„Abfallwirtschaft“ vermeidet Abfall nicht wirklich

Über die Notwendigkeit der Kreislaufwirtschaft sprachen der Präsident und der zuständige Abteilungsleiter des Wuppertal Instituts in der FernUni Hagen. Das Video ist jetzt online.


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„Wir haben Glück gehabt und hohe wissenschaftliche Qualität hierher geholt – und das auch noch mit einem günstigen ökologischen ‚Fußabdruck‘“, freute sich Prof. Dr. Alfred Endres darüber, dass er den Präsidenten des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie und den Abteilungsleiter für Kreislaufwirtschaft in die FernUniversität in Hagen holen konnte: Prof. Dr. Uwe Schneidewind und Dr. Henning Wilts sprachen über die „Kreislaufwirtschaft als Zukunftskunst“ in der Ringvorlesung Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit des gleichnamigen FernUni-Forschungsschwerpunktes.

Ein Mann steht am Rednerpult, ein Mann sitzt unter einer Wandprojektion. Foto: FernUniversität
Nachdem Prof. Uwe Schneidewind in die Thematik eingeführt hatte, erläuterte Henning Wilts was Kreislaufwirtschaft ist und wo ihre Vorteile liegen.

Den mehr als 50 konzentriert zuhörenden und diskussionsfreudigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern machten Prof. Schneidewind und Dr. Wilts deutlich, dass die mit einer Kreislaufwirtschaft verbundene Steigerung der Ressourceneffizienz nicht zuletzt auch viele Potenziale birgt, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu erhöhen. Weit über 80 Prozent der eingesetzten Rohstoffe sind jedoch noch immer ressourcenintensive Primärmaterialen.

Deutschland kein Weltmeister der Abfallverwertung

Die deutsche Industrie ist hier alles andere als ein Vorbild: „Abfallwirtschaft ‚können wir‘ extrem gut“, so Henning Wilts, „sie ist extrem lukrativ, so wie wir sie betreiben“. Deutschland sei aber nur vordergründig Weltmeister bei der Abfallverwertung, es habe sich zu lange auf technologische Lösungen verlassen. Eine konsistente Kreislaufwirtschaftsstrategie fehle ebenso wie eine Abfallvermeidungskultur. Die Gleichung „mehr Wirtschaftswachstum gleich mehr Abfall“ müsse durch eine nachhaltige Ressourcennutzung, eine Kreislaufwirtschaft, durchbrochen werden.

Warum „Zukunftskunst“?

Ausgangspunkt für den Begriff „Zukunftskunst“ im Zusammenhang mit Kreislaufwirtschaft waren Bedenken von Prof. Schneidewind, mit seinen Gedanken außerhalb der Wissenschaftswelt nichts zu bewegen: Die Art und Weise, mit der in der Wissenschaft oft geschrieben und kommuniziert werde, berühre die Menschen nicht. Andererseits hatte er bei einem dreiwöchigen „Gastspiel“ im Wuppertaler Opernhaus Menschen kennengelernt, „die genau wissen, dass sie ein tolles Libretto geschrieben haben – das aber relativ wenig wert ist, wenn es nicht gut inszeniert und gesungen wird“. Schneidewind weiter: „Wenn man Menschen mitnimmt und in Bewegung setzen will, braucht man ein Gefühl für die Vieldimensionalität von Themenstellungen ebenso wie für die Art und Weise, wie Menschen ticken. Das steckt im Begriff ‚Zukunftskunst‘.“

Deutschland überlege – im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern – jedoch noch nicht einmal, eine konsistente Kreislaufwirtschaft einzuführen. Das Wort „Kreislauf“ werden von vielen nur als Alibi benutzt, um nicht über den hohen Verbrauch neuer Ressourcen nachdenken zu müssen, so Wilts. Beides werde „zusammengeworfen“, um den tatsächlichen Rohstoffverbrauch zu verschleiern.

Nachhaltiges Ressourcenmanagement

Notwendig dafür sei ein nachhaltiges Ressourcenmanagement. Die Veränderungsprozesse lassen sich, so Schneidewind, auch mit Mitteln der Kunst wie z.B. persönlicher Energie, Rhythmus und Bewegung in ganz anderer Weise managen als mit Mitteln, die in der Wirtschaft zur Verfügung stehen. Daher müssten Technologie, Ökologie, Kunst und Institution hierbei gemeinsam gedacht und die verschiedenen Aspekte erfolgreicher Transformationen integriert betrachtet werden, um die Technikfixierung der Kreislaufwirtschaft kritisch zu hinterfragen.

Menschen sitzen nebeneinander und blicken nach vorne. Foto: FernUniversität
Interessiert und diskussionsfreudig: Mehr als 50 Zuhörerinnen und Zuhörer waren zu der Ringvorlesung Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit gekommen.

Die digitale Entwicklung kann für die Einführung einer Kreislaufwirtschaft positiv sein. Das machte Wilts an einem Zukunftsszenario deutlich: Ein „smarter“ Kühlschrank erkennt, wann Lebensmittel nicht mehr verwendbar sind, unbrauchbare Geräte wandern in eine „intelligente“ Mülltonne, der den Wert seines Inhalts berechnen kann, den er dann im Internet verkauft.

Mit „Wissenschaftsperlen“ kooperieren

Schneidewind ist an einer Forschungskooperation seines Instituts mit der FernUniversität und der Privaten Universität Witten/Herdecke sehr interessiert: „Im Bereich Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit schlummert unendlich viel. Wir haben hier Perlen des Wissenschaftssystems!“ Ein Weg, sich besser kennenzulernen und zu konkreten Kooperationen zu kommen, führt für Schneidewind über die Ringvorlesung Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit.

Gerd Dapprich | 28.11.2019