„Unglaublich schöne Zeit“ an der FernUniversität
Luise Unger war die einzige Mathe-Professorin in Hagen. Für ihr Fach sieht sie die Zukunft hier optimistisch. Im Ruhestand will die frühere Senatsvorsitzende reisen und musizieren.
„Es geht mir eigentlich gut, ich bin dabei, alles leerzuräumen.“ Die letzten Arbeitstage von Prof. Luise Unger im Februar waren noch angefüllt mit Prüfungen, Verteidigungen von Abschlussarbeiten und dem Aufräumen des PC, damit die bisherige Leiterin des Lehrgebiets Algebra der FernUniversität in Hagen zum 1. März beruhigt in den Ruhestand gehen konnte. „Die 22 Jahre an der FernUniversität waren eine unglaublich schöne Zeit“, blickt Luise Unger, bisher einzige Mathe-Professorin an der FernUni, zurück. „Gerade in der letzten Zeit hatte ich immer stärker den Eindruck, dass die FernUni und ich uns gesucht und gefunden haben.“
Ganz besonders lag das an ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern: „Sie sind ein Highlight in meinem Berufsleben, aus allen ist was geworden.“ Und einige halten auch nach ihrem Weggang weiterhin Kontakt zum Hagener Lehrgebiet Algebra, dessen Forschungsschwerpunkt die Darstellungstheorie endlichdimensionaler Algebren war.
Hochschullehrerin mit Leib und Seele
Überhaupt liegen Luise Unger Menschen ganz besonders am Herzen. Dass die FernUniversität „mein berufliches Glück“ geworden ist, liegt ganz entscheidend auch an ihren Studierenden: „Ich habe ‚tierisch gerne‘ gelehrt. Unsere Studierenden sind einfach toll, ich habe große Hochachtung vor ihnen. Mails von Studierenden, die sich für unsere Betreuung bedanken oder in denen steht, dass sie ohne uns nicht dort wären, wo sie heute sind, machen mich stolz.“
Für die Hochschullehrerin stellte sich dabei auch immer wieder die Frage, wie man die Entfernung zwischen Hochschule und Studierenden mit kreativen Ideen, neuen Techniken und innovativen Medien verkürzen kann. Ihre richtungsweisende Entwicklung „Inverted Classrooms im Fernstudium Mathematik“ wurde von NRW-Wissenschaftsministerium und Stifterverband gefördert.
Auch Prof. Dr. Ada Pellert lernte Luise Unger „als ungemein engagierte Lehrende kennen, die sich mit viel Energie, Verve und Neugier immer auf interessante neue didaktische Formate eingelassen hat, um die fernstudienadäquate Vermittlung mathematischer Fachkenntnisse weiterzuentwickeln“. Anlässlich der Übergabe der Entlassungsurkunde betonte die FernUni-Rektorin: „Das hat mich auch deshalb beeindruckt, weil die Mathematik ja keine sehr weibliche Domäne ist und ich es daher besonders wichtig finde, dass Professorinnen hier aktiv und sichtbar sind, weil das für die Weiterentwicklung des Faches und die Vorbildwirkung für die Studierenden wichtig ist. Hier ist Luise Unger für mich beispielgebend.“
Jung und stürmisch als neue Professorin
Bevor die Professorin und die Universität wirklich zueinander fanden, mussten sie sich allerdings erst einmal aneinander „heranrobben“. Denn beide haben ihre Eigenheiten. Als Luise Unger 1999 nach Hagen kann, war sie hier die erste (und bisher einzige) Mathe-Professorin. Die junge und nach eigenen Worten „stürmische“ frühere Lise-Meitner-Stipendiatin hatte ihre eigenen Vorstellungen, die sich „natürlich“ nicht immer verwirklichen ließen.
In der mathematischen Welt eroberte sie sich ihren Platz, überzeugte fachlich und menschlich, als Wissenschaftlerin und durch ihre Loyalität zum Fachbereich Mathematik, dann zur Fakultät Mathematik und Informatik und zur Hochschule: „Ich habe mich immer für sie verantwortlich gefühlt.“ Dies auch, als die Hagener Mathematik schwere Zeiten überstehen und die wenigen Lehrgebiete das Studium neu strukturieren und modularisieren mussten. Wegen der geringen Zahl waren zudem praktisch alle in die Arbeit des Fakultätsrats eingebunden. Unger selbst gehörte dem Gremium von der ersten bis zur letzten vollständigen Wahlperiode an, zudem war sie Mitglied in fast jeder Berufungskommission. Die gemeinsame Arbeit schweißte die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen, man bekam viele Einblicke in die Arbeit der anderen, Freundschaften entstanden.
Diplomatisch als Senatsvorsitzende
Dass sie nicht nur eine Freundin klarer Worte ist, sondern auch eine große Diplomatin, stellte sie von 2018 bis 2020 als Vorsitzende des Senats der FernUniversität unter Beweis. Das Gremium sah sie als Partner, der sich gemeinsam mit der Hochschulleitung für das Wohl der Universität einsetzt. Wichtig war ihr, das Potential seiner Mitglieder zu nutzen, die sich „mit Herzblut für ihre Hochschule“ einsetzen. Gleichzeitig war es für sie „natürlich auch Aufgabe des Senats, kritisch nachzufragen und dabei die Interessen aller Angehörigen der Hochschule zu vertreten“.
„Als Senatsvorsitzende ist es Frau Unger durch ihre offene und verbindliche Art der Kommunikation gelungen, die verschieden Gremien – Rektorat, Senat und Hochschulrat – in jenem guten Miteinander zu halten, das für die Gesamtentwicklung einer Universität wichtig ist“, bestätigt FernUni-Rektorin Ada Pellert. „Sie ist ja nicht nur ein kluger, sondern auch ein politischer Kopf und daher aus voller persönlicher Überzeugung immer tätig gewesen an der FernUni, die ja als Einrichtung für die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem steht.“
Optimistische Blicke in die Zukunft
Die Zukunft der Hagener Mathematik sieht Unger hoffnungsvoll: „Ich setze auf die tollen jungen Kolleginnen und Kollegen. Sie werden die Arbeit ‚meiner Generation‘ sicher mit viel neuem Input erfolgreich weiterführen.“
Für sich selbst hofft sie, dass die Corona-Pandemie im Lauf des Jahres 2021 unter Kontrolle gebracht werden kann: „Ich wollte zunächst ausgiebig reisen, auch einmal drei bis vier Monate um die Welt. Daraus wird zunächst ja nichts.“ Ihr zweites Hobby ist die Musik. Vor fünf Jahren entdeckte sie das Cello, das sie als Jugendliche spielte, wieder für sich. Seit einigen Jahren spielt sie in einem Orchester Schlagzeug, seit neuestem macht ihr der Kontrabass Spaß.