzen die Vereinten Nationen und UNICEF. Als Kinderarbeit bezeichnen die beiden Organisationen jede Form von Arbeit, für die Kinder eigentlich zu jung sind, die sie körperlich oder seelisch schädigt oder vom Schulbesuch abhält. Fast die Hälfte dieser Kinder arbeitet unter schlimmsten Bedingungen in der Sklaverei, Prostitution, im Drogenhandel oder der Zwangsarbeit. Bisher hat der internationale Zusammenschluss zur Bekämpfung von Kinderarbeit sein Ziel, Kinderarbeit vollständig abzuschaffen, nicht erreicht. Einen entscheidenden Beitrag zur Bekämpfung leistet die internationale Gemeinschaft trotzdem.

Die ILO

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen. Deren Arbeitsnormen sind international gültig. In der ILO-Norm Nr. 138 ist das Mindestalter einer Beschäftigung geregelt. Norm Nr. 182 definiert die schlimmsten Formen von Kinderarbeit, zu denen Sklaverei, Prostitution und Zwangsarbeit gehören.

Zu diesem Ergebnis kommen zwei Doktoranden der FernUniversität in Hagen. Michael Pauly ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Rechtsvergleichung (Prof. Dr. Tillmanns). Till Nierhoff war ebenfalls als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl tätig und ist inzwischen Justiziar bei der Bundespolizei in Berlin. Beide haben sich in ihrer Untersuchung mit den Bemühungen der International Labour Organisation (ILO) befasst – eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, die seit 1996 fünf internationale Konferenzen zur Bekämpfung von Kinderarbeit ausgerichtet hat. Zuletzt im Mai 2022. Vertreterinnen und Vertreter aus den 187 Mitgliedstaaten der ILO nehmen an den Konferenzen teil.

Kinderarbeit findet in der eigenen Familie statt …

„Allein, dass die Konferenzen Standards auf den Weg bringen, ist ein sehr wichtiger Schritt auf dem richtigen Weg“, erklärt Till Nierhoff. „Zu diesen Standards gehören etwa Altersgrenzen, die festgesetzt werden, damit die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder gewährleistet ist.“ Die Ergebnisse der Konferenzen gehen aber noch darüber hinaus. „Ziel ist ein ganzheitlicher Ansatz, der auch artverwandte Probleme, beispielsweise niedriges Einkommen, mangelnde Bildung und fehlende Jobchancen anspricht“, ergänzt Michael Pauly. Er macht darauf aufmerksam, dass „der Großteil der Kinderarbeit in der eigenen Familie stattfindet, besonders in der Landwirtschaft und im Haushalt.“

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Promovieren an der FernUni: Till Nierhoff (li.) und Michael Pauly

Vor allem in solchen Regionen, in denen Familien wenig zum Leben haben, müssen Kinder schuften. Südlich der Sahara schätzungsweise jedes vierte Kind. Auch in Asien und dem Pazifik-Raum sind die Zahlen hoch. „Natürlich wäre schon ein einziges Kind eines zu viel, aber wir sprechen hier von 160 Millionen Mädchen und Jungen zwischen fünf und 17 Jahren, die arbeiten müssen, obwohl sie eigentlich noch viel zu jung sind. Das ist ernüchternd“, ordnet Michael Pauly die Zahlen ein. Sogar bei uns in Europa ist Kinderarbeit noch ein Thema, wenn auch in anderen Dimensionen. 3,8 Millionen gehen in ganz Westeuropa einer Beschäftigung nach, die unter den nicht erlaubten Teil der Kinderarbeit fällt. Dabei kann die Möglichkeit, dass Jugendliche arbeiten, durchaus sinnvoll sein. Till Nierhoff denkt zum Beispiel an Zeitungen austragen oder Jobs in den Schulferien. „Diese Tätigkeiten gelten als Light Work und sind von der Kinderarbeit abzugrenzen, mit der wir uns beschäftigen, weil sie nicht schädlich für die Entwicklung junger Menschen sind.“

… und bekommt zu wenig Aufmerksamkeit

Die Forscher empfehlen, den Konferenzen zur Bekämpfung von Kinderarbeit ähnlich viel Aufmerksamkeit zu schenken wie anderen wichtigen Konferenzen. „Kaum jemand hat mitbekommen, dass im Jahr 2022 die Konferenz zur Bekämpfung von Kinderarbeit in Durban, Südafrika stattgefunden hat“, bedauert Michael Pauly. Sein Forschungskollege Till Nierhoff erhofft sich besonders von einflussreichen Qualitätsmedien mehr Sichtbarkeit: „Die Weltklimakonferenz ist natürlich nicht weniger wichtig, aber dagegen in den Nachrichten rauf und runter gelaufen.“ Genauso Nachholbedarf sehen die FernUni-Doktoranden in der Forschungsliteratur zu Konferenzen über Kinderarbeit. Deutsche Texte dazu seien zudem kaum vorhanden. Nicht zuletzt deshalb leisten sie mit ihrer aktuellen Veröffentlichung einen wesentlichen Beitrag.

 

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Sarah Müller | 21.12.2022