Veranstalter: Prof. Dr. Peter Risthaus, Helmut Hofbauer
Die ‚Computerdichtung‘ hat erheblich aufgerüstet und zwar nicht allein technisch: Lyrik-Bots und vergleichbare Textgeneratoren laufen jetzt auf Twitter und in anderen sozialen Medien, von diversen Websites ganz zu schweigen. Was wird Dichtung unter digitalen Bedingungen gewesen sein?
Digitale Hermeneutik und digitale Produktion: Der poetische Maschinenraum von Theo Lutz
PD Dr. Toni Bernhart (Universität Stuttgart)
Es ist kennzeichnend für die frühe digitale Hermeneutik der 1950er Jahre, dass sehr rasch ein Umkehrschub unternommen wird: Algorithmen sollen Texte nicht nur segmentieren und analysieren, sondern auch produzieren. Sinn wird dadurch nicht mehr nur dekontextualisiert, sondern konstituiert. Exemplarisch dafür ist der Stuttgarter Mathematiker Theo Lutz, der 1959 zusammen mit Max Bense und Rul Gunzenhäuser mithilfe eines Programms im Freiburger Code auf einer Zuse Z22 seine „Stochastischen Texte“ herstellt. Zur Debatte stehen u.a. die Doppelrolle des Programmierers, wenn dieser als Editor – wie Lutz – Eingriffe und Umschriften am maschinengenerierten Text vornimmt.
PD Dr. Toni Bernhart leitete von Oktober 2015 bis März 2020 das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Forschungsprojekt „Quantitative Literaturwissenschaft“ am Institut für Literaturwissenschaft und am Stuttgart Research Centre for Text Studies der Universität Stuttgart. Seine Forschungsschwerpunkte sind unter anderem Quantitative Literaturwissenschaft, die Wissenschaftsgeschichte der Digital Humanities und Literatur und Akustik. Zudem ist er als Regisseur und Autor von Theaterstücken tätig.
Sind Programmiersprachen poetisch?
Dr. Till Heilmann (Ruhr-Universität Bochum)
Bereits frühe Elektronenrechner wurden programmiert, um ‚Poesie‘ zu erzeugen. Experimente wie Christopher Stracheys Love Letters am Ferranti Mark I (1952) und Theo Lutz’ Stochastische Texte an der Zuse 22 (1959) stellten mit neuartigen Techniken zur Diskussion, was als Dichten oder als Dichtung gelten darf. Ausgehend von Friedrich Kittlers Bemerkung, Computer würden erstmals den „Wortsinn von Poesie“ einlösen, aber jenseits einzelner Computergedichte und -modelle, will der Vortrag der Frage nachgehen, wie die Poesie von Programmiersprachen selbst in der Geschichte der Computer verhandelt wurde.
Dr. Till Heilmann forscht als Akademischer Rat am Institut für Medienwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum. 2008 wurde er mit einer Arbeit zum Computer als Schreibmaschine promoviert. Seine Forschungsschwerpunkte sind Digitale Bildbearbeitung, Algorithmen und Computerprogrammierung, nordamerikanische und deutschsprachige Medienwissenschaft.