Apnoetauchen: Wer überschätzt sich mehr?

Dr. Hendrik Sonnabend von der FernUniversität erforschte am Beispiel des Apnoetauchens die Neigung zur Selbstüberschätzung. Wer überschätzt seine Fähigkeiten mehr – Mann oder Frau?


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Beim Apnoetauchen tauchen die Athletinnen und Athleten mit nur einem Atemzug.

There are three things extremely hard: steel, a diamond, and to know one's self.

Benjamin Franklin

Apnoetauchen – das Tauchen mit nur einem Atemzug ist die älteste und ursprünglichste Form der beliebten Sportart. Apnoe stammt aus dem altgriechischen und bedeutet „Nicht-Atmung“. Der Weltrekord liegt bei 214 Metern, bei dem der Österreicher Herbert Nitsch mehr als neun Minuten seinen Atem anhielt.

Untersuchung von über 40 000 Tauchgängen

In seinem Forschungsprojekt „Gender differences in overconfidence and decision-making in high-stakes competitions: evidence from freediving contests“ (Geschlechterunterschiede in der Neigung zur Selbstüberschätzung und Entscheidungsfindung in Wettbewerben am Beispiel aus Freitauchwettbewerben) untersuchte er gemeinsam mit Dr. Mario Lackner von der JKU Linz, welches Geschlecht mehr zur Selbstüberschätzung neigt. Aus den offiziellen Listen der AIDA (internationale Vereinigung zur Entwicklung des Apnoetauchsports) untersuchten die beiden Wissenschaftler über 40 000 Tauchgänge.

Leistung vorher selbst einschätzen

„Ich bin auf das Thema in einem Zeitungsartikel gestoßen, in dem über die Apnoetaucherin Anna von Boetticher (deutsche Rekordhalterin) berichtet wurde“, erzählt Dr. Hendrik Sonnabend. Das Besondere am Freitauchen ist, dass die Teilnehmenden einen Tag vor dem Wettbewerb ihre Leistung selber einschätzen müssen. Das gehört zu den Sicherheitsvorkehrungen. „Das hat mich sofort neugierig gemacht, denn hier gibt es zwei eindeutige Ergebnisse – der eingeschätzte Wert und das tatsächliche Resultat.“

Kaum vergleichbare Feldstudien

„Beim Apnoetauchen ist intuitiv sofort klar, worum es geht, es gibt kaum vergleichbare Feldstudien, wo die Ergebnisse so präzise sind“, meint Sonnabend. Zudem ist Apnoetauchen nicht männlich oder weiblich geprägt. Es gibt hier einen vergleichsweise großen Anteil an weiblichen Teilnehmenden. Das Freitauchen wird von den Athletinnen und Athleten als „reiner Sport“ und nicht als „Adrenalin-Kick“ verstanden, da Adrenalin den wichtigen Sauerstoff verbraucht. Viele Tauchende empfinden das Apnoetauchen als „spirituelle Erfahrung“.

Um herauszufinden, welches Geschlecht mehr zur Selbstüberschätzung neigt, konzentrierte sich Sonnabend auf die Tiefenwettbewerbe. Bei dieser Disziplin wird eine Bodenplatte nach der Meter-Einschätzung der Teilnehmenden eingesetzt, diese müssen sie erreichen.

Punktabzug für abweichende Ergebnisse

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Hendrik Sonnabend untersuchte am Beispiel des Apnoetauchens die Neigung zur Selbstüberschätzung.

Die Teilnehmenden sollten sich daher möglichst genau einschätzen, da falsch eingeschätzte Ergebnisse von der Jury bestraft werden. Für jeden abweichenden Meter werden den Athletinnen und Athleten fast genauso so viele Punkte abgezogen, wie es für den einzelnen Meter gibt, der erreicht wurde.

Männer neigen mehr zur Selbstüberschätzung

Das wesentliche Ergebnis der Studie ist, dass die Wahrscheinlichkeit, sich selbst zu überschätzen, bei Männern 18% höher ist als bei Frauen. Überraschend hierbei ist, dass insbesondere die erfahrenen männlichen Athleten ihre Leistung überschätzen. „Bei den unerfahrenen Sportlerinnen und Sportler gibt es keine Unterschiede. Es scheint so, als würden Männer lernen, sich systematisch selbst zu überschätzen.“ Die beiden Wissenschaftler erklären sich das überraschende Ergebnis damit, dass Männer ihre Leistung überschätzen, um sich damit selbst zu motivieren. „Sie geben ambitionierte Ergebnisse an, wollen sich selber an ihre Grenzen bringen, um ihre Leistung deutlich zu verbessern“, meint Sonnabend. Der selbstmotivierende Effekt ist bereits erforscht. In anderen Studien reagierten männliche Probanden ebenfalls stärker auf selbstgesetzte Ziele als weibliche Probandinnen.

Frauen leiden stärker unter Selbstüberschätzung

Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass Frauen im Ranking mehr darunter leiden, wenn sie sich selbst besser bewertet haben. Zwar rutschen sowohl Frauen als auch Männer durch eine fehlerhafte Selbsteinschätzung in der Rangliste ab, aufgrund der Wettbewerbsdichte bei den weiblichen Teilnehmenden verlieren sie aber deutlich mehr an Punkten und eine falsch eingeschätzte Leistung wiegt bei ihnen schwerer. Das Ausmaß der Selbstüberschätzung ist unerwartet bei Männern und Frauen gleich.

Unterstützung bei der Recherche erhielt Hendrik Sonnabend durch die studentische Hilfskraft Houda Ben Said. Zwischendurch holte sich Sonnabend auch regelmäßig ein Feedback zu seinem Projekt bei seinem Lehrstuhl für Volkswirtschaftslehre, insbes. Wirtschaftspolitik (Prof. Dr. Grosser) ein. Das Forschungsprojekt stellte Hendrik Sonnabend bereits vor Kurzem auf der größten Ökonomiekonferenz der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik (VfS) vor, die dieses Jahr virtuell stattfand.