Die Hybrid-Professorin

Hannah Ruschemeier vereint öffentliches Recht und Digitalisierung in einer Juniorprofessur an der FernUni. Für spannende Forschungsthemen zapft sie gern mal soziale Medien an.


Foto: FernUniversität
Rektorin Prof. Ada Pellert begrüßt Hannah Ruschemeier an der FernUniversität in Hagen.

Digitalisierungsrecht als festen Bestandteil des Jura-Studiums etablieren – es auf eine Stufe stellen mit Grundlagenfächern wie Strafrecht, Verfassungsgeschichte und Kriminologie. Das wünscht sich Dr. Hannah Ruschemeier für die Ausbildung zukünftiger Juristinnen und Juristen. Seit dem 1. Mai ist die 33-Jährige Juniorprofessorin für „Öffentliches Recht mit Schwerpunkt Datenschutzrecht oder Recht der Digitalisierung“.

An der FernUniversität in Hagen setzt sie ihr Anliegen jetzt in die Tat um und schöpft dabei die Methodenvielfalt hybrider Lehrformate aus. In ihren Seminaren soll es zum Beispiel um rechtliche Grenzen für künstliche Intelligenzen oder die Facetten des Datenschutzes im Internet gehen. „Für beide Themen bietet sich ein Mix aus digitalen Vortragssequenzen, schriftlichen Materialien und interaktiven Formen an.“ Regelmäßig sollen auch Menschen aus der beruflichen Praxis zu Wort kommen, die gemeinsam mit Fernstudierenden aktuelle Rechtsfragen diskutieren.

Station beim Bundesverfassungsgericht

Ihr Referendariat absolvierte Hannah Ruschemeier im Bezirk des Oberlandesgerichts in Düsseldorf. Als bereichernd und inspirierend beschreibt sie Aufenthalte in Brüssel beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung der Europäischen Kommission und in Karlsruhe beim Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts, der sich unter anderem mit Bund-Länder-Streitigkeiten und Parteiverbotsverfahren auseinandersetzt. „Dort war ich auch bei mündlichen Verhandlungen dabei, das hat mich schon sehr ehrfürchtig gemacht“, betont die Rechtswissenschaftlerin.

„Bei aller berechtigter Kritik an sozialen Medien überrascht es mich immer wieder positiv, was für ein kreativer und konstruktiver Ort sie auch sein können.“

Jun.-Prof. Hannah Ruschemeier

Während ihrer Promotionszeit unternahm Hannah Ruschemeier zunächst Ausflüge in das Jagdrecht, Seerecht und Glücksspielrecht. Nach ihrer Promotion fand sie schließlich im Digitalisierungsrecht ihre Berufung. „Ich habe mich bewusst dazu entschieden, keinen klassischen akademischen Weg als Assistentin an der Universität einzuschlagen.“ Stattdessen wirkte die Erste, die in ihrer Familie ein Studium absolviert hatte, im interdisziplinären Forscher:innen-Team am Digitalisierungsforschungsinstitut Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum mit.

Alte und neue Welt vereinen

Am CAIS untersuchte sie, wie sich vollautomatisierte Rechtsentscheidungen auf das Staathaftungsgesetz auswirken, oder ob künstliche Intelligenz als Umweltschützerin fungieren kann. Sie kombinierte ihr klassisches, öffentlich-rechtlich geprägtes Profil mit modernen Rechtsthemen. „Deshalb ist Digitalisierungsrecht für mich auch so spannend, weil es viele aktuelle Themen aufgreift, aber immer zu den grundsätzlichen Fragen zurückführt.“ In ihrer Habilitation, die im Verfassungsrecht und der Verfassungstheorie angesiedelt ist, widmet sie sich mit großer Leidenschaft der grundlegenden Frage, ob analoge rechtliche Regelungen noch auf die digitale Wirklichkeit passen.

Wer Hannah Ruschemeiers Arbeit verfolgen möchte, dem sei ihr Twitter-Kanal @HannahRusc empfohlen. Dort twittert sie über Workshops, Vorträge und gibt Einblicke in ihre Forschung.

An der FernUniversität will die Juniorprofessorin auch weiterhin die alte mit der neuen Welt verbinden. Einen Schwerpunkt ihrer Arbeit bilden Rechtsakte auf Ebene der Europäischen Union, wie die KI-Verordnung, die den Grundrechtsschutz bei Anwendungen mit künstlicher Intelligenz sicherstellen soll, ebenso der Digital Services Act, ein Regelungspaket, mit dem Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen und Dienste geschaffen werden. Auch kollektive Rechtsdurchsetzung im Bereich von Datenschutzverstößen würde sie gerne weiter vertiefen – am liebsten in einem großen Netzwerk über Disziplinen und Institutionen hinweg. „Gerade eine Kooperation zwischen der FernUni mit ihrem starken Digitalisierungsschwerpunkt und dem CAIS, dem ich als assoziierte Forscherin erhalten bleibe, bietet sich nicht nur aufgrund der räumlichen Nähe an.“

Twitter macht Forschung sichtbar

Neue Erkenntnisse, die sie als Forscherin gewinnt, teilt Hannah Ruschemeier gerne direkt mit ihrer Community. Sie twittert über digitales Jura und nutzt den Kanal auch, um Ideen für neue wissenschaftliche Untersuchungen zu finden. „Bei aller berechtigter Kritik an sozialen Medien überrascht es mich immer wieder positiv, was für ein kreativer und konstruktiver Ort sie auch sein können.“ Mehr als einmal entstanden aus digitalen Kontakten längerfristige Kooperationen, die online ihren Anfang genommen haben.

Ihre Freizeit verbringt die neue FernUni-Professorin gerne jenseits von kleinen Displays oder großen Bildschirmen: bei einer Kampfsporteinheit Jiu Jitsu, einer Joggingrunde entlang des Rheins oder auf dem Rudergerät im Arbeitszimmer ihrer Wahlheimat Düsseldorf. „Sport spielt eine große Rolle in meinem Leben und auch wenn Jurist:innen nachgesagt wird, wenig Freizeit zu haben, kann man meiner Meinung nach viel produktiver und kreativer sein, wenn die Balance stimmt.“

Es handelt sich um eine Tenure-Track-Professur, die bei erfolgreicher Evaluation in eine Lebenszeitprofessur überführt wird.

 

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Sarah Müller | 31.05.2022