Spaß am Lernen fördert Schulbesuch von Mädchen in Entwicklungsländern

„Wer Spaß am Lernen hat geht öfter in der Schule. Auch wenn die Familie arm ist“, ist das Ergebnis einer Forschungsstudie in Malawi, an der Dr. Marieke van Egmond mitgearbeitet hat.


Lernen Menschen vor allem dann gerne, wenn sie eine Belohnung erwarten? „Das erwartet man, aber genau das haben wir nicht gefunden“, überrascht Dr. Marieke Christina van Egmond. „Selbst wenn man arm ist, lernt man gerne, wenn man Spaß am Lernen hat.“ Die Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Lehrgebiet Community Psychology (Prof. Dr. Anette Rohmann) der FernUniversität in Hagen forschte zu diesem Thema im afrikanischen Malawi. Das kleine christliche Land ist eines der ärmsten der Welt. Über die Armut hinaus haben Mädchen oft große Probleme, eine Schule zu besuchen. Jedoch: „Sie gehen gerne zur Schule. Sogar Mädchen, deren Familien kein Geld haben für genügend Essen oder für Medikamente.“ Die Erwartung einer Belohnung spielt keine Rolle. Unter den schwierigen Umständen ist es für die Schulmotivation sehr wichtig, dass nicht nur die physischen Grundbedürfnisse – Essen und Trinken, Medikamente und Geld – befriedigt werden, sondern auch die drei psychologischen Bedürfnisse Zugehörigkeit, Kompetenz und die Macht, eigene Entscheidungen zu treffen.

Ein Schulklasse mit Mädchen in Afrika
Obwohl es ihnen nicht leicht gemacht wird, wollen Mädchen lerrnen, um ihre Zukunftschancen zu verbessern. (Foto: ThinkstockPhotos_monkeybusinessimages)

Projektziel war, die Chancen dafür zu verbessern, dass Mädchen weiter in die Schule gehen, obwohl sie auch auf ihre kleineren Geschwister aufpassen oder im Haushalt arbeiten sollen. Kulturelle Faktoren treffen auf sehr praktische Herausforderungen. Besonders groß sind oft ihre Probleme, zur Schule zu gehen, wenn sie ihre Menstruation haben, da es an Seife und anderen Hygieneartikeln fehlt. Außerdem heiraten die Mädchen sehr jung, weil dann die Eltern die finanzielle Verantwortung los sind: „Und wenn sie verheiratet sind, sind sie erwachsen. In die Schule gehen müssen nur Kinder“, erläutert Dr. Marieke van Egmond. „Umgekehrt führt der Schulbesuch also dazu, dass sich die Heirat der Mädchen verzögert. Ob die Mädchen zur Schule gehen dürfen, entscheiden sie nicht selbst, sondern grundsätzlich ihre Väter“.

Portraitfoto einer jungen Frau mit langen braunen Haaren
Marieke van Egmond (Foto: FernUniversität)

„Weder die physischen noch die psychologische Grundbedürfnisse sind bei den Mädchen wirklich befriedigt“, betont Marieke van Egmond. „Sie haben zwar den Willen, zu Schule zu gehen, aber oft nicht die Möglichkeiten.“ Deswegen hat sie untersucht, wie sich das Vorhandensein entsprechender Ressourcen, wie die Macht eigene Entscheidungen zu treffen, auf ihren Schulbesuch auswirkt. Und welche Folgen Armut für diese Zusammenhänge hat.

„Obwohl es ihnen nicht leicht gemacht wird, wollen die Mädchen lernen. Wenn dazu noch die psychologischen Bedürfnisse befriedigt werden, steigert das die Motivation weiter – ganz besonders bei den Mädchen, die in großer Armut leben. Bei Mädchen, denen es relativ besser geht, ist dieser Effekt auch vorhanden, aber schwächer ausgeprägt. Das Gefühl zu haben, dass sie dazu gehören, dass sie kompetent sind – dass sie also als Mädchen in die Schule gehören –, hat eine große Bedeutung.

Übertragbare Ergebnisse

Kann man die Ergebnisse aus Malawi auf Deutschland übertragen? Auch hier wachsen viele Kinder in „prekären Verhältnissen“ auf. Wenn sie genug zu essen haben, wenn sie Zuspruch bekommen, wenn sie ermutigt werden: Haben sie dann gute Chancen, lernen zu wollen? „Genau das würde ich sagen“, betont Marieke van Egmond. „Man kann nicht davon ausgehen, dass sie nicht in die Schule gehen wollen. Es gibt keinen Grund zu sagen, dass es die Motivation zu lernen nicht gibt, wenn die Familie in einer schwierigen finanziellen Lage ist.“

Es geht nicht nur um formale Aspekte des Zugangs wie Bücher und Schreibutensilien, sondern auch um psychologische: „Gehöre ich dazu? Fühle ich, dass hier mein Platz ist und dass ich etwas erreichen kann?“ Hierzu allerdings ist die Forschung noch relativ jung, Marieke van Egmond und ihre Kolleginnen und Kollegen besetzen also ein recht neues Forschungsfeld.

Beraterin der Berater

Bei ihrer früheren Tätigkeit an der Jacobs University in Bremen konnte Marieke van Egmond an einer Evaluationsstudie in einem Entwicklungsprojekt mitarbeiten. Die Forschung wurde von einem Beratungsunternehmen durchgeführt. Marieke van Egmond war als Forschungsconsultant dafür zuständig, das mehrjährige Entwicklungsprojekt der Organisation „Theatre for a Change“ (TfaC, www.tfacafrica.com) zu evaluieren. Sie beriet also das Beratungsunternehmen. Dafür sprach sie in Malawi mit Mädchen, mit Lehrerinnen, die das Projekt in der Hauptstadt Lilongwe und in Dörfern durchführten, mit Eltern und mit Stammeshäuptlingen („Chiefs“). Die Daten wertete sie im Rahmen ihrer Tätigkeit an der FernUniversität aus. Inzwischen arbeitet die Hagener Wissenschaftlerin mit dem TfaC direkt zusammen bei der Auswertung von Daten zum Thema Selbstvertrauen.

Veröffentlichungen zum Forschungsprojekt

Über das Projekt hat Dr. Marieke van Egmond einen Artikel in der Fachzeitschrift Psychological Science veröffentlicht: http://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/0956797617698138

Die Pressemitteilung der American Psychological Association zu der Forschungsarbeit von Marieke van Egmond ist unter https://www.psychologicalscience.org/news/releases/fostering-motivation-could-help-keep-marginalized-girls-in-school.html#.WVpRfGcdfNz zu finden.

Gerd Dapprich | 19.07.2017