GPS-gesteuert unter Wasser mähen
Ein Student der FernUniversität entwickelte in seiner Masterarbeit eine automatische Steuerung für ein Mähboot, das effizient gegen die rasant wuchernde Wasserpest eingesetzt wird.
Mit dem „GPS-Navi“ unter Wasser Elodea mähen: Stephan Werbeck hat in seiner Masterarbeit an der FernUniversität in Hagen einen höchst genau arbeitenden Autopiloten zur Steuerung eines Bootes entwickelt, das für einen „sicheren Schnitt“ gegen die Wasserpest eingesetzt wird. Die rasant wuchernde Pflanze macht den Wassersport Treibenden in immer mehr Gewässern das Leben schwer, in der Ruhr zwischen Dortmund, Hagen, Herdecke und Wetter bereits seit 20 Jahren. Nur häufiges Mähen hilft, war aber bisher ineffizient. Daher hat der Student der FernUniversität ein automatisches Steuerungssystem für ein Mähboot gebaut und programmiert. Dabei arbeitete Werbeck mit dem Ruhrverband und dem Yachtclub Harkortsee zusammen. Betreut wurde er bei seiner Masterarbeit von apl. Prof. Christian Icking. Die Innovation unterstützt als Assistenzsystem den Bootsführer, ein autonomer Betrieb ist vor allem aus Sicherheitsgründen nicht vorgesehen. Das System gab es nach übereinstimmender Meinung verschiedener Fachleute in dieser Form bisher wohl nicht.
Der Harkort- und der Hengsteysee sind zwischen Dortmund, Hagen, Herdecke und Wetter aufgestaute Ruhrbereiche. Auch Stephan Werbeck aus dem nahegelegenen Witten lässt sein Segelboot gerne auf dem Harkortsee zu Wasser. Im Yachtclub gehört er zu den Mitgliedern, die die lästigen Pflanzen mähen. Dafür stellt der Ruhrverband – der für die Wasserwirtschaft an der Ruhr zuständig ist – den hier ansässigen Vereinen seit 2016 ein Mähboot zur Verfügung.
Das regelmäßige Mähen ist die derzeit einzige Möglichkeit zur Bekämpfung der Wasserpest. Immer wieder mussten Seglerinnen und Segler, die im Harkortsee festsaßen, freigeschleppt werden. Oft können die Boote nicht einmal mehr die kleinen Häfen am See verlassen. Auch Sportlerinnen und Sportler mit Kajaks und Ruderbooten haben große Probleme.
Elodea bildet verfilzte Inseln
Vom Mähboot aus sehen kann man die Pflanzen erst, wenn sie bis dicht unter die Wasseroberfläche herangewachsen sind. Am besten werden ihre Triebe jedoch viel früher abgeschnitten: Je mehr Licht sie bekommen, desto schneller wachsen sie. An der Oberfläche entwickeln sie Seitentriebe, die sich rasant ausbreiten und mit Algen vermischen. „Auf diesen verfilzten Inseln können Enten und sogar Gänse laufen“, erläutert Yachtclub-Mitglied Bernhard Vogeler. Bei einem späten Schnitt fällt viel mehr Biomasse an, zudem können die etwa zwei Meter langen Pflanzenreste am flussabwärts liegenden Wehr zu Problemen führen.
Es ist also aus mehreren Gründen sinnvoll, frühzeitig zu mähen. „Doch im Gegensatz zu Rasenmähern sieht man im Wasser nicht, wo man schon war“, so Thomas Brinkmann, Leiter der Stauseengruppe Ost des Ruhrverbands. Zudem drückt das Boot beim Mähen Triebe zur Seite, die kurze Zeit später wieder emporragen.
Werbeck ging es wie vielen anderen Wassersportlern: „Wir haben mit dem Mähboot zwar unsere Anlegebereiche freigemacht, aber der See war immer noch grün. Dann will man mehr, es entstehen Begehrlichkeiten.“ Der Mechatroniker mit Fachhochschuldiplom, der sich 2014 an der FernUniversität für den Masterstudiengang Praktische Informatik einschrieb, sprach mit Bernhard Vogeler über das Problem. Vogeler koordiniert für den Club die Mäheinsätze: „Wir haben bisher immer auf gut Glück gemäht.“ Hinzu kommt, dass das kurze Boot außerordentlich wendig ist, dafür ist der Geradeauslauf – unter anderem durch Strömungen – instabil: „Wie bei einem Auto auf Glatteis“, erläutert Werbeck. „Das Boot bewegt sich vorwärts, es dreht sich schnell und ändert die Geschwindigkeit.“
Wie also sollte Mähen „Spur an Spur“ realisiert werden können?
„Team FernUniversität“
Die Lösung war für Werbeck und Vogeler ein GPS-basiertes Fahrassistenzsystem, das den Bootsführer sich bei der Navigation unterstützt. Sie holten dafür Christian Icking „mit ins Boot“. Er ist außerplanmäßiger Professor im Lehrgebiet Kooperative Systeme an der FernUniversität. „Wir haben bis spät in die Nacht diskutiert“, blickt Werbeck zurück. Vogeler ist Mathematiker und war bis zu seinem Ruhestand unter anderem im FernUni-Rechenzentrum bzw. seiner Nachfolgerin Zentrum für Medien und IT (ZMI) tätig. Wie auch Icking war Vogeler ein „geistiger Sparingspartner“ für Werbeck, zudem kam er als „Testfahrer“ zum Einsatz.
Die Entwicklung erlaubt es, Mähgebiete im See zu definieren und diese systematisch abzufahren, auch wenn Elodea nicht zu sehen ist. Begonnen hatte die Entwicklung mit der Programmierung einer Logfunktion, die die bereits befahrenen Seeflächen sowie die aktuelle Fahrroute aufzeichnete und live auf einem Computermonitor darstellte. Ein großer Fortschritt, doch zu ungenau, weil nur Daten eines einzelnen GPS-Gerätes verwendet wurden. Zudem war die manuelle Steuerung anhand von Live-Daten auf dem Monitor anstrengend und fehleranfällig. 2019 verbesserte Werbeck die Entwicklung. Thomas Brinkmann vom Ruhrverband und sein Team unterstützten ihn u.a. durch Umbauten an der Bootssteuerung.
Vollautomatische Steuerung
Die aktuelle Ausbaustufe des Fahrassistenten nutzt zwei GPS-Geräte an Bord und ein weiteres, an Land fest installiertes Differential-GPS. Die Ortsbestimmung ist jetzt bis auf weniger als zweieinhalb Zentimeter genau.
Mithilfe dieser Daten wurde in Kooperation mit Prof. Icking ein mathematisches Modell entwickelt und an das Softwaresystem der Bootssteuerung angebunden. Die Software kann nun das Boot sogar vollautomatisch steuern, während seine Besatzung den Verkehr auf dem See beobachtet und ggfs. eingreift. Doch bleibt das Boot aus Sicherheitsgründen weiterhin besetzt: Ein autonomes System müsste enorm teure Anforderungen erfüllen. Dank der automatisierten Steuerung und der hohen Genauigkeit der GPS-Daten kann weitgehend lückenlos und ohne Fehlstellen gemäht werden.
Absolvent mit vielen Kompetenzen
„Stephan Werbeck hat viele Kompetenzen mitgebracht, es ging ja um mehr als pure Informatik“, lobt Icking den Absolventen. Unter anderem kannte er sich als Mechatroniker auch gut mit Steuerungs- und Regelungstechnik aus. Der Professor weiter: „Eigentlich ist das, was er geleistet hat, ein Projekt für ein ganzes Team.“ Insgesamt dauerte es rund zwei Jahre lang, die meiste Zeit benötigten die Vorbereitungen wie z.B. die Datensammlungen. Am Ende stand dann ein glänzender, parallel zum Beruf erworbener Masterabschluss.
Mit der Entwicklung ist auch der Ruhrverband sehr zufrieden. Als Werbeck und Vogeler auf ihn zugingen, stand Thomas Brinkmann der Idee zunächst noch ablehnend gegenüber. Er erkannte aber schnell, dass hier Profis am Werk waren und die geplante Entwicklung den Bediener des Boots – an den viele Anforderungen gestellt werden – stark entlasten und die Effizienz des Mähens erheblich verbessern konnte.
Bei der öffentlichen Vorstellung des Systems wurde bereits deutlich, dass es auch in Essen großes Interesse daran gibt, auf dem Baldeneysee zukünftig mit dem System einen guten Schnitt gegen Elodea zu machen.