Sicherer und nachhaltiger landen mit SmartFly-Assistenzsystemen
Prof. Wolfram Schiffmann verbessert die Flugsicherheit, der Stream seines Vortrags ist nun online. Die Rektorin der FernUniversität fordert die Praxis zur Kooperation mit ihm auf.
„Ich bin begeistert von der Idee, beim Landeanflug eines Flugzeugs die Triebwerke herunterzufahren und durch geführtes Gleiten große Mengen von CO2 einsparen zu können – natürlich bei gleichbleibend hoher Sicherheit“, zeigte sich Prof. Dr. Ada Pellert tief beeindruckt von der neuesten Entwicklung von Prof. Dr. Wolfram Schiffmann. „Das gilt gleichermaßen für die vorherigen Entwicklungen am Lehrgebiet Rechnerarchitektur, mit denen Flugzeuge auch bei einem vollständigen Triebwerksausfall sicher zu einem geeigneten Ort gleiten und landen können. Und als Rektorin der FernUniversität freue ich mich sehr darüber, dass diese Technologien in Hagen entwickelt wurden.“
Den Stand seiner Forschungen und Entwicklungen stellte Wolfram Schiffmann bei einem hybriden Fakultätskolloquium der Fakultät Mathematik und Informatik in seinem Vortrag „SmartFly – ein Beitrag zum sicheren und grünen Fliegen“ vor. Anschließend eröffnete die Rektorin den neuen, selbst gebauten Flugsimulator des Lehrgebiets. Hier konnte sie erstmals selbst (virtuelle) Flugzeuge landen. Oder genauer: Diese konnten sich dank Autopilot selbst landen. Die Software hatten Schiffmann und sein Team selbst entwickelt, für die Mechanik nutzten sie handelsübliche Bauteile. Beteiligt waren außer den Wissenschaftlern auch Absolventinnen und Absolventen.
Die Rektorin der FernUniversität in Hagen fordert jetzt die Praxis zur Kooperation auf: „Flugzeughersteller und andere große Unternehmen müssen jetzt mit den bahnbrechenden Entwicklungen an unserem Lehrgebiet Rechnerarchitektur das Fliegen und Landen sicherer und ressourcenschonender machen!“ Viele Unternehmen entwickeln zurzeit sich selbst steuernde Fluggeräte wie Drohnen und Lufttaxis, die ohne Pilotinnen und Piloten auskommen können: „Wie soll das gehen, wenn sie nicht automatisiert landen können? Safe2Land kann die Lösung sein“, betont die Digitalisierungsexpertin.
Mit einigen kleineren hochinnovativen Firmen, mit der Deutschen Flugsicherung und der Technischen Universität München steht Schiffmann, der selbst Pilot und Fluglehrer ist, bereits in intensivem Austausch.
Safe2Land im realen Betrieb getestet
So konnten Schiffmann und sein Mitarbeiter Marius Rosenbaum kürzlich mit einem Forschungsflugzeug der TU München das Funktionieren von Safe2Land im realen Betrieb beweisen, vom unterstützten bis zum automatischen Landen.
Zu Beginn seines Vortrags hatte er mit einem Ausschnitt des Spielfilms über Chesley „Sully“ Sullenberger gezeigt, was passieren kann, wenn alle Triebwerke eines Flugzeuges ausfallen. Dem echten „Sully“ Sullenberger – im Film dargestellt von Tom Hanks – gelang 2009 die fliegerische Meisterleistung, seine Linienmaschine auf dem Hudson-River in New York notzulanden, nachdem durch einen Vogelschlag die Maschinen ausgefallen waren. Alle Passagiere konnten gerettet werden. Schiffmann machte sich über das Geschehen viele Gedanken und entwickelte mehrere Flugassistenzsysteme, die er in Safe2Land zusammenführte, in das er eine Schnittstelle für Autopiloten integrierte.
ELA, ELFI und EELA retten Leben
Zunächst war dies das Notlandeassistenzsystem ELA (Engine-out Emergency Landing Assistant). Es hilft Pilotinnen und Piloten dabei, ihr Flugzeug bei einem vollständigen Triebwerksausfall sicher zu einer Landebahn gleiten zu lassen, die für ihre Maschine erreichbar und geeignet ist: antriebslos durch einen „Luftkorridor“ bis auf die Landebahn gleitend. Wichtig ist dabei, dass man den Windversatz des antriebslosen Flugzeugs schnell und präzise berücksichtigt. Die Cockpit-Crew erfährt nicht nur blitzschnell, wohin sie – wie mit einem Segelflugzeug – gleiten soll, sondern auch, wann sie wie lange in einem bestimmten Winkel sinken und wann sie eine Kurve steuern muss.
Ada Pellert: „Hätte ich in diesem Flugzeug gesessen, wäre ich jedenfalls heilfroh gewesen, wenn uns ELA sicher zurück zum Flughafen gebracht hätte. Das wäre nämlich möglich gewesen, hat Herr Schiffmann ermittelt – was der fliegerischen Meisterleistung von ‚Sully‘ Sullenberger überhaupt keinen Abbruch tut.“ Mit ELA schaffte es Schiffmann sogar bis ins Finale des Innovationspreises der Deutschen Luftfahrt 2019.
Gibt es keinen erreichbaren Flugplatz, leitet ELFI (Emergency Landing Field Identification) das Flugzeug zu einem Notlandefeld, auf dem die Wahrscheinlichkeit für eine Bruchlandung möglichst gering ist. Dafür werden Notlandefelder durch Radar-Höhendaten ermittelt und Neigungs- und Größenvorgaben bestimmt, die für die jeweilige Maschine passen. Schiffmanns Lehrgebiet hat inzwischen für ganz Nordrhein-Westfalen mehr als 100.000 mögliche Notlandefelder ermittelt und für verschiedenste Flugzeuggrößen kategorisiert.
Nachhaltig landen
Um nachhaltiger fliegen zu können, hat Schiffmann seinen Notlandeassistenten ELA zu der optimierten Anflugplanung EELA (Energy Efficient Landing Approaches) weiterentwickelt. Geht es bei ELA also um kontrolliertes Zu-Boden-Gleiten nach einem ungewollten vollständigen Ausfall der Triebwerke, soll bei EELA gezielt Treibstoff gespart werden, indem Flugzeuge antriebslos und kontrolliert und in sicherem Abstand zu anderen Maschinen zum Flughafen hinuntergleiten. Damit können große Mengen an CO2 gespart werden, geschätzt bis zu einer halben Tonne, je nach Flugzeugtyp. Bei rund 47 Millionen Flügen von Verkehrsflugzeugen pro Jahr könnte sich ein Einsparungspotential von rund 23 Millionen Tonnen CO2 ergeben, wenn sich der Flugverkehr wieder auf den Vor-Corona-Stand normalisiert haben sollte. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt hat im September 2020 berechnet, dass der globale Flugverkehr 3,5 Prozent zur Klimaerwärmung beiträgt.
„Die Entwicklungen von Prof. Schiffmann bringen uns einen großen Schritt weiter in Richtung Sicherheit und Nachhaltigkeit“, resümiert die FernUni-Rektorin.
Das sieht auch die Deutsche Flugsicherung, mit der Prof. Schiffmann in engem Kontakt steht, so. Denn die EELA-Unterstützung gibt auch den Fluglotsen und Fluglotsinnen exakte Daten an die Hand, mit denen sie die Crews besser leiten können als mit Schätzungen. Das mindert ihren Stress und erhöht so die Sicherheit.
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