FernUni-Forscher fliegt hoch hinaus
Professor und Pilot: Wolfram Schiffmann lehrte und forschte mehr als 20 Jahre an der FernUniversität. Er verabschiedet sich in den Ruhestand – weiterforschen möchte er dennoch.
Als wir uns zum Gespräch via Zoom treffen, ist Prof. Dr. Wolfram Schiffmann (Lehrgebiet Rechnerarchitektur) in Chicago. Dort besucht er die Aviation-Forum Konferenz des „American Institute of Aeronautics and Astronautics (AIAA)“. Es geht um Themen der Luftfahrtbranche, denn Schiffmann forscht seit Jahren zu Flugassistenzsystemen – insbesondere für Notsituationen und zum energieeffizienten Fliegen. Fast hätte es einen Ruf an die FernUniversität in Hagen nie gegeben: „Ich hatte mich in den 1970er-Jahren bei einer Fluggesellschaft als Pilot beworben. Das hat damals leider nicht geklappt.“
Also begann Schiffmann ein Studium in der Fachrichtung Elektro- und Informationstechnik. Schon während seines Studiums stellte er fest, dass er gerne an der Uni bleiben möchte. „Mir gefiel der Beruf als Professor gut, weil ich hier sowohl lehren als auch forschen kann“, erzählt Schiffmann. Den Ruf für eine Professur für den Fachbereich Technische Informatik erhielt er im Jahr 2000 an der FernUniversität. Davor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Informatik der Universität Koblenz. Bis dahin war Schiffmann nur die Präsenzlehre gewohnt, doch schon damals fand er das Studienmodell der FernUni spannend. „Ich hatte zu dem Zeitpunkt bereits drei Bücher zum Thema der Technischen Informatik verfasst und konnte mir daher gut vorstellen, Lehrmaterialien für Studierende zu erstellen.“
Intelligente Flugassistenzsysteme
Seit gut zehn Jahren forscht er im Bereich der intelligenten Flugassistenzsysteme. Dort geht es vor allem um die Konzeption von Systemen für den Notfall. Es gibt zwei Hauptursachen für den Notfall eines Flugzeugs, erstens der Ausfall des Piloten und zweitens ein Schubverlust. Schiffmanns Forschung konzentriert sich darauf, Lösungen für beide Situationen zu finden, selbst wenn beide Fälle gleichzeitig auftreten. In diesem Fall wäre eine automatische Landung ohne Schub mittels Autopilot möglich. Der Professor ist selbst seit 2004 Pilot und die spektakuläre Landung im Hudson River von Flugkapitän Chesley „Sully“ Sullenberger inspirierte ihn zusätzlich, im Bereich der Luftfahrt zu forschen. Er entwickelte das „Safe2Land“-System. Das Verfahren berechnet bei Triebwerksausfall den Pilotinnen und Piloten in Sekundenbruchteilen mögliche Routen und zeigt Landemöglichkeiten an. „In einer Notsituation müssen Piloten schnell handeln und eine Entscheidung treffen. Ein antriebloses Flugzeug kann sonst leicht ein Spielball des Windes werden, da es nicht mehr gegen ihn arbeiten kann“, erklärt Schiffmann. „Safe2Land“ kann mittlerweile allein in Nordrhein-Westfalen über 100.000 Notlandefelder für kleine Flugzeuge anzeigen.
Notlandefelder in Sekundenschnelle
Schiffmann möchte in diesem Bereich im Ruhestand weiterforschen. Seit 2016 ist er auch Fluglehrer und hat sich vor Kurzem privat eine eigene Maschine gekauft. „Das Flugzeug rüste ich mit Unterstützung der FernUni mit der nötigen Sensorik aus, um damit weitere Verbesserungen für Safe2Land zu entwickeln.“ Das System wurde bereits bei einem Forschungsflugzeug der Technischen Universität München erfolgreich getestet. Im August wird er in einem anderen Projekt mit dem eigenen Flugzeug weitere intensive Tests durchführen.
Davor beschäftigte sich der Professor mit der Forschung an Künstlichen neuronalen Netzen (Habilitationsschrift), Cluster- und Gridcomputing sowie mit Energieeffizienten Rechnersystemen. Dabei ging es unter anderem darum, die Rechnerknoten bedarfsgerecht ein- und auszuschalten und so an die aktuellen Rechenanforderungen anzupassen. Damit kann dann in Zeiten mit geringem Rechenbedarf Energie eingespart werden. Er arbeitete an Hochleistungsrechnern und baute in Hagen ein Cluster-Rechnersystem auf, das heute in dieser Form auch bei großen Unternehmen üblich ist.
„Ich habe gerne Menschen etwas beigebracht“
Neben der Forschung hat dem Professor die Lehre viel Spaß bereitet. „Ich habe gerne Menschen etwas beigebracht“, sagt Schiffmann. Da die FernUniversität die größte Universität Deutschlands ist, war es manchmal eine Herausforderung, die zahlreichen Studierenden zu betreuen. Umso mehr schätzte er den persönlichen Kontakt mit den Studierenden bei Seminaren, Vorlesungen oder Abschlussarbeiten, die er betreute. „Es war immer spannend, mehr über die Motivation und beruflichen Hintergründe der Studierenden zu erfahren.“
Flexibilität und innovative Lehre
Am meisten schätze er an der FernUniversität in Hagen die Flexibilität und die verschiedenen Möglichkeiten der Distanzlehre. „Ein Highlight war für mich das Projekt GridLab. Dort konnten Studierende Laborversuche aus der Ferne durchführen. Die Testschaltungen und Messgeräte befanden sich in einer Box and der FernUni. In der Box war zum Beispiel ein Mikrorechner und eine Kamera.“ Er war zu dieser Zeit auch in einem Forschungsfreisemester in Melbourne, Australien und dort konnten dann auch Studierende aus „Down Under“ Experimente in Hagen durchführen.
Die schönen Erinnerungen an seine Zeit an der FernUni nimmt er mit in den Ruhestand und freut sich auf sein erstes Enkelkind, das gerade zur Welt gekommen ist. „Ich freue mich sehr, Großvater zu sein und neben meinen Forschungsinteressen in Zukunft etwas mehr Zeit für die Familie zu haben.“