„Ich möchte die digitale Bildung voranbringen“
Für Prof. Dr. Torsten Zesch liegt die Zukunft der Bildung in digitalen Systemen. Seit März ist er am Forschungsschwerpunkt D²L² der FernUni im Bereich Computerlinguistik tätig.
Prof. Torsten Zesch lebt auch im Büro die Digitalisierung. „Ich habe einen nahezu papierlosen Arbeitsplatz und nutze auch keinen Stift, nur den für mein Tablet“, sagt der 42-jährige. Seine Professur ist sowohl beim Forschungsschwerpunkt D²L² („Digitalisierung, Diversität und Lebenslanges Lernen. Konsequenzen für die Hochschulbildung”) als auch mit der Lehre in der Fakultät für Mathematik und Informatik der FernUniversität verankert. Dort leitet er das neue Lehrgebiet Computerlinguistik.
Eine besondere Forschungsprofessur
Der Forschungsschwerpunkt D²L² ist die bislang einzige zentrale wissenschaftliche Einrichtung an der FernUniversität in Hagen. Die Professur von Torsten Zesch ist die erste von D²L² und hat ihren Schwerpunkt in der Forschung. „Ich habe sozusagen eine Doppelrolle, da ich zwar vorrangig als Wissenschaftler am Schwerpunkt arbeite, aber nicht zuletzt über die Lehre auch in der Fakultät tätig bin“, erklärt Zesch. Als er die Stelle an der FernUni entdeckte, dachte er sofort, dass diese gut zu seinen Fachbereichen passt und dass er sich bewerben muss. „Den Berufungsprozess haben wir dann in Rekordzeit durchgeführt“, lacht der Professor.
Künstliche Intelligenz zur Unterstützung nutzen
Dabei soll seine Professur die digitale Bildung verbessern. Das kann die Korrektur von Aufgaben oder Klausuren betreffen oder auch die Unterstützung beim Lernen. „Die FernUniversität bietet für mich deutschlandweit einmalige Bedingungen, da hier sehr vieles digital abläuft und ich mit mehr Daten arbeiten kann“, sagt Torsten Zesch. Denn nur mit digitalen Dokumenten funktioniert die Forschung mit der Künstlichen Intelligenz (KI).
Er bringt viel Erfahrung und Wissen aus seiner Tätigkeit an der Universität Duisburg-Essen mit. „Ich möchte meine Expertise an der FernUni einsetzen und den Prozess der Digitalisierung in der Bildung voranbringen“. Zesch ist dabei auch gern bereit zu unterstützen, wenn andere Kolleginnen und Kollegen Hilfe benötigen, die man mit Sprachtechnologie lösen kann. Er ist momentan dabei herauszufinden, welche Herausforderungen es an der FernUni gibt. Dabei hat er immer das Ziel, Prozesse für die Studierenden und die Lehrenden zu erleichtern.
Handschriften oder Hassreden mit Algorithmen erkennen
An der Universität Duisburg-Essen forschte er bereits daran Handschriften zu erkennen. „Bei handgeschriebenen Klausuren verbringe ich die meiste Zeit damit zu entziffern, was Studierende geschrieben haben“, erzählt Zesch. Daher haben sein Team und er die Studierenden ein paar Worte auf Papier schreiben lassen. „Die Künstliche Intelligenz konnte dann in einer vernünftigen Qualität erkennen, was geschrieben wurde. So können Klausuren schneller und fairer korrigiert werden“.
Bei einem Wettbewerb Anfang 2022, der von einer zugehörigen Behörde des amerikanischen Bildungsministeriums ausging, haben Torsten Zesch und sein Team einen der vier ausgeschriebenen Preise gewonnen. „Damit konnten wir zeigen, dass unsere Arbeit vorne mitspielen kann“, freut er sich.
Sprachtechnologie und Computerlinguistik haben noch viel breitere Einsatzmöglichkeiten. Gemeinsam mit seinem Team forscht Torsten Zesch in Kooperation mit dem Bundeskriminalamt (BKA) daran Hassrede im Netz zu erkennen. „In sozialen Medien werden jeden Tag Millionen von Kommentaren gepostet, die nicht alle manuell ausgewertet werden können.“ Durch Algorithmen können dann potenzielle Hetze oder Beleidigungen erkannt werden und es kann geprüft werden, ob diese strafrechtlich verfolgt werden müssen. Die Technologie soll dann die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern des BKA bei ihrer Arbeit unterstützen. Das Projekt wird gerade nach „Hagen“ transferiert. Denkbar ist auch, diese Technologie an der FernUniversität einzusetzen, um zu schauen, ob das Diskussionsklima zum Beispiel in Foren zu Lehrveranstaltungen bei einer größeren Anzahl von Teilnehmenden in Ordnung ist.
Technologien sinnvoll einsetzen
An der FernUni möchte er gemeinsam mit weiteren Lehrenden und Beschäftigten schauen, wo welche Technologie sinnvoll eingesetzt werden kann. „Eine voll automatisierte Lösung, um zum Beispiel Klausuren oder Hausarbeiten zu korrigieren befürworte ich nicht“, sagt Torsten Zesch. Das hätte verschiedene Gründe. Es ist ethisch fragwürdig und rechtlich nicht erlaubt und der Computer sei momentan auch nicht gut genug dafür. Selbst bei einer Assistenz-Funktion könnte der Computer Korrekturkräfte oder Lehrende beeinflussen, wenn dieser zum Beispiel aussagt, dass eine Frage falsch beantwortet wurde. „Das kann dazu führen, dass Lehrende die Antwort nicht mehr lesen, obwohl sie vielleicht in Teilen nicht falsch oder gar korrekt ist“. Für ein Selbststudium könnten automatisierte Lösungen allerdings funktionieren, zum Beispiel bei Übungsaufgaben, die nicht benotet werden.
Diversität berücksichtigen
Bei seiner Forschung möchte der Professor auch das Thema Diversität berücksichtigen, das bereits Forschungsgegenstand verschiedener D²L²-Projekte ist. „Sprachtechnologie ist oft an den ‚Durchschnittsmenschen‘ angepasst.“ So verstehen Systeme zur Erkennung gesprochener Sprache manche Gruppen schlechter, darunter Frauen, ältere Menschen oder auch Kinder. Torsten Zesch, der aus Chemnitz kommt, kennt selbst das Problem. „Ich habe auch einen Dialekt, der von Sprachsystemen schlechter erkannt wird – das gilt aber auch für andere Personen, die einen Akzent haben oder einen Dialekt sprechen“. Er arbeitet daran, die Technologien zu verbessern, um Qualitätsunterschiede zu minimieren.
Torsten Zesch freut sich sehr auf seine Tätigkeit an der FernUniversität und auf den Kontakt mit seinen Kolleginnen und Kollegen sowie den Studierenden. Auch beim neuen Masterstudiengang Data Science möchte er seine Expertise einbringen. Sein Team nimmt er komplett aus Duisburg mit. Sechs Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden demnächst mit ihm bei D²L² tätig sein.
Sprachen lernen – auch in der Freizeit
Dabei hätte der Professor am Anfang seines Studiums an der Technischen Universität Chemnitz nie gedacht, dass er an der Uni bleibt. „Das hat sich mit der Zeit entwickelt. Mein Interesse an Sprachen und Informatik war allerdings schon immer da“. An der Technischen Universität Darmstadt promovierte er dann. Auch in seiner Freizeit bleibt er seiner Forschung treu und lernt gerne neue Sprachen. „Ich habe Grundkenntnisse in verschiedensten Sprachen wie zum Beispiel Türkisch, Chinesisch oder auch Arabisch“. Er möchte verstehen, wie Sprachen funktionieren. „Die Welt besteht nicht nur aus der englischen Sprache. Es gibt so viele andere Prinzipien auf denen Sprache aufgebaut ist“. Da bleibt Torsten Zesch aufgeschlossen und bringt diese Erkenntnisse in seine Arbeit ein, um die Digitalisierung in der Bildung voranzubringen.