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Cottbuser Programm für eine bessere Ford-Bewegung

BTU-Forscher optimieren mit neuer Software Produktionsabläufe

Im Zusammenhang mit Mathematik ist vielen das Wort "Bestrafen" noch ziemlich gut erinnerlich als eine Folge schlechter Noten. Es gibt aber auch ein mathematisches Abstrafen. Wissenschaftler der Brandenburgischen Technischen Universität (BTU) Cottbus verwenden es als Teil ihres neuen Programms, mit dem der Autokonzern Ford seit wenigen Monaten Produktionsabläufe optimiert. Hier geht es letztlich um eine bessere Ford-Bewegung.

 - von Dr. Rolf Bartonek -

Den Ärger, den viele Menschen mit der Mathematik haben, führt Prof. Dr. Winfried Hochstättler auf ein kulturelles Problem zurück. "Es ist heute schon schick zu sagen: In Mathe war ich immer schlecht", registriert der Leiter des BTU-Lehrstuhls für Mathematische Grundlagen der Informatik. In der Schule werde Mathematik oft zu formal und mechanisch angewendet. Zu wenig sei erlebbar, dass es sich um eine abstrakte Kunstform handelt, die zwar schwerer zu vermitteln ist als Musik, die aber auch viel Spaß machen kann.

Spaß an der Sache

Viel Spaß an der Sache hatte Hochstättlers Mitarbeiter Thomas Epping, als er Produktionsabläufe bei Ford in Köln nach Vorgaben des Konzerns mathematisch analysierte. Der Mann aus Gladbeck, der in Bochum studierte, will nun in Cottbus promovieren. Den engen Kontakt zu Ford hat Hochstättler aus seiner Zeit an der Universität Köln mit an die Spree gebracht. Und weil einer seiner Doktoranden jetzt bei dem Autohersteller tätig ist, liefen Entwicklung und Einführung des Cottbuser Planungs-Programms wie am Schnürchen. Seit November arbeiten alle europäischen Ford-Werke damit, wie Hochstättler erklärt.

Aber was steckt nun eigentlich hinter dem Programm? Was bringt die bessere Ford-Bewegung? Das Problem in der Produktion besteht darin, dass kaum ein Ford so ist wie der andere. Gemeint ist hier nicht die Typenvielfalt, es geht um die Vielzahl der Dinge, die ein Kunde ordern kann: Ledersitze, Automatik, Zahl der Türen, Glasdach, Klimaanlage, Motorart und -größe, diverse Sicherheitspakete, Farbe und anderes mehr. Abgesehen von der Farbgebung wird der Variantenreichtum erst in der Endmontage realisiert. Hier gibt es für alles spezialisierte Teams, die möglichst gleichmäßig mit arbeit versorgt werden sollen.

Gleichmäßig bedeutet: nicht zu viel und nicht zu wenig. Müssen zum Beispiel Polsterer an zu vielen Autos gleichzeitig Ledersitze einbauen, dann sind sie schnell überfordert, es kommt zu einer höheren Fehlerquote. Und das ist teuer. Teuer ist es aber auch, wenn sie eine Zeit lang gar nichts zu tun haben.

Die bisherige Produktionsplanung orientierte sich deshalb ausschließlich an den Bedürfnissen der Endmontage und berücksichtigte die vorgelagerte Farbgebung nur grob. Das führte beim Grundieren und Lackieren zu einem häufigen Farbwechsel, was immer mit dem Reinigen der Düsen verbunden ist. Auch das kostet.

Es ging nun um die Frage, ob sich die Bedürfnisse der Endmontage und die der Farbgebung mit Hilfe der Mathematik besser in Einklang bringen lassen. Die Cottbuser entwickelten ein Programm zur optimierten Planung der Tagesproduktion. Es handelt sich um einen Algorithmus, bei dem sich den unterschiedlichen Montagestationen und der Farbgebung unterschiedliche Wichtigkeiten (Vorränge) einräumen lassen. Auf dieser Grundlage fängt der Rechner an, das Tagesprogramm zu erstellen, die Karosserien entsprechend den Kundenwünschen den einzelnen Produktionsschritten zuzuordnen. Verstößt er dabei gegen einen Vorrang, so erkennt das Programm dies als Regelverletzung. Der Computer muss Strafarbeit leisten und die Arbeit neu beginnen.

Gut ein Drittel weniger Farbwechsel

Im Ergebnis bewegt sich vieles besser bei Ford, die Arbeitsschritte greifen effektiver ineinander. Die Zahl der Farbwechsel sei um 30 bis 40 Prozent reduziert worden, berichtet Hochstättler und rechnet mit einem Nutzen im "sechsstelligen Eurobereich". So hat auch Ford Spaß an der Mathematik. Die Zusammenarbeit soll fortgesetzt werden.

Nächste Etappe

Die Cottbuser Wissenschaftler wollen ihr Produktions-Planungsprogramm für die Kölner Ford-Werke AG noch erweitern. Derzeit berücksichtigt es noch nicht Veränderungen, die sich in der täglichen Fertigung ergeben, etwa weil an irgendeiner Stelle die Kontinuität der Abläufe durch Ausfall einer Anlage unterbrochen ist oder zeitweise bestimmte Teile nicht vorhanden sind. Künftig soll das Programm auch auf solche Veränderungen aktuell reagieren. Der Cottbuser Student Robert Nickel hat dazu in seiner Diplomarbeit theoretische Vorarbeit geleistet. Er fährt nun ins Ford-Werk nach Saarlouis, um dies in die Praxis umzusetzen.

Lausitzer Rundschau, 17.02.2004