Beeinflusst CoVid-19 Mieten und Immobilienpreise?

Zeitweise könnten die Kosten leicht sinken. Die Attraktivität des Umlands teurer Metropolen könnte durch Homeoffice-Arbeit gesteigert werden, so ein Volkswirt der FernUniversität.


Foto: Gerd Dapprich
Begehrt und teuer: Wohnraum in München

CoVid-19 ändert vieles, aber nicht alles. Ein Problem, das die Öffentlichkeit schon lange vor der Corona-Krise bewegte, dürfte auch in Zukunft (wieder) ein „Aufreger“ sein, so der Makroökonom Prof. Dr. Helmut Wagner von der FernUniversität in Hagen: Mieten und Immobilienpreise. Er sieht jedoch Chancen, dass die langfristigen Trends auf beiden Märkten durch das Virus für eine gewisse Zeit unterbrochen werden. Vor allem dann, wenn der Staat im Zuge des Wiederaufbaus der Wirtschaft in den sozialen Wohnungsbau investiert und damit wenigstens in einem Teil des Mietwohnungsmarktes den Druck mindert.

In bestimmten Bereichen hält Prof. Wagner sogar dauerhaft sinkende Mieten für möglich. Mini-Appartements etwa werden gerne von Studierenden und mobilen Beschäftigten gemietet, oft als Zweitwohnung. Angesichts des sicher steigenden Trends zum Arbeiten im Homeoffice infolge von Corona könnte die Nachfrage sinken, denn Millionen von Beschäftigten haben die Erfahrung gemacht, dass man auch in geeigneten Wohnungen arbeiten kann, entfernt von Metropolen. Am anderen Markt-Ende, bei luxuriösen Mietwohnungen, sieht Wagner ebenfalls sinkende Preise: wegen Einkommensminderungen und „Vorsichtssparen“.

Prof. Helmut Wagner war bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand vor wenigen Wochen Inhaber des Hagener Lehrstuhls für Makroökonomie. Der Volkswirt und Soziologe ordnet die zurzeit vorliegenden Informationen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung ein, sagt aber auch ganz klar, dass es für genaue Vorhersagen von Zeiten und Prozenten heute noch zu früh ist: „Beides hängt von der Verbreitung des Virus ab, die ja noch nicht abschätzbar ist.“ Bereits Jahre, bevor es tatsächlich geschah, warnte er vor dem Platzen der „Immobilien-Blase“ in den USA.

„Sog“ der Metropolen

Preistreiber Nummer eins bei Mieten und bei Immobilienpreisen ist der – oft beruflich motivierte – Umzug in Metropolen, wo der großen Nachfrage ein viel zu knappes Angebot gegenübersteht. Berlin, München und Hamburg haben in den letzten zehn Jahren ihre Einwohnerzahlen um zusammen 700.000 gesteigert (insgesamt gewannen die 66 deutschen Großstädte allein von 2010 bis 2016 1,35 Millionen Einwohner).

Foto: Hardy Welsch
Prof. Helmut Wagner

Gleichzeitig sind – Stand Januar 2020 – die Mieten bei Neuverträgen in Ballungsgebieten weiter stark gestiegen: „In München um 61 Prozent, in Berlin um 104 Prozent“, erläutert Wagner. In weniger attraktiven Städten wie Duisburg, Gelsenkirchen oder Hagen stiegen die Mieten um 17 bis 22 Prozent: „Die Diskrepanz zwischen den Metropolen und dem Rest wird immer größer!“

Ein anderer Faktor ist die steigende Zahl von Studierenden: „In einigen Hochschul-Städten gingen die Mieten um etwa 40 Prozent nach oben.“ Auch der Zuzug von Migrantinnen und Migranten hat Folgen. So steigen nicht nur bei den teuren Wohnungen die Mieten, sondern auch bei den billigeren. „Hinzu kommt die demografische Entwicklung“, so Wagner. „Die Menschen werden immer älter. Früher haben Ältere sich wohnungsmäßig ‚verkleinert‘. Heute sehen sie gar nicht ein, für den gleichen Preis nur noch die halbe Fläche zu haben.“

Corona lässt Immobilien-Blase schrumpfen

Tendenziell ähnlich hat sich der Immobilienmarkt entwickelt, mit allerdings viel höheren Preissteigerungen. Hier hatte Wagner die Sorge, dass es zu einer „Blase“ kommen könnte und bei ihrem Platzen zu einer weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise. Das fürchtet er jetzt erstmal nicht mehr: „Infolge der Corona-Krise nimmt die Überhitzung des Immobilienmarktes schnell ab.“

  • Der Grund für eine Immobilienblase ist die „optimistische Erwartung, dass die Preise immer weiter steigen“, erläutert Prof. Helmut Wagner. „Viele spekulieren darauf, dass sie bald ihr Eigentum mit erheblichem Gewinn verkaufen können.“ Für den Kauf von Immobilien nehmen sie Kredite auf, die sie nicht mehr zurückzahlen können, wenn der Markt seinen Höchststand überschritten hat. Die Preise fallen schnell, weil weitere potentielle Käuferinnen und Käufer nun darauf setzen, später noch weniger zahlen zu müssen und deshalb zunächst abwarten. Das zwang z.B. 1990 in Japan und 2007 in den USA nicht nur die Käuferinnen und Käufer finanziell in die Knie, sondern auch die Banken, die Kredite leichtfertig vergeben hatten.

„Zum einen wird der dramatische Wirtschaftseinbruch viele Immobilienbesitzer kurzfristig zu Notverkäufen zwingen. Zum anderen haben die meisten Menschen das Bedürfnis, in einer Krise liquide zu bleiben – also ist ‚Vorsichtssparen‘ angesagt.“ Besonders bei Luxusimmobilien dürften die Preise kurzfristig fallen, um wohl 10 bis 25 Prozent.

Längerfristig sieht Wagner sich wieder „erholende“ Preise: „Die Übernachfrage wird ja weiterbestehen, an vielen Einflussfaktoren ändert sich nichts Grundlegendes.“ Wagner hält ein Szenario für realistisch, bei dem der Mittelstand verarmen und die Schere zwischen Arm und Reich größer wird: „Die Reichen können sich ‚gesundschrumpfen‘ und noch reicher werden, wenn sich die Kurse ihrer Aktien wieder stabilisieren. Der Mittelstand wird wohl auf seinen Verlusten sitzen bleiben.“ Die Nachfrage dürfte dann steigen, vor allem nach teureren Immobilien.

Kurzfristig sinkend, dann steigend

Teilweise ähnlich sieht Wagner die Entwicklungen bei Mietwohnungen: kurzfristig sinkende Kaufpreise und Mieten, dann langfristig steigend, allerdings bei den Mieten langsamer und mit geringeren Ausschlägen nach unten und oben.

Dass Wohnraum weiterhin knapp sein dürfte, ist auch eine Corona-Folge. In der Krise verlieren viele Investorinnen und Investoren einen Teil ihres Vermögens und vermindern daher ihr Engagement: „Bei inländischen Wohnimmobilien haben ausländische Kapitalgeber zuvor zehn Prozent investiert, bei Gewerbeimmobilien sogar 50.“

Insgesamt schätzt Wagner die Entwicklung der Mieten als ruhiger ein als die der Immobilienpreise: „Die Mieten stiegen geringer als die Eigentumspreise. Es kann aber auch hier einen vorübergehenden Rückgang geben.“ Zwar werden auch viele Mieterinnen und Mieter in Mietrückstand kommen, jedoch dürften Vermieter sich überlegen, ob sie ihnen kündigen: Die Suche nach solventen Nachfolgern sei nicht einfach, so Wagner, der nach einem wohl eher geringen Mietenrückgang eine „stabile Lage mit leichten Steigerungen“ sieht.

In Sozialen Wohnungsbau investieren

Der Staat sollte im Zuge des Wiederaufbaus der Wirtschaft auch in den Sozialen Wohnungsbau investieren.

Prof. Helmut Wagner

Wo sollte aus volkswirtschaftlicher Sicht angesetzt werden? „Der Staat sollte im Zuge des Wiederaufbaus der Wirtschaft auch in den Sozialen Wohnungsbau investieren“, rät Wagner, „Das würde wenigstens in den preiswerteren Bereichen für eine Entspannung sorgen.“

Allerdings ist die Baubereitschaft in Deutschland insgesamt nicht hoch, schon gar nicht im Sozialwohnungsbau: „Viele Kommunen haben bisher viel zu wenig Mittel dafür abgerufen. Ihre Begründungen: keine Baufirmen, keine Bauflächen, Widerstand gegen neue Baugebiete...“

Zudem hätten sich Investoren schon vor Corona zurückgezogen und dies mit hohen Baukosten, rigiden Vorschriften und unkalkulierbaren Mietregulierungen begründet. Wagner: „Es ist eine alte volkswirtschaftliche Weisheit, dass ein staatlicher Preisstopp zu einem Angebotsrückgang führt.“ Mietpreisdeckel etwa seien daher kontraproduktiv.

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Arbeiten zuhause statt im Büro könnte dazu beitragen, den Sog der Metropolen zu mildern. Dafür muss jedoch die Infrastruktur passen.

Sein Fazit hierzu: „Man weiß schon, was man machen müsste. Aber es ist schwierig umzusetzen, weil viele nicht mitspielen.“

Eine offene Frage ist für ihn, ob bei einer länger andauernden Krise und angesichts immer teureren Wohnens der Sog der Metropolen nachlassen könnte, die ja auch viele Schattenseiten haben: „Dafür müsste im Umland die Infrastruktur für den privaten und den beruflichen Bereich besser werden, etwa das Internet für das Homeoffice, aber auch Verkehrsanbindung, Bildung und Kinderbetreuung bis hin zu medizinischer Versorgung und Einkaufsmöglichkeiten.“

Gerd Dapprich | 06.05.2020