„Wir forschen nicht alleine vor uns hin“

Der Forschungsschwerpunkt „Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit“ der FernUniversität plant neue Projekte mit Partnern aus der Region und will den wissenschaftlichen Nachwuchs fördern.


Foto: FernUniversität
Das neu gewählte Direktorium des E/U/N-Forschungsschwerpunkts. Nicht im Bild ist Prof. Lars Mönch.

Welche gesellschaftlichen Veränderungen sind nötig, um die Welt klimaneutral zu gestalten? Mit dieser und anderen bedeutenden Fragen befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsschwerpunkt „Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit“ der FernUniversität in Hagen. Seit 2018 erforschen sie die vielfältigen Dimensionen des Energie- und Umweltsektors – politische, ökonomische, gesellschaftliche sowie technologische. Erklärtes Ziel ist die regionale, überregionale und internationale Vernetzung mit wissenschaftlichen Kooperationspartnern, Universitäten und Forschungsinstituten sowie mit Unternehmen, Verbänden, Institutionen und Behörden.

„Wir forschen natürlich nicht alleine vor uns hin“, sagt Umweltökonom Prof. Dr. Alfred Endres, der den Forschungsschwerpunkt leitet. „Wir wollen mit relevanten Fragestellungen und unterschiedlichen Methoden zur Lösung konkreter Probleme beitragen.“ Eines dieser drängenden Probleme ist die Abfallentsorgung in Städten und Gemeinden. Ein Thema, mit dem sich Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller aktuell beschäftigt. „Viele Kommunen in NRW haben keine funktionierende Abfallvermeidungsstrategie“, sagt die Politikwissenschaftlerin. „Wir erarbeiten derzeit eine Strategie, wie sich die Abfallwirtschaft in der Stadt Hagen und in anderen Orten verbessern lässt.“ Ist die Forschung abgeschlossen, erhalten Kommunen und das Umweltministerium NRW konkrete Handlungsempfehlungen der FernUni-Forschenden.

Forschung in die Fläche bringen

Doch das ist nur ein Bereich, in dem der Forschungsschwerpunkt einen Beitrag leistet. Einen anderen Anknüpfungspunkt sieht Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Karsten Kieckhäfer im nachhaltigen Management von Lieferketten. „Wir haben hier in Südwestfalen eine Automobilzulieferindustrie, die von Herstellern dazu angehalten wird, möglichst schnell CO2-neutral zu liefern. Als Forschungsschwerpunkt können wir z. B. Produktion- und Logistikprozesse im Zusammenspiel mit dem Energiesystem aus betriebswirtschaftlicher Perspektive beleuchten und optimieren, sodass sich Betriebe klimaneutral aufstellen können – und dies auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten.“

Doch bevor anwendungsorientierte FernUni-Forschung helfen kann, müssen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mögliche Themenfelder identifizieren, Grundlagenforschung betreiben und sich lokal, regional und am besten auch international vernetzen. Bereits in seiner Aufbauphase konnte der Forschungsschwerpunkt erste Erfolge erzielen – zum Beispiel mit einem Projekt zu Theoretischen Grundlagen der Umweltpolitik bei moralischen Konsumenten (siehe Infokasten).

Theoretische Grundlagen der Umweltpolitik bei moralischen Konsumenten

In sieben konkreten Arbeitsvorhaben untersucht Prof. Dr. Thomas Eichner, welchen Einfluss moralische Präferenzen auf Emissionsbesteuerung und Emissionshandel, optimales Nudging, Subventionierung erneuerbarer Energie, unilaterale Umweltpolitik und internationale Umweltabkommen haben. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Mehr dazu erfahren Sie hier.

Um in Zukunft den Schwerpunkt weiter zu stärken, haben die FernUni-Forschenden ein Direktorium bestehend aus drei neuen Ressorts gegründet. Geleitet wird das Direktorium von Prof. Endres. Das Ressort „Themenfindung und Clusterbildung“, dessen Steuerung Prof. Kieckhäfer übernimmt, lotet Forschungsthemen aller fünf Fakultäten der FernUniversität aus. Das zweite Ressort „Vernetzung und Internationalisierung“ bringt die FernUni-Forschung in die Fläche. Es untersteht Wirtschaftsinformatiker Prof. Dr. Lars Mönch.

Graduiertenkolleg für Promotionsstudierende

Ein weiterer wichtiger Baustein, dem sich der Forschungsschwerpunkt mit einem dritten Ressort verschrieben hat, ist die „Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses“. Prof. Töller hat die Leitung übernommen. Sie möchte in Zukunft regelmäßige Treffen organisieren, bei denen Promovierende sich untereinander und mit ihren Betreuerinnen und Betreuern über die eigenen Forschungsprojekte austauschen können.

Auch der Aufbau eines Graduiertenkollegs für Promotionsstudierende fließt in die Überlegungen mit ein. Denn das Interesse an der Erforschung zu Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit nimmt seit den 1970er Jahren stetig zu. „Damals galt man als Exot, wenn man sich im Bereich der Volkswirtschaftslehre mit Umweltproblemen befasst hat", erinnert sich Prof. Endres, der von 1982 bis 1991 an der Technischen Universität Berlin den ersten umweltökonomischen Lehrstuhl im deutschsprachigen Raum innehatte, „aber inzwischen besteht ein breites Interesse seitens der Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Wissenschaft an der Erforschung der Bereiche Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit.“

Die drei neuen Ressorts im Überblick

Mit seiner Fokussierung auf drei Themenressorts beginnt für den Forschungsschwerpunkt offiziell eine neue Phase. Nach dem erfolgreichen Aufbau über die vergangenen drei Jahre befassen sich die beteiligten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der jetzt angelaufenen Konsolidierungsphase mit konkreten Projekten, Vernetzung und Nachwuchsförderung. Die Ressorts im Überblick:

  • Wichtig ist Prof. Dr. Karsten Kieckhäfer (Stellv. Direktor des Forschungsschwerpunktes), thematische Überschneidungen der fünf Fakultäten zu identifizieren und herauszufinden, in welchen Themengebieten die FernUniversität Synergien bilden kann. Die Forschenden bearbeiten gemeinsam relevante Fragestellungen aus unterschiedlichen Perspektiven mit verschiedenen Methoden zu konkreten Problemfeldern.

  • Mit ihrem anwendungsorientierten Forschungsschwerpunkt möchte die FernUni zur konkreten Problemlösung einzelner Fragestellungen beitragen. Überlegungen dazu gehen in dem Ressort „Vernetzung und Internationalisierung“ auf. Von Kooperationen mit Unternehmen und lokalen Behörden können beide Seiten profitieren, denn auch die Forschung wird dadurch befruchtet, sich realen und relevanten Problemen zuzuwenden. Auch der Austausch mit wissenschaftlichen Kooperationspartnern und eine internationale Vernetzung mit anderen Institutionen ist geplant.

  • Nicht nur in der Wissenschaft, auch in anderen beruflichen Kontexten wird der Vernetzungsgedanke und das Überschreiten von Grenzen zunehmend wichtiger werden. Promovierende können wichtige Kompetenzen erwerben und Standpunkte anderer Disziplinen in eigene Überlegungen einbeziehen. Langfristig soll ein systematisch angelegtes Forschungsprogramm entstehen, das seine Teilnehmenden zum Doktorgrad hinführt.

Das Direktorium wird von einem hochrangig besetzten Beirat beraten. Die Mitglieder geben mit ihrer wissenschaftlichen und praxiserprobten Expertise wichtige Impulse für die Identifikation von innovativen Forschungsfragen, für die Einwerbung von Drittmitteln und für den Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen. Darüber hinaus erhält der Forschungsschwerpunkt durch die Beiratsmitglieder Zugang zu regionalen und überregionalen Netzwerken in der Wissenschaft sowie in der Praxis.

 

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Sarah Müller | 23.12.2021