Wem gehören unsere Daten?

Eine einfache Antwort darauf hat die Gesetzgebung nicht, dafür viele Graubereiche. Einigen widmet sich FernUni-Professorin Barbara Völzmann-Stickelbrock in einem Vortrag.


Foto: Laurence Dutton/Getty Images
Fragen des Datenrechts finden sich in allen Rechtsgebieten.

Data Literacy bezeichnet die Fähigkeit, Daten zu lesen, zu verstehen und zu beurteilen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit diesem Rohstoff des 21. Jahrhunderts obliegt der Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft gleichermaßen. Doch die wohl verantwortungsvollste Aufgabe von allen hat die Justiz. Sie steckt den rechtlichen Rahmen ab, in dem Daten gesammelt und gemanagt werden.

Das Schadensrecht etwa fragt, wie die Gefahren zu bewältigen sind, die von autonom fahrenden Autos ausgehen. Im Erbrecht regeln erste Urteile, ob und wie Hinterbliebene auf den digitalen Nachlass von Verstorbenen zugreifen können. Auf andere – fast schon philosophische – Fragen, wer etwa die Haftung für Entscheidungen von selbstlernenden Robotern übernimmt, fehlen bislang noch klare Antworten.

Überregulierung schränkt Freiheitsrechte ein

„Die Anforderungen an Schutzmechanismen gehen quer durch alle Rechtsgebiete“, sagt Barbara Völzmann-Stickelbrock. Die FernUni-Professorin für Bürgerliches Recht, Wirtschaftsrecht, Gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht hat bereits 2017 als Gutachterin einer Expert:innengruppe die NRW-Landesregierung zu Fragen des Dateneigentums beraten. Sie sieht in Anbetracht einer regelrechten Datenflut neben dem Strafrecht und dem öffentlichen Recht vor allem das Zivilrecht vor die Herausforderung gestellt, zeitnah Entscheidungen mit großer Tragweite treffen zu müssen.

Barbara Völzmann-Stickelbrock Foto: Martin von Hadel

„Es braucht zukünftig Expertinnen und Experten, die sich gut mit Daten auskennen, diese verstehen und auswerten können.“

Barbara Völzmann-Stickelbrock

„Besonders spannend sind Fragen des Wirtschaftsrechts – wem von Unternehmen erhobene und oftmals dezentral gespeicherte Daten zustehen, ob in sie vollstreckt werden kann und wer hierauf im Falle einer Insolvenz Zugriff hat.“ Die Wissenschaftlerin weist zudem auf Gefahren hin, die sich im Spannungsfeld von Recht und Technik ergeben könnten: „Stellen Sie sich vor, eine Leasinggesellschaft hätte das Recht, ihr smartes, über die Cloud vernetztes Auto sofort in dem Moment stillzulegen, in dem Sie mit der Zahlung einer Leasing-Rate vermeintlich in Verzug sind. Das wäre ein Vorgang auf Datenbasis, der uns kontrollierbar macht und unsere Freiheit einschränkt.“ Soweit dürfen „Smart Contracts“, die letztlich keine Verträge im Rechtssinne, sondern auf Blockchain-Technologie beruhende Programme sind, aus Sicht der Juristin nicht gehen.

Data Literacy als Schlüsselqualifikation

Die gesetzgebenden Prozesse rund um das Datenrecht sind vielschichtig und finden nicht allein auf nationaler Ebene statt. „Auch der europäische Weg sieht vor, Daten nicht zu stark zu regulieren.“ Die Datennutzung sollte aus Sicht der Wissenschaftlerin vorrangig in vertraglichen oder sektorspezifischen Regelungen im Wirtschaftsverkehr vereinbart werden, die Gesetzgebung mit einer Regulierung des Datenmarktes nur dann eingreifen, wenn sich Missstände zeigen.

Umso wichtiger ist es, dass Juristinnen und Juristen digitale Kompetenz als eine Schlüsselqualifikation erwerben. Diese wird auch im sich gerade reformierenden Juristenausbildungsgesetz (JGA) NRW eingefordert. „Data Literacy ist ein Baustein dieser Qualifikation und kann Studierenden ganz neue Berufsfelder eröffnen“, so die Professorin. „Daher braucht es zukünftig Expertinnen und Experten, die sich gut mit Daten auskennen, diese verstehen und auswerten können.“

Online-Vortrag am 10. Mai

Über den juristischen Datenbegriff, die verschiedenen Datenarten und ihre Beurteilung aus rechtlicher Sicht spricht Prof. Völzmann-Stickelbrock im Rahmen einer Ringvorlesung zu Data Literacy am 10. Mai um 16:15 Uhr an der TU Dortmund. Der Online-Vortrag „Datennutzung im digitalen Zeitalter – rechts(un)sicher?“ ist Teil einer Initiative zu Data Literacy der FernUniversität in Hagen und der TU Dortmund. Studierende aller Fachrichtungen der FernUniversität haben die Möglichkeit, über folgenden Link teilzunehmen.

Zum Zoom-Meeting

Meeting-ID: 925 3993 4853
Kenncode: 946777

Im Verlauf der Ringvorlesung werden weitere Lehrende der FernUniversität in Hagen vortragen.

 

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Sarah Müller | 05.05.2021