Veranstalter*innen: Prof. Dr. Claudia de Witt, Dr. Christian Leineweber, Vanessa Meiners
Eine Hermeneutik, die sich als digital begreifen und profilieren möchte, verweist ganz wesentlich auf die Methode, sprachlich kommunizierten und maschinell berechneten Sinn zu verstehen. Mensch und Maschine treten so in ein Netzwerk von kommunizierten und kommunizierbaren Verständnissen. Dies setzt nicht mehr nur ein Verstehen der Welt, sondern darüber hinaus auch verstehende Algorithmen und ein Verstehen der Algorithmen voraus. Unser Panel widmet sich diesem ›Doppelspiel‹ mit dem Ziel, die Beziehung zwischen menschlichem und maschinellem Verstehen in unterschiedlichen Facetten zu (de-) konstruieren.
Modelle erklären, Modelle verstehen
Prof. Dr. Andreas Kaminski (RWTH Aachen/Universität Stuttgart)
Avancierte Formen des maschinellen Lernens führen zu Modellen, die weitgehend opak sind. Als Reaktion darauf ist die Forschungsrichtung zur Erklärbarkeit von KI-Modellen entstanden (Explainable AI). Es ist jedoch bei weitem nicht klar, ob erklärbare KI auch zu transparenten Modellen führt. Der Vortrag wird dieser Frage nachgehen, indem er den Begriff der Verstehbarkeit von Modellen ihrer Erklärbarkeit gegenüberstellt. Die These lautet: Selbst wenn wir einzelne Modellentscheidungen erklären können, heißt es nicht, dass wir die Modelle auch verstehen.
Dr. habil. Andreas Kaminski ist Gastprofessor für Technik- und Wissenschaftsphilosophie an der RWTH Aachen und Leiter der Abteilung für die Philosophie der computerintensiven Wissenschaften am Bundeshöchstleistungsrechenzentrum der Universität Stuttgart. In seiner Forschung beschäftigt er sich derzeit vor allem mit Fragen der Opazität und Reproduzierbarkeit von Computermodellen sowie mit Vertrauen in Informationen.
Digitale Mimesis
Prof. Dr. Jan Söffner (Zeppelin Universität Friedrichshafen)
Das mimetische Vermögen ist, wie Platon, Giambattista Vico, Walter Benjamin und Michael Taussig je verschieden beschreiben, nicht nur auf Darstellung ausgerichtet, sondern auch auf Anverwandlung: Sie schafft nicht nur mimetische Objekte, sondern eröffnet auch einen Moment der Teilhabe. Auf Grundlage dieser Prämisse entwickelt der Vortrag ein Schema des mimetischen Feldes, das die Bestimmung unterschiedlicher Formen der Mimesis sowohl von ihrer Konstruktion als auch von ihrer Hermeneutik ermöglicht. Dieses Schema wird in einem zweiten Schritt auf die Interaktion des Menschen mit digitaler Technologie angewendet, d. h. auf Schnittstellen, hinter denen Algorithmen ihrerseits „mimetische“ Prozesse vollziehen.
Prof. Dr. Jan Söffner ist Romanist und Kulturtheoretiker. Er bekleidet den Lehrstuhl für Kulturtheorie und Kulturanalyse an der Zeppelin Universität Friedrichshafen. Nach einem Studium der Germanistik und Italianistik in Köln waren seine Stationen das dortige Romanische Seminar, das Zentrum für Literatur- und Kulturforschung in Berlin, das Internationale Kolleg Morphomata in Köln, das Romanische Seminar der Universität Tübingen und die Programmleitung beim Wissenschaftsverlag Wilhelm Fink. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Literaturtheorie, Metaphern und Mimesis, Mythologie und Enaktivismus.