Viele Stolpersteine für neue Verkehrskonzepte

Der Verkehrsexperte Prof. Michael Schreckenberg hielt in der Ringvorlesung „Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit“ der FernUniversität einen Vortrag über die Zukunft der Mobilität.


„Die Zukunft wird so schnell nicht besser werden“. Am Ende seines Vortrags „Die Zukunft der Mobilität – wie wir uns bewegen werden“ an der FernUniversität in Hagen zog Prof. Dr. Michael Schreckenberg Bilanz. Sie ernüchterte diejenigen der fast 80 Interessierten, die sich einen konkreten Ausblick erhofft hatten. Der Vortrag des Professors für die Physik von Transport und Verkehr an der Universität Duisburg-Essen fand im Rahmen der Ringvorlesung „Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit“ des gleichnamigen neuen Forschungsschwerpunktes der FernUniversität statt.

Ein Mann steht an einem Rednerpult und spricht. Foto: FernUniversität
Prof. Michael Schreckenberg

Angesichts der immer weiter zunehmenden Verkehrs(stau)lagen sind neue Konzepte für die zukünftige Mobilität gefragt. Mit automatisierten Fahrzeugen, besserem öffentlichen Verkehr, Fahrradschnellwegen, Flugautos, Drohnen oder sogar Robotern versucht man, dem drohenden Verkehrskollaps zu entgehen. Die Anforderungen von Verkehrslenkung und Umweltschutz können sich jedoch ebenso widersprechen wie wirtschaftliche und individuelle Interessen. Nicht zu vergessen sind Steine, die Gesetzgebung und Politik in den Weg legen oder auf dem Weg liegen lassen.

Feinstaub durch E-Autos

Der zunehmende Verkehr verursacht Umweltprobleme, Lärm, Staus, Verspätungen... Aus dieser Sackgasse kommt man nur mit einer Verkehrswende heraus. Schlüssel hierfür sind die Digitalisierung und Vernetzung von Mobilität. Im Verkehrssystem der Zukunft müssen emissionsarme Verkehrsmittel alle am Verkehr Teilnehmenden schnell, sicher und klimaschonend an ihr Ziel bringen.

Ein höchst aktuelles Thema ist die E-Mobilität, um den Kohlendioxidausstoß zu vermindern. „Doch auch E-Autos verursachen massiv Feinstaub“, so Schreckenberg zum für ihn nächsten Ausgangspunkt einer breit angelegten Diskussion. Für diese Technologie fehlen, wenn sie sich weit verbreitet, zudem die Rohstoffe. Die Zukunft liegt für den Professor daher antriebsseitig eher in der Wasserstofftechnologie.

Autonomes Fahren

Staus und Unfälle vermeiden helfen können „autonome“ Fahrzeuge. Doch müsse ein solches Fahrzeug die Verkehrsregeln zu 100 Prozent beherrschen. Und viele ethische Probleme sind noch zu lösen. Ebenso technische: Für autonomes Fahren wird eine flächendeckende G5-Netzabdeckung benötigt, die in absehbarer Zeit nicht zu erwarten ist. So sieht Schreckenberg gerade einmal selbstfahrende Lieferwagen in entsprechend ausgestatteten Bereichen als interessant an, deren Pakete von Drohnen zu den Empfängerinnen und Empfängern gebracht werden.

Eine Frau und vier Männer stehen zusammen und sprechen miteinander. Foto: FernUniversität
Rektorin Ada Pellert und Forschungsprorektor Prof. Andreas Kleine (2.v.re.) erläuterten zusammen mit Senior Advisor Prof. Alfred Endres (re.) sowie Prof. Michael Schreckenberg (li.) den FernUni-Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit. Prof. Wolfram Schiffmann (2.v.li.) stellte das STREAM-Projekt vor.

Die Realität: „Wir werden noch zehn bis 15 Jahre massive Einschränkungen haben, wir hinken weit hinterher!“ Das Land Hessen zum Beispiel will Vorreiter der Verkehrswende werden und die besten Voraussetzungen dafür schaffen, dass die Verkehrswende im Land bis 2035 Wirklichkeit wird: mit der „Hessenstrategie Mobilität 2035“. Darüber kann Schreckenberg sich nur wundern: „Mit der uralten Kupferkabel-Technik für kleine Orte…“ Für autonomes Fahren müssen Datenmengen im Terabitbereich bewegt werden. Mit Kupferkabel ist das unmöglich.

Ein Alternative zum heutigen Individualverkehr könnte ein kostenloser öffentlicher Personenverkehr sein. Dem stehen aber unter anderem hohe Fahrpreise, ein chaotisches Tarif- und Ticketsystem, Unpünktlichkeit und der Widerstand von Bürgerinnen und Bürgern gegen neue Bahntrassen und Ähnliches entgegen: Vor 2030 rechnet der Experte daher nicht mit einer Verbesserung in diesem Bereich.

Staugrund Baustelle

Größtes Problem in den nächsten zehn bis 15 Jahren sind für Schreckenberg Baustellen. Sie sind einer der Hauptgründe für Staus, und diese sind für die meisten Unfälle verantwortlich.

Staus vermeiden soll das Projekt STREAM (Smart Traffic using Edge and Social Computing) im neuen Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt und Nachhaltigkeit der FernUniversität. Darin geht es darum, auf der Basis neuronaler Netze Verkehrssituationen zu analysieren, ihre Entwicklungen voraussagen zu können und am Verkehr Teilnehmende zum Mitmachen zu veranlassen. Mit den gewonnenen Daten sollen sie bewegt werden, ihre Abfahrtszeiten und Routen zu ändern, um den Verkehr zeitlich und örtlich zu entzerren. Dadurch würden auch Schadstoffemissionen vermindert.

Gerd Dapprich | 17.12.2018