Divers – eine Frage der Gleichstellung und Antidiskriminierung

Weiblich, männlich, divers, keine Eintragung – die Reform des Personenstandsgesetzes diskutierten ausgewählte Gäste vor Ort in Hagen und 300 Online-Teilnehmende.


Weiblich, männlich, divers, keine Eintragung – die Reform des Personenstandsgesetzes lässt seit Dezember 2018 vier Optionen zu, das Geschlecht zu erfassen. „Die Geschlechtervielfalt ist selbstverständlich auch Realität an Hochschulen. Aus diesem Grund tragen Hochschulen als öffentlich-rechtliche Organisationen die Verantwortung, Hochschulangehörigen und Studierenden diskriminierungsfreie Studien- und Arbeitsbedingungen zu ermöglichen“, so Prof. Ada Pellert. Mit diesen Worten eröffnete die Rektorin der FernUniversität die „Fachtagung Personenstand: divers. Gleichstellung weiterdenken“, die als Hybridveranstaltung organisiert war – mit ausgewählten Gästen vor Ort in Hagen und 300 Online-Teilnehmenden.

Konsequenzen für Hochschulen

Die Fachtagung bot die Gelegenheit, über die Konsequenzen der Reform des Personenstandsgesetzes für die gesamte Hochschule nachzudenken und zu diskutieren. Denn: „Die Reform führt es uns erneut deutlich vor Augen, wie elementar die Ordnung der Zweigeschlechtlichkeit unsere Institutionen, unsere administrativen Abläufe sowie unser Denken und Sprechen strukturiert“, sagte Pellert.

Als Referentin konnte das Organisationsteam um Antke Engel, Katharina Walgenbach und dem Gleichstellungsteam Prof. Susanne Baer (LL.M.) gewinnen. Sie ist seit Februar 2011 Richterin des Bundesverfassungsgerichts im Ersten Senat in Karlsruhe und hat eine Professur für Öffentliches Recht und Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin.

Susanne Baer ordnete die Änderungen des Personenstandsgesetzes juristisch ein, zog den verfassungsrechtlichen Rahmen nach und warf offene Fragen für die Diskussion auf: Sie hob die Diskrepanz hervor zwischen der oft heftig bekämpften feministischen Debatte und der relativ geräuschlosen Diskussion um die Anerkennung der dritten Geschlechtsoption. Wichtig sei es dabei, sich an einem substanziellen Gleichheitsbegriff zu orientieren. Ein konkreter Ansatz lautete: „Wir sollten uns darauf konzentrieren, diskriminierungsfrei zu handeln.“ Denn das verschiebt Verantwortlichkeiten von Betroffenen hin zu Organisationen und Institutionen.

Diskussionsimpulse gab es auch von Prof. Antke Engel, die eine Gastprofessur am Lehrgebiet Bildung und Differenz der FernUniversität innehat und das Institut für Queer Theory leitet, sowie von Prof. Maria Wersig, Professorin für Recht in der Sozialen Arbeit an der Hochschule Dortmund und Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes.

„Wir müssen der Komplexität der Lebenslagen gerecht werden, um eine zeitgemäße Gleichstellungspolitik zu erreichen.“ Antke Engel sprach der Option divers ein großes Potenzial als „deutungsoffener Begriff“ zu, der die Verengung auf Identitätsfragen überwindet. Auch Maria Wersig schloss sich dem Ziel an, die binäre Geschlechterordnung zu überwinden ­und Gleichstellung intersektional weiterzudenken – eine Anregung, die auf dem Abschlusspanel rege diskutiert wurde.

Anja Wetter | 15.07.2020