Denkerin, die nicht leicht in ein Raster passt

Namhafte Forschende stellten Grundbegriffe und -phänomene Edith Steins bei einer Fachtagung vor, die auf Seiten der FernUniversität von Dr. Marcus Knaup organisiert wurde.


„Unsere Arbeit hat sich gelohnt, alles ist sehr gut gelaufen und wir haben fruchtbare neue Erkenntnisse erhalten“, ist Dr. Marcus Knaup, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Philosophie der FernUniversität in Hagen, mit der internationalen Fachtagung „Grundbegriffe und -phänomene Edith Steins“ höchst zufrieden. Veranstalter waren er und Prof. Dr. Harald Seubert (Staatlich anerkannte staatsunabhängige Theologische Hochschule Basel; Hochschule für Politik in München).

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Marcus Knaup - hier bei seiner Begrüßung der Teilnehmenden - konnte sich über ein hohes Niveau der Tagung und viele neue fruchtbare Erkenntnisse freuen.

Der Titel der Tagung „Grundbegriffe und -phänomene Edith Steins“ zeigte den 75 Teilnehmenden bereits, dass Philosophie „Arbeit am Begriff“ ist und den Phänomenen gerecht werden muss. Motto der Veranstaltung könnte daher, so Knaup, Edith Steins Aussage „Es gibt ein Ziel, auf das alle philosophische Einzelforschungen hinarbeiten und zu dessen Erreichung sie zusammenwirken: das Ziel, die Welt zu verstehen“ sein.

Namhafte europäische Forschende stellten unterschiedliche Grundbegriffe und -phänomene Edith Steins vor. Es gab Vorträge zur Phänomenologie, zur Anthropologie, zur Religionsphilosophie und zur Frage, „wie wir heute Stein lesen können“, so Knaup weiter.

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Im Rahmen der Veranstaltung wurde das „Edith Stein-Lexikon“ vorgestellt.

Wegweisende Veranstaltung

Aus FernUni-Sicht war gerade auch die Anknüpfung an den Schwerpunkt „Phänomenologie“ des Hagener Instituts für Philosophie interessant: „Wir konnten das bisherige Spektrum durch die religionsphilosophischen Fragen einer Denkerin, die nicht leicht in ein Raster zu stecken ist, erweitern“, resümiert Knaup. „Insofern war die Veranstaltung in mehrfacher Hinsicht wegweisend.“

Neu war zum Beispiel die Herausarbeitung des „Gestaltbegriffs“, der bisher in der Stein-Forschung nicht beachtet worden sei, durch Dr. Christof Betschart OCD (Rom), berichtet Knaup. PD Dr. Tonke Dennebaum (Mainz) beleuchtete, wie Edith Stein den Archäologen und Theologen Erik Peterson las und aufgriff. Er ging dabei auch kritisch auf schwierige Aspekte im Werk Petersons, z.B. seine Sicht auf das Judentum, ein. Im letzten Panel befassten sich Prof. Harald Seubert (Basel), Dr. Martin Hähnel (Eichstätt) und Marcus Knaup mit Steins Aktualität. Seubert stellte ihre Bezüge zu anderen Denkerinnen und Denkern heraus. Hähnel arbeitete heraus, wie Alasdair MacIntyre Stein liest. Knaup zeigte auf, dass sich in Steins Arbeiten ein erstaunliches Potential zu kritischen Rückfragen an moderne bioethische Debatten ausfindig machen lässt und hier Lösungen für aktuelle Probleme gefunden werden können.

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Im Abendvortrag sprach Prof. Ugo Perone über „Das Ethische als Schwelle zwischen Moral und Religion?“
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Die Ausstellung über das Leben und Wirken von Edith Stein in der Universitätsbibliothek stieß auf große Aufmerksamkeit.

Achtung vor beeindruckender Persönlichkeit

Prof. Dr. Andreas Kleine, Prorektor der FernUniversität für Forschung und wissenschaftliche Nachwuchsförderung, stellte in seinem Grußwort einen Bezug zu dem Leben und Wirken Edith Steins und der Veranstaltung her: „Für ihre religiösen, philosophischen und ethischen Überzeugungen trat Edith Stein mit Leidenschaft ein. Schließlich wurde sie von den Nationalsozialisten ermordet. Auch mit Blick auf dieses Schicksal ist Ihre Teilnahme an der heute beginnenden Tagung so wichtig: Indem Sie Edith Steins Werk Aufmerksamkeit schenken, es analysieren, diskutieren und ins rechte Licht rücken, zeigen sie nicht nur vor großen Ideen, sondern auch vor einer beeindruckenden Persönlichkeit Achtung“, sprach er die Teilnehmenden direkt an.

Marcus Knaup fühlt sich durch die Tagung ermutigt, weiter an der Erschließung des philosophischen Erbes von Edith Stein zu arbeiten: „Es ist ein Schatz, den es zu heben gilt!“

Lexikon, Wanderausstellung und Vortrag

Im Rahmen der Veranstaltung wurde auch das „Edith Stein-Lexikon“ vorgestellt. Im Anschluss an die 27-bändige Edith Stein-Gesamtausgabe soll es das denkerische Erbe Steins und ihre philosophiegeschichtliche wie ihre systematisch-phänomenologische Bedeutung weiter erschließen. Mehr als 40 Stein-Forscherinnen und -Forscher aus verschiedenen Ländern und Generationen haben daran gearbeitet. Herausgegeben wird es von Dr. Marcus Knaup und Prof. Dr. Harald Seubert (432 Seiten, Verlag Herder, ISBN 978-3-451-34550-0)

Eine öffentliche Wanderausstellung über das Leben der Philosophin, Frauenrechtlerin und späteren Ordensfrau in der Universitätsbibliothek wurde in der Universitätsbibliothek eröffnet.

In einem öffentlichen Abendvortrag sprach Prof. Dr. Ugo Perone (Berlin) über „Das Ethische als Schwelle zwischen Moral und Religion?“

Gerd Dapprich | 11.12.2017