Hagen als wissenschaftliche Heimat

Gastprofessor Dieter Nittel bringt ein DFG-Projekt zur Qualität im Erziehungs- und Bildungswesen mit an das Zentrum für pädagogische Berufsgruppen- und Organisationsforschung.


ein Mann und eine Frau reichen sich vor dem FernUni-Schild die Hand Foto: FernUniversität
Gastprofessor Dieter Nittel und Prof. Julia Schütz bauen ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit aus.

Sie kooperieren seit mehr als 20 Jahren auch über größere Distanzen hinweg. Jetzt bauen Prof. Dr. Julia Schütz, Leiterin des Lehrgebiets Empirische Bildungsforschung, und Prof. Dr. Dieter Nittel (bislang Goethe-Universität Frankfurt am Main) ihre wissenschaftliche Zusammenarbeit aus. Seit Oktober hat der renommierte Biographieforscher für ein Jahr eine Gastprofessur an der FernUniversität in Hagen übernommen. Dieter Nittel ist als Gründungsmitglied des Zentrums für pädagogische Berufsgruppen- und Organisationsforschung (ZeBO Hagen) eng mit der FernUniversität verbunden.

Qualität im Erziehungs- und Bildungswesen

Von Frankfurt bringt er sein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt zur Qualitätsentwicklung im Erziehungs- und Bildungswesen mit nach Hagen. Gemeinsam mit Prof. Dr. Julia Schütz und Dr. Stefan Klusemann wird er Qualitätssicherungsverfahren an Gymnasien, in der Erwachsenenbildung, in der Elementarbildung (Kitas und Krippen) sowie in der Sozialpädagogik (Kinder- und Jugendarbeit, Suchtarbeit) untersuchen. Verglichen werden Erfahrungen und Daten aus Institutionen und Organisationen in den vier Bundesländern NRW, Brandenburg, Bayern und Hamburg. Im Mittelpunkt stehen dabei praktische Erfahrungen mit Managementverfahren und Gütesiegeln. „Wir möchten herausfinden, wie sich diese in der Praxis bewährt haben“, erklärt Nittel. Erfasst werden darüber hinaus quantifizierbare Faktoren wie der Personalschlüssel und der vorhandene Raum in den Einrichtungen.

Bildungsbiographien als Ganzes im Blick

„Mit diesem Projekt rücken wir die Qualität im System des lebenslangen Lernens in den Mittelpunkt. Das ist genau die Idee und der kooperative Ansatz des ZeBOs Hagen“, betonen Nittel und Schütz. „Wir wollen die Bildungsbiographie als Ganzes berücksichtigen.“

Mit Blick auf das Lesen- und Schreiben-Lernen heißt das zum Beispiel, auf das Miteinander der Bildungssegmente zu schauen. In Deutschland leben 7,5 Millionen Menschen mit geringer Literalität. Jeder siebte Erwachsene hat Probleme, kürzere Texte zu verstehen. Frühkindliche Bildung, Schulen, Erwachsenenbildung und Sozialpädagogik sind im Zusammenspiel gefordert.

Beim Blick auf die Organisationen und Institutionen erwartet das Forscher-Team ein individualisiertes Bild. „Wir müssen mehr Sensibilität für die einzelne Einrichtung entwickeln“, betont Nittel. „Dabei darf die Bildungsgerechtigkeit nicht aus dem Blick geraten“, ergänzt Schütz. „Der Geburtsort sollte nicht entscheiden für die Chancengerechtigkeit sein.“ Das Forschungsprojekt will daher einen Beitrag leisten, länderübergreifende Qualitätsstandards im Bildungs- und Erziehungswesen zu entwickeln.

Prof. Dieter Nittel Foto: Privat

Die Gastprofessur ist fast ein Heimspiel für mich. Ich fühle mich an der FernUniversität sehr wohl.

Prof. Dieter Nittel

Weiterbildungen am ZeBO Hagen

Darüber hinaus wird Dieter Nittel in die Planung des Fortbildungsangebots am ZeBO Hagen einsteigen. Gemeinsam mit den beiden weiteren Gründungsmitgliedern Prof. Dr. Rudolf Tippelt und Prof. Dr. Christina Buschle wollen Schütz und Nittel Weiterbildungen für unterschiedliche pädagogische Berufsgruppen an den Start bringen. Thematisch wird es um Digitalisierung und Entwicklung von Professionalität gehen. „Wichtig ist uns dabei, dass Planung und Konzept im dialogischen Prozess mit der Praxis erfolgen“, stellt ZeBO-Sprecherin Julia Schütz heraus. „Mit unseren Fortbildungen wollen wir Brücken bauen zwischen Forschung und Praxis.“ Wichtige Impulse könnte die für April 2021 geplante Hagener Bildungskonferenz am ZeBO Hagen liefern.

Qualifikation des wissenschaftlichen Nachwuchses

Bereits angelaufen sind Angebote für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Zum Beispiel bietet Dieter Nittel eine Forschungswerkstatt für Qualifikationsarbeiten an. Auch wenn der Kontakt zu Studierenden, Lehrenden und Forschenden zurzeit nur eingeschränkt auf dem Campus möglich ist: Der Bildungsforscher ist längst an der FernUniversität angekommen. „Hagen ist für mich ein Stück wissenschaftliche Heimat“, sagt er. Der im vergangenen Jahr verstorbene Soziologe Werner Fuchs-Heinritz, der 25 Jahre an der FernUniversität geforscht und gelehrt hat, war sein akademischer Lehrer. Nicht zuletzt ist ihm die Region rund um Hagen nach einer Vertretungsprofessur an der Universität Dortmund vertraut. „Die Gastprofessur ist fast ein Heimspiel für mich“, bilanziert Nittel. „Ich fühle mich sehr wohl an der FernUniversität.“

Carolin Annemüller | 20.11.2020