Corona: Studie zu psychischen Schutzfaktoren

Was hilft Menschen dabei, psychisch gesund durch die Corona-Krise zu kommen? Das untersucht die großangelegte Studie #stayhealthy. Auch die FernUniversität beteiligt sich an ihr.


Frau in Yogakleidung vor TV Foto: andresr/E+/Getty Images.jpg
Flexibilität als emotionale Strategie: Wer sich auf Sport zuhause einlässt, anstatt sich anhaltend wegen ausfallender Kurse zu grämen, fühlt sich wahrscheinlich wohler.

Soziale Isolation, Heimarbeit und Homeschooling, wirtschaftliche Unsicherheit, gesundheitliche Ängste – die Corona-Krise ist für viele Menschen mit Stress verbunden. Wie gelingt es ihnen, trotz der hohen Belastung gesund zu bleiben und sich wohlzufühlen? Antworten darauf sucht die psychologische Studie #stayhealthy. Ein Team der HSD Hochschule Döpfer, University of Applied Sciences, der FernUniversität in Hagen und der Universität Bremen führt sie gemeinsam durch – von Hagener Seite ist Dr. Mareile Opwis beteiligt. Die Psychologin arbeitet im Lehrgebiet Gesundheitspsychologie (Prof. Dr. Christel Salewski) und bringt unter anderem ihr Fachwissen zur Emotionsregulation ins Projekt ein. Als große Online-Studie angelegt, teilt sich #stayhealthy in mehrere Befragungswellen auf. Die erste bis dritte hat das Team bereits abgeschlossen, eine vierte ist in Planung.

Das Forschungsteam

Initiiert haben die Studie Prof. Dr. Anke Lengning und Prof. Dr. Katrin Rakoczy von der HSD Hochschule Döpfer, University of Applied Sciences. Kooperationspartnerinnen sind Elisabeth Jenisch (Universität Bremen) und Dr. Mareile Opwis (FernUniversität). Zudem beteiligt sich Prof. Dr. Jennifer Schmidt von der HSD Hochschule Döpfer an dem Vorhaben.

Wohlfühlen trotz Krise

Ergebnisse aus der ersten Befragung sind schon in Fachkreisen veröffentlicht. Sie wurde im März und April durchgeführt. „Für die erste Welle haben wir eine ziemlich hohe Versuchspersonenanzahl rekrutieren können“, freut sich Mareile Opwis. „Über tausend Personen haben mitgemacht.“ Sie bestätigten vor allem, wie wichtig eine feste soziale Verankerung für die psychische Gesundheit ist – etwa durch liebende Eltern und gute Freundschaften. „Soziale Bindung ist ein sehr hoher Schutzfaktor!“, unterstreicht die Psychologin. „Zwar machen sich Menschen mit sicherer sozialer Bindung genauso viele Sorgen wie andere, gleichzeitig sind sie jedoch optimistischer. Das erklärt sich dadurch, dass Personen mit einer sicheren Bindung bessere ‚Werkzeuge‘ besitzen, um mit externen Stressoren umzugehen.“ In Zeiten starker Belastung sind sie eher in der Lage, die Geschehnisse um sich herum zu verstehen, zu handhaben und einen Sinn im eigenen Handeln zu sehen. Die Psychologie spricht hier auch von einem „hohen Kohärenzgefühl“.

Außerdem begünstigt eine gute Bindungsqualität die Fähigkeit zum sogenannten euthymen Erleben: Können Menschen trotz aller Anspannung auch einmal genießen und sich selbst etwas Gutes tun, schützt das ihre Gesundheit. „In der Krise müssen wir extrem viel neu organisieren und Woche für Woche auf Sicht fahren“, so Opwis. „Da ist es wichtig, trotzdem bewusst Pausen zu machen und sich Stressinseln zu schaffen.“

Portrait Foto: FernUniversität
Mareile Opwis

Gibt das Leben dir Zitronen, …

Im Mai führte das Team eine zweite Erhebung durch – mit dem Ziel, mehr über die Bedeutung sozialer Kontakte zu erfahren. „Wir haben zum Beispiel gefragt, wie wichtig es den Personen ist, gemeinsam Sport zu treiben oder ihre Familienmitglieder zu sehen“, erklärt Opwis. Den Grad der Wichtigkeit setzte das Team dabei immer in Bezug zu möglichen Zäsuren, die sich durch die Pandemie ergeben haben. Wie kompensieren Menschen die starken Einschnitte in ihr Sozialleben? Grübeln sie viel, verdrängen sie oder bekommen sie ihre Gefühle in den Griff? „Wir schauen, wie Personen die Veränderungen durch verschiedene Emotionsregulations-Strategien auffangen konnten“, so die Psychologin.

Die Auswertung hierzu läuft noch. Wahrscheinlich haben sich viele im Lockdown aber mit bewährten Mitteln geholfen – etwa, indem sie sich darauf konzentrierten, das Beste aus dem Status quo zu machen. Opwis: „Wenn ich nicht ins Schwimmbad gehen kann, aber über die Emotionsregulations-Strategie ‚Neubewertung‘ verfüge, bin ich vielleicht in der Lage, die Situation und meine Einstellung zu überdenken. Ich sage mir dann zum Beispiel: ‚Okay, ich wollte schon immer mal Yoga machen und habe jetzt endlich die Zeit, das zuhause vor dem Fernseher auszuprobieren.‘“

Gesund im neuen Corona-Alltag?

Eine dritte Erhebungswelle im August hält den längerfristigen Verlauf der Krise im Blick und fasst nach. „Hier haben wir einfach noch mal die Corona-Sorgen und das Wohlbefinden geprüft“, sagt Opwis. So ist der Abgleich mit den Daten zu Beginn der Krise möglich. „Der Alltag ist neu gebaut, stabilisiert worden. Die Menschen haben sich darauf eingestellt. Nun ist es interessant zu fragen, wer hat es gut geschafft? Wem ist es weniger gut gelungen?“ Geplant ist noch eine vierte Welle. Voraussichtlich untersucht das Team darin, welchen Einfluss die eigene Persönlichkeit auf die Gesundheit hat. „Haben zum Beispiel introvertierte oder extrovertierte Menschen mehr unter der Krise gelitten?“

Benedikt Reuse | 05.10.2020