„In Dänemark war ich erstmal Till“

Im Sabbatical produzierte Till Winkler erste Lehrvideos für Studierende. Als Professor für Informationsmanagement an der FernUni ist ihm moderne Fernlehre auf Augenhöhe wichtig.


Foto: FernUniversität
Till Winkler übernimmt den Lehrstuhl für BWL, insb. Informationsmanagement.

Die Unterschiede zwischen dem skandinavischen und dem deutschen Hochschulsystem haben Till Winkler einen kleinen Kulturschock versetzt, als er 2013 von der Humboldt-Universität zu Berlin an die Copenhagen Business School in Dänemark wechselte. „Das fing damit an, dass alle geduzt werden – außer der Königin. In Dänemark war ich also erstmal Till und nicht Professor Winkler. Für einen an einer deutschen Hochschule sozialisierten Akademiker mag das anfangs vielleicht etwas befremdlich sein.“ Doch schnell lernte er den direkten Umgangston und die Feedbackkultur zu schätzen.

„Wenn dänische Studierende etwas nicht verstehen, fordern sie vom Dozenten oder der Dozentin ein, den Stoff anders zu erklären – viel stärker als das an deutschen Unis der Fall ist.“ Winkler realisierte, dass Kritik an Lehrmethoden vor allem aus dem hohen Anspruch resultierte, den skandinavische Hochschulen an die Qualität ihrer Studienprogramme stellen. Eben diesem Anspruch möchte der Professor jetzt an der FernUniversität in Hagen unbedingt auch weiterhin gerecht werden. Der Wirtschaftsinformatiker leitet seit Anfang Januar den Lehrstuhl für BWL, insb. Informationsmanagement an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft.

Im Sabbatical Lehrvideos produziert

Nach seinem Studium der Wirtschaftsinformatik in Karlsruhe war er zunächst in der Unternehmensberatung tätig. 2012 legte er seine Promotion an der Humboldt-Universität ab. Im Jahr 2013 zog es den gebürtigen Westfalen dann an die Copenhagen Business School. Zunächst war er dort als Assistant Professor und seit 2017 als Associate Professor am Department of Digitalization tätig, dem forschungsstärksten Wirtschaftsinformatik-Department in Europa. Mitte 2019 übernahm er in der Rolle des Prodekans für das Digitale Curriculum zusätzlich die Koordination universitätsübergreifender Initiativen zur Entwicklung der Lehrinhalte in Sachen Digitalisierung.

Ich habe nach einer Möglichkeit gesucht, die Studierenden über Länder- und Zeitgrenzen hinweg zu erreichen und mit spannenden Inhalten zu versorgen.

Prof. Till Winkler

Die Copenhagen Business School gilt ebenso wie die FernUniversität in Hagen als eine Vorreiterin beim Thema Blended Learning. Doch, ähnlich wie in der jetzigen Corona-Krise, war die Aufnahme seiner ersten Lehrvideos im Jahr 2016 weniger der Strategie seiner Universität als vielmehr den praktischen Umständen geschuldet. „Ich bin während meines Sabbaticals in den USA zum Blended Learning gekommen, weil ich unbedingt einen bestimmten Kurs weiterführen wollte und nach einer Möglichkeit gesucht habe, die Studierenden über Länder- und Zeitgrenzen hinweg zu erreichen und mit spannenden Inhalten zu versorgen.“

Neu: Digitales Entrepreneurship im Master

Virtualisierte Video-Vorlesungen möchte der Wirtschaftsinformatiker auch an der FernUni anbieten, „vor allem in den Kursangeboten, die wir an meinem Lehrstuhl jetzt ausbauen.“ Dazu gehören etwa die Grundlagenveranstaltungen Informationsmanagement und IT-Governance in den Bachelor-Studiengängen, aber auch ein digitales Entrepreneurship für Masterstudierende, das Till Winkler entwickeln möchte. „Dieses Angebot richtet sich zum Beispiel an Studierende, die in Unternehmen die Rolle der digitalen Champions übernehmen oder mit dem Gedanken spielen, selbst ein Start-up zu gründen.“

Dass die digitale Innovationskraft von Unternehmen in Zukunft immer wichtiger werde, zeige sich nicht erst in der gegenwärtigen Krise. Für den neuen FernUni-Professor zeichnen sich Wirtschaftsinformatiker und Wirtschaftsinformatikerinnen vor allem dadurch aus, Probleme aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten zu können und somit technisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich machbare Lösungen zu realisieren. „Wir als FernUniversität können die digitale Transformation am besten dadurch unterstützen, dass wir allen angehenden Wirtschafts-Studierenden solche Kompetenzen mit auf den Weg geben.“

Nudging für lebenslanges Lernen

Auch wenn Till Winkler in seiner ersten Zeit an der FernUni einen Fokus auf die Erneuerung der Lehre legen möchte, bringt er doch schon Ideen für konkrete Forschungsvorhaben mit. Diese befassen sich gewissermaßen wieder mit der Feedbackkultur. „Mir schwebt die Entwicklung eines Tools vor, mit dem Studierende ihren individuellen Lernplan definieren können. Im Laufe des Semesters erhalten sie dann von uns personalisierte Motivationshilfen gemäß ihrem Lernfortschritt. Die Verhaltensökonomie kennt dieses Prinzip als Nudging.“ Manchmal reicht schon ein kleiner Schubs oder eben „Nudge“, um Studierende in ihrem Lernverhalten positiv zu beeinflussen – wie eine personalisierte Erinnerungsmail.

Diesen Zusammenhang konnten Winkler und seine Kollegen bereits in einer Studie zeigen. Jetzt geht es ihm um die Frage, wie diese „Nudges“ am besten an die individuellen Präferenzen der Studierenden angepasst werden können. Besonders an den Forschungsschwerpunkt für Digitalisierung, Diversität und Lebenslanges Lernen (D²L² ) der FernUniversität möchte Winkler mit dieser Frage andocken. Denn ob Menschen überhaupt lebenslang lernen möchten, hängt seiner Meinung nach maßgeblich davon ab, wie gut sich Lernangebote in ihren Alltag integrieren lassen. „Die Digitalisierung bietet uns enorm viele Möglichkeiten, Lehre gleichermaßen spannend, informativ und personalisiert zu gestalten. Jetzt ist es an uns, dieses Potenzial auszuschöpfen.“
 
Sarah Müller | 14.01.2021